Was muss passieren, um den Kampf gegen Doping erfolgreich zu bestreiten? Foto: dpa

Seit genau einem Jahr ist klar: In Russland hat es ein staatlich gelenktes Dopingsystem gegeben – doch Konsequenzen gibt es bisher so gut wie keine. Wir haben acht Experten gefragt: Was muss passieren, um im Kampf gegen Doping voranzukommen? Ihre Antworten sind vielschichtig, ihre Ideen interessant.

Stuttgart - Der Tag, der die Sportwelt erschütterte, liegt genau ein Jahr zurück: Am 18. Juli 2016 enthüllte Richard McLaren, Sonderermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), das staatlich gelenkte Dopingsystem in Russland. Im Dezember 2016 folgte sein zweiter Report. Mehr als 1000 russische Athleten sind demnach Teil des Betrugssystems gewesen – doch Konsequenzen gibt es bisher kaum. Weshalb wir acht Experten gefragt haben: Was muss passieren, um im Kampf gegen Doping voranzukommen?

Ihre Antworten sind vielschichtig, ihre Ideen interessant. Sie fordern mehr Geld, Macht und Unabhängigkeit für Dopingjäger, eine Stärkung investigativer Ermittler und größere Härte im Kampf gegen die Betrüger: Nur Länder, die konsequent kontrollieren, sollen weiter mitspielen dürfen.

Unsere Gesprächspartner:

Clemens Prokop: Direktor des Amtsgerichts Regensburg und Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands

Marius Breucker: Rechtsanwalt in Stuttgart und Richter am Deutschen Sportschiedsgericht

Fritz Sörgel: Anti-Doping-Experte und Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Heroldsberg

Hajo Seppelt: Doping-Experte der ARD, deckte das Betrugssystem in Russland auf

Perikles Simon: Anti-Doping-Experte und Leiter der Abteilung für Sportmedizin, Prävention und Rehabilitation an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz

Ines Geipel: Ehemalige Weltklasse-Leichtathletin, Professorin an der Hochschule für Schauspielkunst in Berlin und Vorsitzende des Vereins Doping-Opfer-Hilfe

Hans-Michael Holczer: Teamchef des ehemaligen Herrenberger Profi-Radrennstalls Gerolsteiner

Andrea Gotzmann: Vorstandsvorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur in Bonn

Wo steht der Anti-Doping-Kampf aktuell?

Clemens Prokop: Der Anti-Doping-Kampf steht in einer entscheidenden Phase, weil nun die Harmonisierung der internationalen Dopingbekämpfung erreicht werden muss. In einer Reihe von Ländern bestehen völlig unzureichende Rahmenbedingungen für den Kampf gegen Doping, was im Ergebnis zu deutlichen Wettbewerbsverzerrungen im internationalen Sport führt.

Marius Breucker: Vor wichtigen Weichenstellungen.

Fritz Sörgel: Es gibt keinen einheitlichen Anti-Doping-Kampf für alle Sportarten. Wir wissen leider nicht, wie es in besonders populären Sportarten zugeht, etwa im Tennis oder Fußball. Letzterer hat in vielen Ländern – auch bei uns – Staatsschutz und den Schutz der breiten Masse. Wie verseucht der Sport ist, kann man nicht seriös beantworten, vor allem nicht auf Basis von validen Untersuchungen. Das Hauptproblem ist, dass der verseuchte Sport und die Dopingjäger nicht waffengleich sind. Die Betrüger können sich alle möglichen Methoden und Tricks ausdenken, die Verfolger müssen sich auf punktuelle Blut- oder Urinproben und nicht ausreichende Testmethoden verlassen. Die Bedeutung des investigativen Journalismus ist deshalb nicht hoch genug einzuschätzen.

Hajo Seppelt: Es ist noch nie so transparent geworden wie in den vergangenen Jahren, wie fehler- und lückenhaft der Kampf gegen Doping ist. Kontrollen sind allzu oft ein Muster ohne Wert, sie haben nur teilweise abschreckende Funktion. Nicht alles, was getestet wird, wird auch analysiert. Viele Stoffe sind nicht nachweisbar. Ohne unabhängigen Journalismus wäre ganz vieles nicht aufgedeckt worden.

Perikles Simon: Auf dem gleichen Level der „brauchbaren Ineffektivität“ (Professor Bette) wie zum Zeitpunkt der Einführung der ersten Tests auf anabole Steroide vor rund 40 Jahren. Das liegt zum einen daran, dass die Vielfältigkeit der Mittel und Methoden, sich zu dopen, seitdem sehr stark gestiegen ist, zum anderen daran, dass nach wie vor kein ernsthafter politischer Wille für einen effektiveren Anti-Doping-Kampf besteht. Hinter vorgehaltener Hand gilt für alle Sportler: „Lass dich nicht erwischen!“

Ines Geipel: Doping ist maskierter, feiner austariert, versteckter, schöner gesagt: professioneller geworden. Es existieren schlicht keine zeitgemäßen Instrumentarien, um es tatsächlich offenzulegen. Wenn etwas auffliegt, ist es der blanke Zufall. Das ist kein guter Zustand. In dem Sinne gibt es aktuell keinen Anti-Doping-Kampf, der praxistauglich ist.

Hans-Michael Holczer: Im permanenten Legitimationszwang, lächerliche Aufklärungsquoten als Erfolg zu verkaufen.

Andrea Gotzmann: Das Vertrauen der sauberen Athleten in das System und die Anti-Doping-Institutionen ist erschüttert. Dies liegt nicht allein am Fakt, dass ein Betrugssystem im russischen Sport existiert, sondern ist der Tatsache geschuldet, dass keinerlei nachvollziehbaren Konsequenzen daraus gezogen werden. Die intransparente und uneinheitliche Vorgehensweise seitens des IOC und der internationalen Verbände zur Ahndung des flächendeckenden Dopings in Russland hat der Anti-Doping-Arbeit massiv geschadet. Es geht nun darum, das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen.

Was wäre Ihre erste Maßnahme als Doping-Bekämpfer?

Clemens Prokop: Ich würde eine Bestandsanalyse der Länder machen, in denen keine ausreichende Dopingbekämpfung stattfindet, diese veröffentlichen und die Länder auffordern, die Missstände zur Vermeidung von Sanktionen abzustellen. Ergänzend würde ich im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten nach besten Kräften dort selbst Dopingkontrollen durchführen.

Marius Breucker: Ich würde die Teilnahme an internationalen Sportveranstaltungen von einer Lizenz („Negativtest“) der Wada abhängig machen.

Fritz Sörgel: Erstes Ziel wäre, dass alle Aktivitäten in diesem Bereich komplett von den Verbänden an die nationalen Anti-Doping-Agenturen (in Deutschland die Nada) übergehen und diese wiederum streng von der Wada kontrolliert werden. Außerdem müssen Länder ohne wirksames Anti-Doping-Gesetz gesonderten Überprüfungsmaßnahmen unterzogen werden.

Hajo Seppelt: Ich würde die Wada mit deutlich mehr Geld und Macht ausstatten, die Sportverbände aber aus der Finanzierung rausnehmen. Dazu braucht es ei- ne Selbstverpflichtung des Sports, dass von den Milliarden an Sponsorengeldern, die fließen, ein kleiner, aber fester Prozentsatz in den Kampf gegen Doping und Korruption investiert wird. Ansonsten müsste der jeweilige Verband die Zulassung zu Olympischen Spielen verlieren. Der Einfluss von Sportorganisationen auf den Anti-Doping-Kampf muss aufgrund des offenkundigen Interessenkonflikts stark reduziert werden.

Perikles Simon: Die komplette Zurückweisung jeglicher finanzieller Zuwendung an die Wada durch internationale Sportorganisationen, wenn diese Zuwendungen an eine Beteiligung der Organisationen am Anti-Doping-Kampf gekoppelt sind.

Ines Geipel: Vertrauen gegenüber den Athleten herzustellen. Sie allein sind es, die am Ende den Preis bezahlen. Also müssen sie zuallererst geschützt und vor allem über das, was läuft, maximal aufgeklärt werden.

Hans-Michael Holczer: Die Aufhebung aller zeitlichen Beschränkungen für Kontrollen sowie der Ausschluss von Sportlern und Nationen, die nicht ungehindert und ohne Einreiseformalitäten kontrolliert werden können.

Andrea Gotzmann: Von größter Bedeutung ist eine Reform und damit einhergehend eine Stärkung der Wada. Deren Governance-Strukturen müssen, unter Einbeziehung externer Experten, dringend überarbeitet werden, um die Interessenkonflikte und die direkte Einflussnahme des internationalen Sports in der Wada aufzulösen. Neutrale Professionalität und Fachkompetenz sind heute wichtiger denn je, gerade wo immense wirtschaftliche und finanzielle Interessen im Spiel sind.

Wie viel Geld wäre für den Anti-Doping-Kampf nötig?

Clemens Prokop: Dies kann ich in konkreten Zahlen nicht beurteilen, vermutlich wäre aber deutlich mehr Geld erforderlich.

Marius Breucker: Wenn man den Nachweis der Dopingfreiheit im Sinne eines Negativtests auf die Verbände verlagert, so müssten diese auch für die damit verbundenen Kosten aufkommen. Der derzeitige Ansatz gleicht einem Hase-und-Igel-Spiel, das auch mit weiteren Mitteln nicht zu gewinnen ist.

Fritz Sörgel: Die Frage ist, wie sicher man sein will, dass man alles getan hat – und das wird üblicherweise in Prozent ausgedrückt. In der Medizin kommen wir oft mit 95 Prozent Sicherheit aus. Im Anti-Doping-Kampf reicht das natürlich nicht. Einen Geldbetrag zu nennen ist schwer, insbesondere global gesehen. Der Betrag muss ja auch eine gesellschaftliche Akzeptanz haben, die theoretisch über die Politik geliefert werden sollte. Nur ist die Politik durch das hohe Interesse der Bevölkerung an Erfolgen im Leistungssport längst korrumpiert. Kein Politiker lehnt sich gegen diese Zustände auf, sondern zeigt sich lieber selbst mit Helden und Siegern.

Hajo Seppelt: Das kann ich nicht einschätzen. Die Wada selbst spricht von 200 Millionen Euro. Dass der Etat vervielfacht werden muss, ist völlig unstrittig.

Perikles Simon: Die brauchbare Ineffektivität der Wada ergibt sich notwendigerweise aus ihrer Organisation nach dem Stakeholder-Prinzip, bei dem derjenige Mitspracherecht im Anti-Doping-Kampf erhält, der zahlt. Besonders kritisch ist dabei, dass der olympische Sport, der insgesamt die Hälfte zahlt, die Geschicke der Wada komplett steuert – weil die Staaten der Welt, die die andere Hälfte beisteuern, sich nicht organisiert bekommen, um dem olympischen Sport auch nur einen Hauch Mitspracherecht abzuringen. Das IOC ist alleiniger Lenker der Wada. In dieser Situation ist es unerheblich, wie viel oder wie wenig Geld in die Wada fließt. Das Geld sollte eher als eine Art Steuer (0,5 Prozent) auf grundsätzlich alle Geschäftsverträge (Transferzahlungen, Sportlergehälter, Werbeverträge, Werbungskosten und so weiter) des organisierten Sports erhoben werden. Hiervon könnten zum Beispiel auch alle Laborinfrastrukturmaßnahmen, alle staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Spitzensport oder alle Überwachungs- und Absicherungsmaßnahmen durch Polizeikräfte in Stadien bezahlt werden. Der Steuerzahler, der von all diesem Unfug ohnehin nichts hält, würde hierdurch entlastet werden. Die Kosten fielen dort an, wo sie hingehören.

Ines Geipel: Der Anti-Doping-Kampf ist nicht zuerst eine Sache des Geldes. Gesellschaft wie organisierter Sport müssten sich zunächst erst einmal glaubhaft gegen all die Chemie entscheiden und ein echtes Tabu aufbauen. Das ist, wie wir sehen, schwer genug.

Hans-Michael Holczer: Man kann Doping nicht wegkontrollieren, man kann es auch nicht wegfinanzieren. Eine auch nur annähernd unabhängige Finanzierung ist ausgeschlossen. Damit sind Manipulation, Einflussnahme und Bestechlichkeit Tür und Tor geöffnet. Wer zahlt, der nimmt gewollt oder ungewollt Einfluss. Doping ist ein Geschäft für alle!

Andrea Gotzmann: Der Wada müssen entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit sie ihren vielfältigen Aufgaben umfassend und effektiv nachkommen kann. Hier exakte Zahlen zu nennen ist schwierig. Die Wada befindet sich derzeit in einem Umstrukturierungsprozess. Nach Überarbeitung der Strukturen lassen sich die Aufgaben und die zur Umsetzung notwendigen finanziellen Mittel sicher genauer beziffern.

In welchem Bereich würden Sie besonders viel investieren?

Clemens Prokop: In den Aufbau regionaler Anti-Doping-Zentren, die dann jeweils für die Region auf internationaler Ebene für ein funktionierendes Anti-Doping-System sorgen würden, nach Vorgabe und unter Aufsicht der Wada.

Marius Breucker: Investieren würde ich in ein System, welches die einzelnen Verbände ertüchtigt und zugleich zwingt, die Dopingfreiheit ihrer Sportler anhand von von der Wada vorgegebenen Kriterien selbst nachzuweisen. Die Tätigkeit der Wada und der internationalen Verbände könnte sich dann auf Stichproben beschränken, was immer noch aufwendig, aber doch eher leistbar und finanzierbar wäre.

Fritz Sörgel: In die Forschung. Gerade hier gibt es bei der Wada viel zu wenig Projekte. Allerdings sind 30 Millionen Euro, wenn man die Forschungsaufgabe ernst nimmt, kein Betrag, der wirklich weiterhilft.

Hajo Seppelt: In Dopingkontrollen, die es in vielen Ländern nicht oder kaum gibt. In eine internationale Einheit von Ermittlern, die nicht ins Dopingkontrollsystem involviert ist – das ist ein möglicher Schlüssel zum Erfolg. Und, auch wenn es keine Sache des Sports ist, sondern der weltweiten Medienunternehmen: Der investigative Journalismus im Sport muss gestärkt werden.

Perikles Simon: In den Bereich der investigativen Ermittlung im weiteren Sinne. Es ist erwiesen und klar belegt, dass der laboranalytische Ansatz im Anti-Doping-Kampf lediglich die einfachsten Dopingmaßnahmen eindämmen kann – und dies auch nur unter Kontrolle durch Sportfunktionäre. Investigativer Journalismus (niedrigste Kosten) und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen (zweitniedrigste Kosten) sind weitaus effektiver und vermögen auch sehr trickreiche Dopingbetrüger zu überführen.

Ines Geipel: Junge Leute gehen in den Sport, weil sie etwas für sich gefunden haben, das ihnen etwas bedeutet. Für diese Freude an der Bewegung und den Schutz der Talente lohnt sich jede Investition.

Hans-Michael Holczer: Ich würde meine Energie darauf verwenden, die forschende Pharmaindustrie dazu zu bringen, konsequent mit Markern zu arbeiten, damit (neue) Medikamente und Wirkstoffe bei Kontrollen leicht zu finden sind. Würde dies gelingen, wäre der Kampf gegen Doping ein großes Stück weiter.

Andrea Gotzmann: Für die Nada ist es essenziell, dass Athleten weltweit nach anerkannten Standards mit vergleichbarer Kontrolldichte überprüft werden und an Präventionsmaßnahmen teilnehmen können. Leider ist dies bislang nicht der Fall. Die Diskrepanz der Qualität der Anti-Doping-Arbeit weltweit ist nicht akzeptabel und bedarf dringend einer Harmonisierung. Ich sehe hier vor allem die Wada in der Pflicht, die Instrumente der „Non-Compliance“ konsequent und nachvollziehbar anzuwenden. Zudem halte ich es für wichtig vor allem im Bereich der Präventionsarbeit, viel mehr zu investieren. Nur aufgeklärte Athletinnen und Athleten können selbstbewusst und selbstbestimmt „Nein“ gegen Doping sagen.

Hätten Sie eine neue Idee für den Anti-Doping-Kampf?

Clemens Prokop: Wenn die Zulassung von Sportlern zu Olympischen Spielen oder internationalen Meisterschaften davon abhängen würden, dass sie einem funktionierenden Dopingkontrollsystem unterliegen und eine Mindestanzahl an Dopingkontrollen vorweisen, würden viele Länder sehr rasch Geld investieren, um diese Zulassungsbedingungen zu erfüllen.

Marius Breucker: Wir brauchen einen Paradigmenwechsel: Statt des repressiven, ineffektiven und unterfinanzierten Ansatzes des Nachweises positiver Dopingproben durch die Wada und die nationalen Anti-Doping-Agenturen sollten sich die Athleten und deren Verbände präventiv durch den Nachweis ihrer Dopingfreiheit entlasten. Ähnliches kennen wir in anderen Bereichen, etwa wenn Gewerbetreibende anhand bestimmter vorgegebener Kriterien den Nachweis ihrer Zuverlässigkeit erbringen müssen. Begleitend müssten natürlich weiterhin Kontrollen durchgeführt werden, welche die Verlässlichkeit der von den Verbänden und Sportlern eingereichten Nachweise überprüfen.

Fritz Sörgel: Wir sind derzeit in einer Art Zwischenphase: Spektakuläre Fälle bleiben aus, alle haben angeblich den Anti-Doping-Kampf verstärkt, es ist ruhig. Und Russland wird leider auch bald niemanden mehr interessieren. Als Pharmakologe würde ich mir mehr Informationen zur Wirksamkeit von Dopingmitteln wünschen und die Nachweismethoden verfeinern, vor allem aber im investigativen Bereich erhebliche Mittel einsetzen. Die Tätigkeit von Journalisten hat viele Erfolge gezeitigt – nur so können wir die nächste Stufe im Anti-Doping-Kampf beschreiten.

Hajo Seppelt: Der Sport müsste komplett umdenken. Er ist in der Ausreizung der Leistungsgrenzen des menschlichen Körpers so weit gekommen, dass er anerkennen muss: So kann es nicht weitergehen. Es ist schon lange logisch, dass Athleten allzu oft über die Grenzen des Erlaubten hinausgehen müssen, wenn sie sportlichen Erfolg monetarisieren wollen. Um solche Anreize zu reduzieren, würde ich für bestimmte Sportarten einen radikalen Vorschlag machen – etwa Leichtathletik oder Schwimmen: Ich würde die Zeitmessung abschaffen. Ein 100-m-Lauf funktioniert aus Sicht des Zuschauers auch, wenn die Zeit nicht mitläuft. Dann würde es wieder um das gehen, was den Sport ursprünglich ausgemacht hat: das Duell.

Perikles Simon: Geringere Strafen für dopende Sportler, höhere Strafen (Einschränkung der Mittelzuweisungen, Sperre und Ausschluss von Sportveranstaltungen) für nachweislich ineffektiv im Anti-Doping-Kampf arbeitende Verbände, Länder und Sportorganisationen.

Ines Geipel: Dass alle, die von der Dopingkette profitieren, genau dieselbe Strafe erhalten müssen wie der Athlet: der Trainer, der Arzt, der Sportfunktionär, der Politiker, der Pharmakonzern, der wissende Sponsor, indolente Journalisten, wo es indolente Journalisten gibt.

Hans-Michael Holczer: Da kann ich nur mit Ironie antworten: Ich würde im Kampf gegen Doping genau die Maßnahmen ergreifen, die so wunderbar dafür gesorgt haben, dass es in unserer Gesellschaft keine Straftaten mehr gibt.

Andrea Gotzmann: Es ist enorm wichtig, dass die etablierten Nationalen Anti-Doping-Organisationen in der aktuellen Diskussion stärker einbezogen werden. Sie beschäftigen sich 365 Tage im Jahr professionell mit der Problematik und haben ein enormes Know-how aufgebaut. Sie führen weltweit die meisten Präventionsveranstaltungen und rund 70 Prozent aller Kontrollen durch. Niemals vergessen werden darf der einzelne Athlet. Der Schutz der Gesundheit ist oberstes Gut, auch dies ist im staatlichen russischen Dopingsystem sträflich missachtet worden. Hier hilft der Blick in die deutsch-deutsche Geschichte: Wir sehen, welch gravierende Gesundheitsschäden durch systematisches Doping hervorgerufen werden. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiert.