Die Liebesvase vor der Staatsgalerie fängt an zu bröckeln. Foto: FACTUM-WEISE

Die Liebesvase aus Sandstein vor der Staatsgalerie beginnt, langsam aber sicher zu zerfallen.

Innenstadt - Gerd Leibrock hat sie vor einiger Zeit entdeckt und war verwundert, dass sich neben ihr keine Info-Tafel befand oder sonst ein Hinweis auf sie. Die Liebesvase steht neben der Staatsgalerie, direkt unterhalb des Kammertheaters. Bei der Stadt Stuttgart konnte dem Bürger Gerd Leibrock, dessen leidenschaftliches Hobby die Kunst ist, niemand weiterhelfen. Doch bei der Staatsgalerie wurde er fündig. Christoph Conrad, dort zuständig für die Kunst des 19. Jahrhunderts, wusste über die Liebesvase vor dem eigenen Gebäude Bescheid.

Die kolossale Sandsteinvase ist ein Werk des Stuttgarters Friedrich Distelbarth. Der Bildhauer wurde vor 250 Jahren in Ludwigsburg geboren und durfte als Soldatensohn auf Kosten von Herzog Carl Eugen die Hohe Carlsschule besuchen. Die beiden letzten Jahre seines Studiums absolvierte Distelbarth als Schüler von Johann Friedrich Dannecker, einem württembergischen Bildhauer, der eigentlich viel bekannter als Distelbarth war.

Wie Gerd Leibrock herausgefunden hat, ist Distelbarth mit 24 Jahren zu Fuß nach Rom gewandert, dem Mekka von Künstlern aus aller Welt. Anscheinend habe er sich mit Gelegenheitsaufträgen durchgeschlagen und deshalb besonders nach Vorlagen gearbeitet. „Er hat kaum eigene Werke erschaffen“, erzählt Leibrock, der sich eingehend mit dem Künstler beschäftigt hat.

Liebesvase war kein Auftragswerk

Die Liebesvase war jedoch kein Auftragswerk, sondern Distelbarth nahm sie aus eigenem Antrieb in Angriff. Er griff das antike Motiv der Amorettenverkäuferin auf, die Liebeshungrigen die geflügelten kleinen Amorgötter feilbot. Die Bildergeschichte läuft rings um den Bauch der Vase. Sie erzählt, wie eine junge Frau diese in einem Käfig gefangenen Amoretten an Menschen unterschiedlichen Alters verkauft. Von den Jungverliebten dreht sich die Geschichte weiter über zwei vom Alltag zermürbte Eheleuten bis zu einem Greis, der dem Bild nach zu urteilen noch ein letztes Mal in seinem Leben nach der Liebe greift.

Vom Grundaufbau stimmt die Vase mit der berühmten Medici-Vase überein, wie Gerd Leibrock inzwischen weiß. Diese kursierte in zahlreichen Kopien, auch im Ludwigsburger Schloss befanden sich vier Medici-Vasen. Die empfindlichen Henkel sind an Distelbarths Vase längst abgebrochen, auch sonst weist das Werk Schäden auf. Die Liebesvase ist im Freien jeder Witterung ausgesetzt: Regen, Wind und Kälte haben ihr ganz schön zugesetzt.

Bevor die Liebesvase ihren heutigen Platz gefunden hat, hatte sie einige Stationen hinter sich: Zunächst stand sie eine Weile in Distelbarths Werkstatt. Dann fand der Stuttgarter Industrielle Karl von Reichenbach Gefallen an ihr und schenkte sie seiner Ehefrau. Als diese kurz darauf starb, überließ von Reichenbach die Vase im Jahr 1835 der Stadt Stuttgart, die sie sieben Jahre später vor der Alten Staatsgalerie aufstellen ließ. Kurz darauf, im Jahr 1889, verdrängte das Reiterstandbild Wilhelm I. die Liebesvase von ihrem Platz. Sie wurde in eine Grünanlage neben das Museum versetzt. Zeitweise verschwand die Liebesvase sogar ganz von der Bildfläche. Sie stand in einem Depot.

Erst der Architekt der Neuen Staatsgalerie, James Sterling, holte sie 1984 wieder aus der Versenkung hervor – und wies ihr den heutigen Platz hinter den Fontänen der Staatsgalerie zu.

Die Liebesvase ist übrigens nicht das einzige Werk des Künstlers Friedrich Distelbarth in Stuttgart. Die halb nackten Nixen, die vor dem Schloss Rosenstein stehen, hat er ebenfalls erschaffen.