Für einige Menschen kann Laufen zur Sucht werden Foto: dpa

An der Uniklinik Freiburg werden Menschen, die übermäßig Sport machen, an gesunde Bewegung herangeführt. Almut Zeeck, leitende Oberärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, behandelt Patienten, die neben einer Essstörung auch unter einem ungesunden Sportverhalten leiden.

Freiburg - Auf den ersten Blick erscheint es widersprüchlich, eine Sucht mit dem Suchtmittel zu bekämpfen – doch genau dies tun Mediziner und Sporttherapeuten an der Universitätsklinik Freiburg. Almut Zeeck, leitende Oberärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, behandelt Patienten, die neben einer Essstörung auch unter einem ungesunden Sportverhalten oder sekundärer Sportsucht leiden.

„Etwa 40 Prozent aller Menschen mit einer Magersucht oder Bulimie sind davon betroffen und gehen in einer ungesunden Weise körperlicher Aktivität nach“, sagt sie. Sport sei für die Betroffenen ein Zwang, ein Mittel, um Kalorien zu verbrennen oder Kontrolle über den Körper zu erlangen. Die Betroffenen laufen stundenlang oder machen Hunderte Sätze an Gymnastikübungen. „Es gibt sehr unterschiedliche Ausprägungen der Erkrankung, aber der Sport bestimmt das Leben.“ Freunde und der Beruf werden dabei immer vernachlässigt.

Der Ansatz der Therapie ist es dabei nun, den Betroffenen zu zeigen, den Umgang mit Sport und Bewegung so zu verändern, dass die Betroffenen wieder Spaß daran haben und ihn in einer gesunden Weise nutzen können. „Bewegung braucht jeder Mensch für seine Gesundheit“, sagt Zeeck.

Betreut wird das Programm in Freiburg von der Sporttherapeutin Sabine Schlegel. Etwa vier Monate lang trifft sie sich einmal die Woche für zwei Stunden mit den Teilnehmern. „In den zwei Stunden geht es aber nicht allein nur um die Bewegung“, sagt sie. Die Therapie ist in drei Teile gegliedert. Jedes Treffen startet mit einem Gespräch, bei dem die Betroffenen erzählen und sich austauschen können. „Es braucht Zeit, bis sich die Gruppe zusammenfindet. Denn die Patienten vergleichen sich untereinander und sehen sich als Konkurrenz“, sagt Schlegel.

Das Sportprogramm selbst ist gestaffelt. „Beim Pilates lernen die Teilnehmer, sich in ihrem Körper wahrzunehmen.“ Hinzu kommen dann Krafttraining mit Therabändern, aber auch Tanzen. Da Menschen mit einer Sportsucht hauptsächlich alleine trainieren, gehören auch Mannschaftssportarten wie Hand- oder Volleyball zur Therapie. „Betroffene lernen dabei, dass Sport eine gute Möglichkeit ist, soziale Kontakte zu knüpfen“, sagt Almut Zeeck. Am Ende jeder Sitzung gibt es dann ein Abschlussgespräch.

Neu ist der Ansatz, exzessives Sporttreiben mit Sport zu behandeln, nicht. Bereits 1994 wurde die Idee von einem australischen Forscher veröffentlicht. „Der Idee wurde mit viel Skepsis entgegengetreten“, sagt Schlegel. Das Programm könne der Gewichtszunahme im Wege stehen, so Kritiker. „Das ist sicherlich richtig, aber der richtige und kontrollierte Sport kann auch helfen, dass sich Patienten wieder wohlerfühlen. Das hat auch Einfluss auf das Gewicht.“

Wo jeder andere Mensch nicht mehr in der Lage wäre, Sport zu treiben, entwickeln die Erkrankten fast übermenschliche Kräfte. „Magersüchtige können sehr zäh sein. Eine Patientin läuft, dick angezogen und mit einem Rucksack bepackt, drei bis vier Stunden durch die Gegend“, sagt sie.

Da die sekundäre Sportsucht im Zusammenhang mit einer Essstörung auftritt, ist der Großteil der Patienten weiblich. „Wenn ein Patientenkollektiv aus 20 Betroffenen besteht, ist darunter ein Mann“, sagt Schlegel. Der Zusammenhang zwischen Essstörung und dem Sporttreiben muss auch bei der Behandlung beachtet werden. „Bei der Therapie ist ein zusätzliches Angebot wichtig, welches die körperliche Seite in den Mittelpunkt stellt“, sagt Zeeck.

Ziel ist es, das mit dem entwickelten Konzept abzudecken. Bis es so weit ist, gibt es weitere Studien, um herauszufinden, wie das Konzept an anderen Kliniken angenommen wird.