Das Deutschland-Trikot mit den vier Sternen ist derzeit ausverkauft Foto: dpa

Wir sind Weltmeister. Und wollen es auch zeigen. Adidas kommt kaum hinterher mit der Herstellung der neuen Vier-Sterne-Trikots. Produziert wird in China – ein lohnendes Geschäft für die Sportartikelbranche.

Wir sind Weltmeister. Und wollen es auch zeigen. Adidas kommt kaum hinterher mit der Herstellung der neuen Vier-Sterne-Trikots. Produziert wird in China – ein lohnendes Geschäft für die Sportartikelbranche.

Stuttgart - Werner Haizmann hat schon fast nicht mehr an den Sieg geglaubt, als Deutschland im Finale der Fußball-WM gegen Argentinien gespielt hat. „Die Jungs haben es so spannend gemacht“, sagt er. Es stand mehr auf dem Spiel als der Weltpokal.

Haizmann betreibt in Stuttgart ein Sportfachgeschäft und ist zugleich Präsident des Verbandes Deutscher Sportfachhandel (VDS). In erster Linie gehe es um die Leidenschaft am Fußball, sagt er – „ich bin Sportsmann durch und durch“. Aber vom Sieg bei der Weltmeisterschaft verspricht sich die Branche auch einen enormen Wachstumsimpuls. Allein hinter dem Geschäft mit den Sporttrikots steckt ein Milliardenmarkt.

Fahren Sie über die Grafik, um zu sehen, wie sich der Trikotpreis von 85 Euro im Einzelnen zusammensetzt:

„Für die Sportgeschäfte ist die Weltmeisterschaft ein wichtiger Umsatztreiber“, sagt Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg. Sie geht davon aus, dass die Euphorie der Verbraucher anhält, auch wenn sie auf das neue Fan-Trikot mit dem vierten Stern, das in China gefertigt wird, noch bis zu drei Wochen warten müssen. „Auf unserer Bestätigung für die Bestellung der neuen Trikots steht August als Liefertermin“, sagt Haizmann. „Ein Großteil der Händler rechnet in den ersten beiden Augustwochen mit den neuen Trikots.“

Aus der Branche heißt es, Adidas habe 5000 Shirts mit dem vierten Stern vorproduziert – und an einzelne große Händler ausgeliefert. Bei Sportscheck, einem der umsatzstärksten Sportartikelhändler in Deutschland, waren die Trikots in kurzer Zeit ausverkauft. „In Köln hat das 79 Minuten gedauert“, sagt ein Sprecher. „Wir erwarten neue Trikots Anfang, Mitte August.“

Die Shirts kosten fünf Euro mehr als die alten Trikots mit drei Sternen – satte 85 Euro. Dafür ist die Beschaffung aber auch teurer. „Bei Spontanproduktionen muss der Hersteller die Trikots per Luftfracht einfliegen“, sagt Peter Rohlmann, Inhaber der Agentur PR Marketing. „Dadurch steigen die Transportkosten auf das Zehn- bis Zwanzigfache je nach verfügbarer Frachtkapazität und Schnelligkeit.“

Unter normalen Bedingungen gehen seiner Analyse nach bei einem 85 Euro teuren Trikot etwas mehr als 37 Euro an den Einzelhändler. „Dieser muss jedoch zunächst seine eigenen Kosten decken, so dass für ihn am Ende pro Shirt etwa drei bis vier Euro übrig bleiben“, so Rohlmann. Etwa 16 Euro gehen demnach an den Hersteller zur Deckung von Kosten und zur Erzielung des Reingewinns. Fast 14 Euro pro Shirt greift sich über die Umsatzsteuer der Staat ab. Für Herstellung und Transport kalkuliert Rohlmann etwas mehr als acht Euro ein – der Deutsche Fußballbund (DFB) bekommt für jedes verkaufte Fan-Trikot eine Lizenzgebühr in Höhe von rund fünf Euro. Weder der DFB noch Adidas wollen diese Kalkulation kommentieren.

Adidas lässt die Fan-Trikots bei dem chinesischen Hersteller Bowker in der Provinz Guangdong produzieren. Die Herstellung laufe auf Hochtouren, sagt ein Sprecher. Der Sportartikelkonzern aus Herzogenaurach rechnet für dieses Jahr mit einem neuen Fußball-Rekordumsatz in Höhe von zwei Milliarden Euro. „Dabei wird Adidas insgesamt mehr als acht Millionen Trikots verkaufen – deutlich mehr als bei der WM 2010“, so der Sprecher. Damals waren es 6,5 Millionen. Spitzenreiter sei das Trikot der deutschen Nationalmannschaft mit einem Rekordabsatz von bisher über zwei Millionen Stück.

Begleitet werden die Erfolgszahlen des Konzerns von mahnenden Appellen der Menschenrechtsorganisationen. Sie kritisieren die Arbeitsbedingungen der Näherinnen in den Billiglohnländern. Bei Adidas betont man, bei der Auswahl der Lieferanten spiele deren Verlässlichkeit eine große Rolle. Auch Puma lässt in Asien produzieren. Sprecher Ulf Santjer betont: „Große Markenhersteller können es sich gar nicht leisten, Umwelt- und Sozialstandards nicht einzuhalten.“ Das bezweifeln manche.

Am Produktionsstandort China genießen deutsche Auftraggeber allerdings einen überdurchschnittlich guten Ruf, sagt Oliver Regner, Chef der Außenhandelskammer in Guangzhou. „Wir gehen davon aus, dass sich die Arbeitsbedingungen in unserer Region in den vergangenen Jahren spürbar verbessert haben, auch wenn es sicherlich noch viel zu tun gibt“, so Regner. Adidas selbst sei vor Ort bisher nicht wegen schlechter Arbeitsbedingungen in die Kritik geraten.

„Bei den Standorten, in denen für öffentlichkeitswirksame Ereignisse wie eine Weltmeisterschaft produziert wird, handelt es sich allerdings auch um Vorzeigefabriken“, sagt Maik Pflaum von der Christlichen Initiative Romero. Er kritisiert, dass die großen Konzerne durch Abwanderungsdrohungen den gesetzlichen Mindestlohn drückten. In Guangzhou, der Hauptstadt von Guangdong, liegt der monatliche Mindestlohn derzeit bei rund 190 Euro.

In der Branche wird mit harten Bandagen gekämpft. Dabei mischen die Marktführer Nike und Adidas, aber auch Puma und kleinere Anbieter mit. Wer Fußballvereine und Nationalmannschaften offiziell ausrüstet, verdient mächtig am Verkauf – und gibt für die Verträge viel Geld aus. Vor wenigen Tagen hat Adidas bekanntgegeben, von 2015 an mit Manchester United zusammenzuarbeiten. Bisher wird der englische Traditionsclub von Nike ausgestattet. Den Zehn-Jahres-Vertrag lässt sich Adidas offenbar bis zu 940 Millionen Euro kosten. „Das unterstreicht deutlich unsere Marktführerschaft im Fußball“, sagt Adidas-Chef Herbert Hainer. Er rechnet mit zusätzlichen Umsätzen von knapp zwei Milliarden Euro.

Hier wird produziert:

Adidas: Die Herzogenauracher arbeiten mit weltweit 1200 unabhängigen Lieferanten zusammen. Die Produkte mit den drei Streifen kommen aus 65 Ländern. Zwei Drittel der Waren werden in Asien hergestellt, rund ein Fünftel stammt aus Nord-, Mittel- und Südamerika. Allein an den Produkten der Fußball-WM in Brasilien sind 79 Firmen und Standorte auf dem ganzen Globus beteiligt gewesen.

Puma: Auch der zweite große deutsche Sportartikelkonzern lässt einen Großteil seiner Artikel im Ausland herstellen. „95 Prozent kommen aus Asien, der größte Anteil davon aus China“, sagt ein Unternehmenssprecher. Ein kleiner Teil wird in der Türkei hergestellt. Dort lägen die Stundenlöhne nach wie vor weit unter den deutschen Verhältnissen.

Nike: Der US-Sportriese hat nach scharfer Kritik an den Produktionsbedingungen die wesentlichen Daten offengelegt. Demnach lässt Nike derzeit in 44 Ländern weltweit fertigen. Drei Viertel der dafür beschäftigten Menschen arbeiten in Vietnam, China, Indonesien und Sri Lanka.

Preise:
Trotz der Produktion in Billiglohnländern sind Fußballtrikots bei allen Herstellern teuer. Die Shirts von Bundesliga-Vereinen und Nationalmannschaften kosten für Erwachsene 75 Euro aufwärts. 28 Euro angeboten. Im Ausland gab es das Leibchen der All Blacks, der Lieblinge der ganzen Nation, deutlich günstiger. Adidas musste sich angesichts der Empörung offiziell entschuldigen. Neuseeland wurde danach Weltmeister – und der Proteststurm wich einer Woge der Begeisterung.