Mehr als 105 000 Menschen kamen 2013 mit dem Gesetz in Konflikt Foto: dpa

Wer den Verdacht hegt, die Jugend werde immer krimineller, kann dies zumindest nicht aus der Gerichtsstatistik ableiten. Im Gegenteil: Im vergangenen Jahr wurden so wenige Jugendliche verurteilt wie zuletzt 1995.

Wer den Verdacht hegt, die Jugend werde immer krimineller, kann dies zumindest nicht aus der Gerichtsstatistik ableiten. Im Gegenteil: Im vergangenen Jahr wurden so wenige Jugendliche verurteilt wie zuletzt 1995.

Stuttgart - Im Jahr 2013 wurden fast elf Prozent weniger Jugendliche vor Gericht schuldig gesprochen als noch im Jahr zuvor. Auch die Gesamtzahl der gerichtlich Verurteilten lag mit 105 300 etwas unter dem Wert des Vorjahres. „Das ist eine erfreulich positive Entwicklung“, sagte Justizminister Rainer Stickelberger bei der Vorlage der Strafverfolgungsstatistik.

Fachleute führen diesen seit Jahren feststellbaren Trend auf unterschiedliche Ursachen zurück. Er hänge vom Anzeigeverhalten der Bürger ab, von Erfolgen der Kriminalprävention, aber auch davon, ob und wie Gerichte Straftaten sanktionierten, sagte Carmina Brenner, die Präsidentin des Statistischen Landesamts. Auch stabile wirtschaftliche Verhältnisse begünstigten die Bilanz, sagte der Justizminister.

Stickelberger betonte jedoch, diese Statistik habe nichts mit der tatsächlichen Kriminalitätsentwicklung zu tun. Wenn bei einem Delikt kein Täter gefasst wird, taucht die Straftat auch nicht in der Gerichtsbilanz auf. Eingestellte Ermittlungsverfahren sind ebenso wenig erfasst. Ohnehin gebe es keinen Anlass zur Euphorie, warnte der Minister, „denn die Fälle, die wir haben, sind schon schwierig genug“. Immer mehr Jugendliche, die hinter Gittern landen, seien psychisch auffällig.

Wie labil die Lage ist, lässt sich an der Massenschlägerei im Jugendgefängnis Adelsheim von Mitte August ablesen. Weil dort auch Vollzugsbeamte massiv angegriffen wurden, seien nun auch die Kollegen in anderen Haftanstalten beunruhigt, sagte Stickelberger: „Die fragen sich natürlich: Kann uns das auch passieren?“

Ob in den Gefängnissen mehr Personal notwendig ist, ließ er zwar offen, sagte aber: „Wir sind im Vollzug nicht üppig ausgestattet.“ Mehr Personal könne er immer gebrauchen. Zur Forderung des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, 370 neue Stellen zu schaffen, äußerte er sich nicht.

An der Statistik der Gerichte fällt auf, dass sich der Schwerpunkte bei den Deliktarten offenbar verschiebt. Während Gewaltkriminalität wie Mord, Totschlag, Vergewaltigung oder Raub immer seltener zu einem Schuldspruch führt, gibt es deutlich mehr Verurteilungen wegen Vermögens- und Drogendelikten.

4411 Gewaltkriminelle wurden 2013 verurteilt, das sind 3,9 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Laut Brenner ist dies der niedrigste Wert seit 2000. Bei Jugendlichen und Heranwachsenden (18 bis 21 Jahre) sank die Zahl der Schuldsprüche sogar um 13,5 beziehungsweise 11,1 Prozent.

Gewalt ist zweifellos männlich geprägt: Rund 4000 Männer wurden deswegen verurteilt, aber nur 400 Frauen. Der Frauenanteil in der Bilanz insgesamt beträgt knapp ein Fünftel, wobei die typisch weiblichen Delikte offenbar Betrug und Untreue sind (dazu zählt auch Schwarzfahren). Deswegen wurden 6800 Frauen verurteilt, das sind 29,3 Prozent aller Verurteilten in dieser Straftatengruppe.

Stark zugenommen haben die Schuldsprüche wegen Betäubungsmitteldelikten (plus 7,1 Prozent). „Das geht sicher auch auf verstärkte Kontrollmaßnahmen der Polizei zurück“, sagte Stickelberger. Die Zunahme zeige aber auch, dass man sich diesem gesellschaftlichen Problem stellen müsse.

Fast 33 000 der insgesamt 105 300 Verurteilten waren Ausländer. Das sind 31,2 Prozent, 8,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Ausländeranteil an der Bevölkerung insgesamt betrug 11,4 Prozent (2012). Bereinigt um den demografischen Faktor (im Jahr 2013 wanderten viele Menschen zu), stieg die Zahl der Verurteilungen bei Ausländern um 2,9 Prozent.