Willi Bruckbauer, Hauptsponsor des Rennstalls Bora-Argon 18, ist überzeugt davon, dass der Radsport aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat Foto: StN

Willi Bruckbauer, Hauptponsor des Rennstalls Bora-Argon 18, äußert sich im Interview über die PR-Maschine Radsport, die Tour de France und das Dopingrisiko.

Herr Bruckbauer, Sie feiern an diesem Samstag in Utrecht Ihr Debüt bei der Tour de France. Wie aufgeregt sind Sie?
Es ist schon richtig spannend. Die Tour de France ist ein absoluter Glücksfall. Für die Mannschaft, aber natürlich auch für uns als Hauptsponsor des Teams.
Was macht die Frankreich-Rundfahrt aus?
80 Prozent der Aufmerksamkeit und des Werbewerts, die der Radsport generiert, werden bei der Tour de France erzielt.
Ihre Firma steckt pro Jahr rund 3,5 Millionen Euro in das Team Bora-Argon 18 . . .
. . . Zahlen kommentieren wir grundsätzlich nicht.
Weil Sie sicher widersprochen hätten, wenn die Zahl völlig falsch wäre, gehen wir davon aus, dass die 3,5 Millionen Euro ungefähr hinkommen. Warum investieren Sie so viel Geld – sicher nicht nur, weil Sie früher selbst Sechstagerennen gefahren sind, oder?
Es gibt kein Sportsponsoring, bei dem der Entscheider nicht auch Fan und mit Herzblut dabei ist. Letztlich aber beruhte der Entschluss, in den Radsport zu gehen, auf rein wirtschaftlichen Überlegungen. Was die Werbewirksamkeit und die Reichweite angeht, bietet der Radsport das mit Abstand beste Preis-Leistungs-Verhältnis.
Sie hatten auch andere Möglichkeiten?
Natürlich. Bora hätte für dasselbe Geld Hauptsponsor bei einem Fußball-Zweitligisten werden können. Ich habe mir auch ein Engagement im Wintersport überlegt, der aber weder in Spanien noch in Mittel- und Süditalien interessiert. Mein Unternehmen ist international tätig, da passt der Radsport optimal. Ein Sponsoring in Sportarten, die eine ähnliche Reichweite haben, wäre für uns schlicht nicht bezahlbar.
Können Sie das belegen?
Es gibt den Werbeäquivalenzwert, der aussagt, wie viel Werbewert ich pro investiertem Euro zurückbekomme. Die Formel 1 ist da eher privates Gönnertum, für einen Euro erhält man dort 1,50 Euro an Werbewert. Im Fußball liegt das Verhältnis bei 1:4.
Und im Radsport?
Bekomme ich für jeden Euro, den ich einsetze, deutlich über zehn Euro an Werbewert zurück. Das ist sensationell hoch.
Und bringt auch Umsatz?
Das wäre zu einfach. Im Sportsponsoring geht es für Unternehmen um einen Dreiklang: Bekanntheit, Sympathie, Verkauf. Erst muss man bekannt werden, dann müssen die Kunden das Produkt sympathisch finden, ehe sie sich am Ende für die Marke entscheiden. Wir sind noch dabei, unseren Bekanntheitsgrad zu steigern.
Das tun Sie nicht nur als Namenssponsor des Teams, sondern auch mit vielen PR-Maßnahmen drum herum. Zum Beispiel wird Bora die Live-Übertragungen der ARD präsentieren, die in diesem Jahr zur Tour zurückkehrt.
Richtig. Wir nehmen für die sogenannte Aktivierung noch einmal einen Betrag in die Hand, der ungefähr unserem Budget für das Team entspricht.
Ist das nötig?
Absolut. Es bringt doch nichts, wenn ein Radrennstall so heißt wie eine Firma, aber niemand weiß, was diese eigentlich produziert. Es gibt viele Marken im Radsport, die weitgehend unbekannt sind. Diese Firmen machen vor allem eines falsch – sie investieren nicht genug in die Aktivierung.
Geht Ihre Strategie auf?
Wissen Sie, wir haben ein großes Problem: Obwohl wir sehr schnell wachsen, ein Vertriebsnetz in 24 Ländern und 80 Mitarbeiter haben, Produkte anbieten, die in jede Küche passen, und ein Dunstabzugssystem entwickelt haben, das sich am Markt durchsetzt, kennt keiner die Firma Bora. Der Radsport bietet uns eine bezahlbare Plattform, um das zu ändern. Ein Beispiel: Nachdem sich unsere Fahrer bei den Klassikern im Frühjahr stark präsentiert haben, gibt es in Belgien jetzt keinen Küchenhändler mehr, der nichts mit dem Namen Bora anfangen kann.
Und dann hat Emanuel Buchmann, einer Ihrer Fahrer, zuletzt bei der deutschen Meisterschaft auch noch alle Favoriten düpiert.
Das war natürlich ein Riesenerfolg, mir sind die Tränen in den Augen geschossen. Und das hatte nichts damit zu tun, dass die Resonanz in den Medien für die Marke Bora sensationell war.
Sie sind begeistert von den PR-Möglichkeiten im Radsport. Warum nutzen andere deutsche Firmen diese Chance nicht?
Diese Frage habe ich mir auch schon oft gestellt.
Die Antwort . . .
. . . hat sicher damit zu tun, dass der Radsport in der Vergangenheit viele Fehler gemacht hat.
Jetzt scheuen mögliche Sponsoren das Risiko?
Nehmen wir mal das Beispiel eines Konzerns, der nicht inhabergeführt ist. Er investiert in den Radsport, und dann gibt es ein Problem. Plötzlich kommen alle und sagen, es sei doch schon vorher klar gewesen, dass dies nicht gutgehen kann. Dieses Risiko wollen die Entscheider nicht eingehen.
Sie denken anders.
Zweifelsohne gibt es dieses Risiko, da will ich auch nichts beschönigen. Aber ich bin der Meinung, dass jeder eine zweite Chance verdient. Auch der Radsport – weil er aus der Vergangenheit gelernt hat.
Woran machen Sie das fest?
Ich habe keine Beweise, und ich weiß auch, dass es immer schwarze Schafe geben wird. Aber ich habe das Gefühl, dass die Herde nicht mehr voller schwarzer Schafe ist.
Was stimmt Sie zuversichtlich?
Früher war das System Radsport korrupt – von den Teamchefs über Verbände, Funktionäre und Sponsoren bis zu den Dopingjägern. Alle machten mit, vertuschten, haben weggesehen, und am Ende waren die Radprofis Opfer und Täter zugleich. Heute gibt es im Radsport kein korruptes System mehr. Und die alten Strukturen, die noch bestehen, werden vollends wegbrechen.
Wie groß ist Ihre Angst vor einem Dopingfall in Ihrem Bora-Team?
Darüber können Sie mit mir diskutieren, wenn der Fall eingetreten ist.
Wie wahrscheinlich ist, dass wir uns bald mal wieder sprechen?
Ich habe volles Vertrauen in Teamchef Ralph Denk. Ich kenne ihn seit 30 Jahren, er leitet seit 15 Jahren Mannschaften im Profi-Radsport und hatte noch nie mit einem Dopingfall oder Dopinggerüchten zu tun. Nur ein Beispiel für die Art, wie er arbeitet: Im großen Dopinguntersuchungsbericht, den der Radsport-Weltverband UCI im März veröffentlichte, hieß es, dass die Mannschaften medizinische Ausnahmegenehmigungen zum Dopen missbrauchen. Als einziges Team haben wir in den vergangenen Jahren keine einzige Ausnahmegenehmigung beantragt.
Haben Sie sich abgesichert, sollte trotzdem nicht alles sauber laufen?
Es gibt strenge Verträge. Unter anderem muss ein Fahrer, der als Doper überführt wird, ein Jahresgehalt zurückzahlen. Das ist juristisch wasserdicht, da haben wir uns erkundigt. Und ich kann den Sponsorenvertrag sofort kündigen, wenn das Team in Dopingmachenschaften verwickelt sein sollte.
Wie beurteilen Sie das Image des Radsports in Deutschland?
Ich hätte gerne ein paar Rennen mehr in Deutschland, ansonsten geht es bergauf. Nachdem wir vor einem Jahr während der Tour de France bekanntgegeben haben, in den Radsport einzusteigen, gab es innerhalb weniger Stunden eine unglaubliche Menge an Reaktionen. Die Resonanz war rundum positiv.
Dabei ist es geblieben?
Der Radsport erlebt derzeit eine Renaissance, auch bei uns. Die Generation der jungen deutschen Fahrer wie John Degenkolb oder Marcel Kittel wird wieder anders wahrgenommen, auch weil sie sich klar gegen Doping positioniert. Das kommt gut an.
Und ist auch glaubwürdig?
Ich gehe davon aus. Und es bleibt ja nicht bei Bekenntnissen. Die Kontrolldichte im Radsport ist viel, viel höher als in den meisten anderen Sportarten. Andre Greipel zum Beispiel hatte während der deutschen Meisterschaft innerhalb von 48 Stunden vier Dopingtests – das geht aus meiner Sicht schon fast zu weit. Unsere Mannschaft ist in diesem Jahr bereits 89-mal kontrolliert worden. Ein Fußballprofi wird durchschnittlich alle drei Jahre einmal getestet.
Sie haben die deutschen Stars wie Kittel, Degenkolb, Greipel oder auch Tony Martin angesprochen. Wann fährt einer aus diesem Kreis für Ihr Bora-Team?
Wenn wir ihn uns leisten können. Noch sind wir davon weit entfernt, auch wenn wir unser Budget im Jahr 2016 noch einmal erhöhen werden. Wir wollen weiter in Personal und Infrastruktur investieren.
Bei der Tour 2015 heißt Ihr Kapitän Dominik Nerz. Was trauen Sie ihm zu?
Er ist derzeit der talentierteste deutsche Rundfahrer, und er möchte gerne Verantwortung übernehmen. Das darf er jetzt gerne tun. Wenn er sturzfrei bleibt, ist ein Platz unter den besten 15 möglich.
Setzen Sie ihn unter Druck?
Nein. Erfolg ist natürlich super, aber bitte schön nicht um jeden Preis. Das braucht der neue Radsport nicht mehr.