Sybille Schwarz in der Esslinger Soundfabrik Jankowski. Foto: Horst Rudel

Alle paar Jahre müssen die Ansagen in den Stuttgarter Stadtbahnen und an den Haltestellen wieder auf den neuesten Stand gebracht werden. Seit 1999 leiht Sybille Schwarz den SSB ihre Stimme.

Stuttgart/Esslingen - „Dies ist ein Doppelzug. Bitte benutzen Sie alle acht Türen!“ Mehrfach wiederholt Sybille Schwarz diesen Satz, ehe sie in schallendes Gelächer ausbricht: „Spätestens bei den acht Türen kommt mir wieder dieses alte Lied in den Sinn: Ein Wagen von der Linie 8 – alle aussteige lasse!“. In jenem Lied des bayrischen Humoristen Weiß Ferdl geht es um eine total chaotische Trambahnfahrt durch München. Total chaotisch geht es hier im Studio der Jankowski Soundfabrik in der Esslinger Weilstraße indes nicht zu. Im Gegenteil, hier herrscht högschde Konzentration, wie es Bundestrainer Jogi Löw formulieren. Vor allem aber gibt es weder bayrischen noch schwäbischen Zungenschlag. Vielmehr geht’s bei den neuen Texten für die Haltestellen um saubere Aussprache.

Sybille Schwartz ist eine von zwei Sprecherinnen, die von den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) immer mal wieder zu Aktualisierungen gebeten werden. Ihre Kollegin heißt Dorothee Roth und ist in den Stadtbahnen selbst zu hören – vor einigen Monaten war sie mal wieder im Einsatz, um etwa die ergänzte Haltestelle „Rotebühlplatz – Das Gerber“ aufzunehmen. Sybille Schwartz wiederum hören täglich Zehntausende Fahrgäste, die an den Bahnsteigen auf die einfahrende Stadtbahn warten. Gleich zwei verschiedene Stimmen für den Einsatz innerhalb sowie außerhalb der Bahn – warum das? „Das sind zwei unterschiedliche Bereiche, da sind unterschiedliche Stimmen durchaus sinnvoll“, erklärt Eberhardt Kurtz, Leiter der Fahrgastinfo der SSB.

Vor 25 Jahren begann die Zusammenarbeit mit Dorothee Roth, seit 1999 leiht Sybille Schwarz den SSB ihre Stimme. Andere Verkehrsverbünde in deutschen Großstädten, berichtet Kurtz, hätten für ihre Ansagen bereits auf synthetische Stimmen zurückgegriffen- dabei werden einzelne Buchstaben oder Silben nach Bedarf vom Computer zu Wörtern zusammengesetzt. „Wo Sie die Menschen direkt ansprechen wollen, ist die menschliche Stimme aber unersetzlich“, sagt Schwartz dazu. Zu hören sind Sybille Schwarz’ Ansagen übrigens nur in den unterirdischen Stadtbahn-Stationen. Oberirdisch wird drauf verzichtet – aus Rücksicht auf die Nachbarn, die nicht mitten in der Nacht aufgeschreckt werden sollen.

Dass für die Stadtbahnen beziehungsweise auf den Bahnsteigen keine Männerstimmen gewählt werden, ist für Toningenieur Peter Hardt eine naheliegende, sinnvolle Entscheidung. „Bei der dortigen Akustik und dem vielen Hall wirkt die weibliche Stimme deutlich klarer und heller und ist nicht zuletzt von Auswärtigen oder ausländischen Gästen, die des Deutschen nicht so mächtig sind, leichter zu verstehen“, urteilt der Inhaber des Esslinger Klangstudios. Eine „brummige Männerstimme“ komme da nicht so transparent herüber.

In der Aussprache gab es bereits bisher etliche Stolperfallen. Heslach etwa muss eher nach „Häslach“ klingen. „Waihingen“ geht gar nicht. „Ein Nicht-Stuttgarter würde Bottnang sagen, die Aussprache sollte aber eher nach „Bootnang klingen“, so Kurtz.

In Esslingen geht es nun um mehrere neue Sätze, etwa jener für die Wartenden auf dem Bahnsteig: „Bitte lassen Sie aussteigen, bevor Sie einsteigen.“ Für die Besucher des Kirchentags im nächsten Frühsommer wird bereits ein Text aufgenommen. „Achtung, die U 12 nach Dürrlewang fährt ein“, wiederholt Sybille Schwarz mehrfach. Bei „Remseck“ greift Hardt korrigierend ein. Sybille Schwarz rutscht allzu hurtig über den Stadtnamen hinweg, spricht Remseck mit einem stimmhaften S, wie bei einem Bienensummen. Eine Minipause zwischen Rems und Eck sei besser, sagt Hardt durchs Mikrofon zu der hinter der Scheibe im schalldichten Studio sitzenden Sprecherin.

Sybille Schwartz, nach eigener Auskunft eine Mittfünzigerin, wurde einst in der Nähe von Stuttgart geboren und ist in der Landeshauptstadt aufgewachsen. Ihre Schauspielausbildung absolvierte sie in Wiesbaden, über einen Moderatorenwettbewerb kam sie 1986 zum damaligen Süddeutschen Rundfunk. Dort sprach sie Nachrichten, moderierte Klassik- oder Kabarettsendungen und war mit Michael Branik sonntagnachmittags in „Sie wünschen – wir spielen“ zu hören. Später wechselte sie zu Privatradios und arbeitet mittlerweile als freie Sprecherin. Für etliche Firmen hat sie schon Werbung gesprochen. Etwa für den Bader-Katalog ( „Ganz groß in Mode“), für Stuttgarter Hofbräu, Mercedes oder Kärcher.

Ihre eigene Stimme an einer Haltestelle zu hören sei „schon etwas ulkig“, sagt sie. Immerhin, als sie kürzlich mit ihrem Großneffen am Charlottenplatz auf die Stadtbahn wartete, „hat er meine Stimme erkannt“. Eine Lieblingshaltestelle hat sie aber nicht. „Ich bin kein so großer Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel“, gesteht sie und verweist auf ihren Wohnort Steinenbronn (Kreis Böblingen), „da haben wir nur Busanschluss“. Aber zu Dürrlewang könnte sie jetzt, nach den etlichen Wiederholungen, doch eine gewisse Zuneigung entwickeln.