Der Konkurrenzdruck unter Taxibetrieben steigt. Viele arbeiten deshalb mit Betrügereien, kritisiert der eigene Branchenverband. Foto: Peter-Michael Petsch

Die Taxibranche kriselt gewaltig. In Stuttgart vergibt die Stadt deshalb keine neuen Konzessionen mehr. Der Preisdruck steigt und bringt massive Betrügereien mit sich. Seriöse Betriebe und der Taxiverband fordern jetzt ein stärkeres Eingreifen der Behörden.

Stuttgart - Der Taxifahrer staunt nicht schlecht. Mitten in der Stadt hält ein Kollege neben seinem Auto an und fragt ihn allen Ernstes nach dem Weg zum Hauptbahnhof. Der Mann spricht kaum ein Wort Deutsch, im Wagen sitzt ein Fahrgast. So geschehen unlängst in Karlsruhe.

„Wie bestehen solche Leute eigentlich die Ortskundeprüfung, und wie bekommen sie einen Personenbeförderungsschein?“, fragt Thomas Laschuk. Der Landesvorsitzende des Taxiverbands Deutschland vermutet, dass bei den Prüfungen getrickst wird oder Leute auf der Straße sind, die gar keine Fahrgäste befördern dürften. In der Branche gärt es deshalb heftig. Nach Berichten in dieser Zeitung über schwarze Schafe erheben seriöse Betriebe immer mehr Vorwürfe.

„Der Skandal ist groß. Es geht um systematischen Millionenbetrug. Beteiligt sind viele“, sagt Laschuk. Unternehmen, die legal arbeiteten, würden „immer mehr ans Existenzminimum gedrängt“. Deshalb stelle sich zunehmend die Frage: mitmachen oder aufhören? Die Liste der Vorwürfe ist lang: Hartz-IV-Betrug durch Fahrer, die arbeitslos gemeldet sind. Autos, die wegen des Kostendrucks nicht mehr gewartet werden. Fahrer, die ohne Erlaubnis unterwegs sind. Oder Geschäftsführer, die für 20 oder 30 Betriebe zuständig sind, weil der jeweilige Eigentümer die anspruchsvolle IHK-Prüfung nicht bestanden oder abgelegt hat.

„Man hat das Gefühl, die lassen die Leute einfach machen“

Dabei wird der Umganston immer rauer. Ein Fahrgast aus Stuttgart berichtet, wie er binnen kurzer Zeit zweimal rüde aus einem Taxi geworfen wurde, weil er mit der vom Fahrer gewählten Strecke nicht einverstanden war. Ein Stuttgarter Taxiunternehmer schildert, wie er als Beisitzer bei Prüfungen der IHK immer wieder auf Leute stieß, die noch nicht einmal die Fragen verstanden. Bei Zoll- und Polizeikontrollen am Hauptbahnhof und Flughafen seien die Taxistände regelmäßig plötzlich „wie leergefegt“. Und eine Frau, die im Kreis Esslingen in der Branche arbeitet, beklagt, dass Konkurrenten sogar mit dem Privatwagen unterwegs seien. Auf Beschwerden reagiere niemand.

Auch Landeschef Laschuk stellt den Behörden kein gutes Zeugnis aus. „Die sind massiv überfordert“, sagt er. Wenn man als Unternehmer etwas tun wolle, ende das immer bei den Behörden. „Man hat das Gefühl, die lassen die Leute einfach machen“, kritisiert Laschuk. Man brauche stattdessen in allen Stadt- und Landkreisen mindestens einen Ansprechpartner, „der nicht nur Anträge entgegennimmt, sondern auch raus geht. Polizei und Zoll müssten dabei sein.“

Drei von vier Taxis fallen durch

In Esslingen passiert das derzeit verstärkt. Dort kümmert sich eine spezielle Kontrollgruppe der Verkehrspolizei um die Taxis. „Wir kontrollieren immer häufiger, denn die Zahl der Beschwerden steigt massiv“, sagt Tobias Prokein. Der Experte weiß, dass besonders Fahrgäste immer öfter entsetzt seien über den Zustand der Fahrzeuge oder das Verhalten mancher Fahrer.

Er hat erschreckende Zahlen parat. Rund 200 Taxis sind im vergangenen Jahr in Esslingen kontrolliert worden. „Die Beanstandungsquote lag bei 90 Prozent. Drei Viertel der Fahrzeuge mussten danach sogar stehen bleiben“, sagt Prokein. Technische Mängel, keine Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung, keine Konzession – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Einer sei sogar mit dem Privatauto aufgekreuzt und habe gesagt, man sei da flexibel. „Die sauberen Firmen sind in der Minderheit“, so Prokein.

Das bestätigen auch andere Polizeidirektionen. In Offenburg kümmert man sich seit Jahren intensiv um Taxis und Mietwagen. Damit sind in diesem Fall keine Leihautos gemeint. Im Gegensatz zu Taxis dürfen Mietwagen nicht am Taxistand stehen, sondern nur auf Bestellung Menschen befördern. „Viele Mietwagenfahrer versuchen, die Preise massiv zu drücken“, weiß Prokein. Und auch aus Offenburg verlautet: „Die Beanstandungsquoten liegen im Ortenaukreis derzeit bei 90 Prozent.“ Viele Fahrten tauchten nirgendwo auf und blieben unversteuert.

Ausmaß der Tricksereien und der Konkurrenzdruck wachsen

Für den Kunden sind die Tricksereien selten zu erkennen. „Die Leute schauen vor allem auf den Preis“, so Prokein. Allerdings sollte man schon darauf achten, bei wem man einsteigt. Gibt es etwa einen Unfall mit einem nicht zugelassenen Fahrer oder Auto, kann es bei der Schadensregulierung auch für den Fahrgast zu großen Schwierigkeiten mit der Versicherung kommen.

Dass mit immer härteren Bandagen gekämpft wird, zeigt sich auch an anderer Stelle. Beim Regierungspräsidium Stuttgart gehen die Widersprüche ein, wenn Betroffene mit der Konzessionsvergabe der Kommunen oder Landratsämter nicht einverstanden sind. „In den vergangenen Jahren sind nur vereinzelt Widersprüche gekommen“, weiß Sprecher Peter Zaar, „aber seit einigen Monaten hat sich das gerade aus Stuttgart sehr verstärkt.“ Seit es dort keine neuen Konzessionen mehr gibt. Das Ausmaß der Tricksereien und der Konkurrenzdruck wachsen. „So wird das Taxigeschäft an die Wand gefahren“, sagt ein Stuttgarter Unternehmer, „es wird höchste Zeit, dass dieses Thema aufgegriffen wird.“