Bei einer Demonstration in Frankfurt halten Teilnehmer Plakate gegen Waffenlieferungen hoch Foto: dpa

Auf einer Sitzung des Parteipräsidiums hat Ralph Stegner als Einziger gegen Waffenlieferungen in den Irak gestimmt. Die Debatte darüber habe in der SPD erst begonnen, sagt er. Auf seiner Ablehnung beharrt er aber.

Auf einer Sitzung des Parteipräsidiums hat Ralph Stegner als Einziger gegen Waffenlieferungen in den Irak gestimmt. Die Debatte darüber habe in der SPD erst begonnen, sagt er. Auf seiner Ablehnung beharrt er aber.
 
Berlin – Herr Stegner, man konnte am Wochenende den Eindruck gewinnen, Sie stünden mit Ihrer Skepsis gegenüber deutschen Waffenlieferungen an die Kurden allein in der SPD.
Das ist keineswegs so. Zunächst: Außenminister Frank-Walter Steinmeier genießt mit seiner Rolle als weltweiter Krisendiplomat eine ganz hohe Wertschätzung in der Partei. Ich stimme seiner Außenpolitik zu 95 Prozent zu. Aber in dieser Frage komme ich zu einem anderen Ergebnis. Und die Debatte darüber hat in meiner Partei gerade erst begonnen.
Soll man den bedrängten Kurden also nicht helfen?
Doch, natürlich, die grausame Terrormiliz Islamischer Staat (IS) muss entschlossen gestoppt werden. Ich denke, die Amerikaner müssen auch deswegen militärisch helfen, weil es US-Präsident George W. Bush war, der den jetzt so bitter fehlenden irakischen Zentralstaat mit seinem Krieg zerstört hat. Das ist ja der eigentliche Grund, warum die Notlage eingetreten ist. Aber ich habe eine große Sorge: Mit Waffenlieferungen lösen wir nur weitere Gefahren aus, die wir dann erst in der Zukunft in den Auswirkungen erkennen werden.
Nämlich welche?
Ich frage mich: Wo landen die Waffen schlussendlich? Werden sie vielleicht für den Kampf um einen kurdischen Nationalstaat verwendet? Würde das nicht zwangsläufig die Türkei und weitere Regionen erheblich destabilisieren? Der Irak ist ja das beste Beispiel: Der Westen hatte Saddam Hussein bis an die Zähne gegen den iranischen Ajatollah Khomeini bewaffnet. Dann kehrten sich die gelieferten Waffen plötzlich gegen den Lieferanten.
Werden Sie Ihre Partei damit überzeugen können?
Das ist nicht der eigentliche Gegensatz. Das SPD-Präsidium ist mehrheitlich der Meinung, dass man in einer ausgesprochenen menschlichen Notsituation helfen muss – mit Waffen. Das ist ganz etwas anderes als die Politik von Frau von der Leyen, die dauernd vom Brechen militärischer Tabus daherredet. Oder die Haltung von Innenminister de Maizière, der sagt: Waffen ja, Flüchtlinge nein. Das ist der eigentliche Gegensatz, und da muss sich die SPD klar unterscheiden.
Der linke Flügel in der SPD hält sich bei der Diskussion um die Waffenlieferungen auffallend bedeckt.
Die Debatte wird es noch geben. Aber sie wird um den zentralen Punkt gehen, den Sigmar Gabriel zu Recht angesprochen hat: Weg von Waffenlieferungen in Krisengebiete und Diktaturen. Das ist in der gesamten SPD eine gemeinsame Linie.
Noch mal zu den Kurden: Verwehren Sie den Kurden nicht heute konkrete Hilfe mit dem abstrakten Argument, das könnte morgen irgendwann irgendwie schaden?
Nein. Ich vertrete keine radikal pazifistische Position. Die Amerikaner handeln militärisch, und das unterstütze ich ausdrücklich. Aber wir sollten die von uns dringend zu leistende humanitäre Hilfe nicht gering schätzen. Da tun die Deutschen mehr als andere europäische Länder. Deutschland muss sich auch diplomatisch und logistisch einbringen. Aber deutsche Waffen werden in der Region nicht am dringendsten gebraucht.
Keine Waffen in Krisengebiete – vertreten Sie diesen Grundsatz auch im Falle Israels?
Wir haben eine besondere Verantwortung für Israels Sicherheit, und die darf niemand gering schätzen. Das darf nicht zur Disposition gestellt werden. Wir haben auch eine Verantwortung für das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes. Aber ich habe keineswegs den Eindruck, dass Waffen das Mittel sind, das am meisten benötigt wird, um den Nahost-Konflikt zu lösen. Täglich sehen wir das Gegenteil. Wohlgemerkt: Ich habe nicht die Haltung, lass den anderen den Vortritt, wir zücken den Geldbeutel. Aber wir sind heute schon der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Das muss eine so erfolgreiche Industrienation nicht sein. Da beunruhigt mich das dauernde Gerede in der Union über Tabubrüche sehr.
Sollten deutsche Waffenlieferungen von einer Zustimmung des Bundestags abhängig sein?
Jedenfalls sollte das Parlament so intensiv wie möglich an der Debatte beteiligt werden. Das wäre klug. Ob die Entscheidung zustimmungspflichtig sein sollte, ist verfassungsrechtlich eine komplizierte Materie.