Claus Schmiedel (SPD), Wahlkreis 12, Ludwigsburg Foto: StN

Grün-Rot muss sparen, doch wo? SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel kündigt Aufgabenabbau an.

Stuttgart - Grün-Rot muss sparen, doch wo? SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel kündigt einen Aufgabenabbau in den Regierungspräsidien an. Städte und Kreise sollen künftig mehr selbst entscheiden.

Herr Schmiedel, kann die Koalition an Stuttgart 21 noch scheitern?

Ohne eine einvernehmliche Regelung zu Stuttgart 21 wird es keinen Koalitionsvertrag geben. Denn das wäre ein Sprengsatz, der sich bald entzünden würde. Wir können eher allgemein bleiben bei Themen, in denen wir uns einig sind. Aber wenn wir bei manchen Punkten weit auseinander liegen, brauchen wir verbindliche Regelungen ohne Spielraum für Interpretationen. Sonst belasten wir die Regierung, die ja einen Aufbruch für das Land markieren will.

Könnte dieses Thema auch die Ministerpräsidentenwahl belasten?

Wenn wir uns auf einen Koalitionsvertrag einigen, kann ich für die SPD garantieren, dass wir den Ministerpräsidenten zu 100 Prozent wählen.

Wie viel ist bereits unter Dach und Fach - sieht man von Stuttgart 21 einmal ab?

Ich würde sagen: vier Fünftel. Aber dann gibt es ja noch die finanzielle Dimension, die wir verhandeln müssen. Da wird's sicher nicht so heftig werden wie bei Stuttgart 21, aber auch anstrengend.

Der Tübinger Grünen-OB Boris Palmer sagt, die SPD habe zu viele Wünsche . . .

Das ist erstaunlich. Palmer hat doch gerade selbst erst einen Bettelbrief nach Stuttgart geschickt: Er will mehr Geld für die Kinderbetreuung. Die Grünen insgesamt haben nicht weniger, sondern oft andere Ausgabenwünsche als wir. Das hängt halt auch damit zusammen, in welchem Milieu man zu Hause ist. So spielen Kindergartengebühren natürlich keine Rolle, wenn man sich in der Stuttgarter Halbhöhenlage wohlfühlt. Im Hallschlag sieht das anders aus.

Wo liegen Ihre Prioritäten beim Investieren?

Die Qualitätsverbesserung in der Bildung steht an erster Stelle. Dazu gehören Ganztagsschulen, weniger Unterrichtsausfall, mehr Schulsozialarbeiter, und so fort.

Ist Ihr Bekenntnis zur Bildung nicht bereits unglaubwürdig, weil Sie angekündigt haben, Lehrerstellen abzubauen?

Für uns gibt es einen verbindlichen Zweistufenplan. Die erste Stufe heißt Qualitätsaufbau. Erst dann, wenn die von uns versprochene Qualität stimmt, können wir mit abnehmender Schülerzahl auf die Wiederbesetzung von Lehrerstellen verzichten. Aber gleichzeitig benötigen wir auch mehr Personal an Kindergärten und Hochschulen. Die SPD will also in der Bildung nicht sparen.

Woher wollen Sie das Geld denn nehmen, um Lücken zu stopfen und zu investieren?

Wir sparen zum Beispiel dort, wo staatliche Aufgaben überflüssig sind. Wir werden in dieser Wahlperiode zwar keine Verwaltungsebene abschaffen, aber wir werden die Verwaltung entschlacken. Städte und Landkreise sollen künftig mehr selbst entscheiden können, ohne dass das Regierungspräsidium seine Finger im Spiel hat. Mit vielen Aufgaben sind nämlich noch zu viele Behörden befasst. Man kann Personal einsparen, ohne dass die Bürger auf Leistungen verzichten müssen.

Sie wollen also Aufgaben von den Regierungspräsidien auf die Landkreise verlagern?

Ja. Und auf die Großen Kreisstädte. Und auf die Regionen.

Was wird aus den Regionen?

Wir haben in der Region Stuttgart derzeit einen Verband mit eigenen Aufgaben und einem direkt gewählten Regionalparlament. Wir wollen anderen Regionen die Möglichkeit geben, sich ähnlich aufzustellen.

Auch Karlsruhe oder Freiburg sollen ein eigenes Regionalparlament wählen?

Unsere Reihenfolge ist anders. Wenn die Regionen von sich aus neue Aufgaben übernehmen wollen, können sie dies tun und dann später auch beantragen, dass sie ihre Vertreter direkt wählen lassen.

Ein hohes Risiko schlummert in der EnBW. Einerseits wollen Sie sie zum alternativen Energiekonzern ummodeln, andererseits verzichten Sie auf den Gewinnbringer Kernkraft.

Die EnBW müsste sich eigentlich als dauerhafter Partner der Stadtwerke verstehen - angesichts einer zunehmenden Dezentralisierung der Stromproduktion. Doch das findet leider nicht statt. Deshalb verabschieden sich immer mehr Städte von der EnBW. Wir müssen deshalb so schnell wie möglich dafür sorgen, dass die EnBW mit den Stadtwerken kompatibel wird und besser mit ihnen zusammenarbeitet. Das ist eine Herausforderung. Bis dahin mag es durchaus sein, dass wir erst einmal Verluste einstecken müssen. Aber wenn wir das nicht verändern, fällt es uns auf die Füße.

Für den Fall, dass Sie Fraktionschef bleiben und nicht ins Kabinett wechseln: Wie verstehen Sie Ihre Rolle - als Mehrheitsbeschaffer?

Die Fraktion übernimmt eine gestaltende Rolle. Die Abgeordneten sind nicht die Abnicker von Regierungsbeschlüssen, egal, wer die Fraktion führt. Der Fraktionsvorsitzende gehört zu den vier Personen, die die Koalition steuern. Er tut auch gut daran, die Meinung der Abgeordneten in die Regierung zu tragen. Personalfragen werden im Übrigen erst zum Schluss entschieden.

Wo wird im Koalitionsvertrag die Handschrift der SPD erkennbar sein?

Natürlich auf dem Gebiet der Bildung, aber auch im sozialen Bereich. Es wird zum Beispiel eine neue Wohnungspolitik geben: mit einer stärkeren Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus.