So sieht „Jodel“ aus. Foto: factum/Granville

StudiVZ war gestern, Facebook und Twitter sind zu öffentlich – Studenten nutzen die App „Jodel“, um anonym zu kommunizieren. Auch in Ludwigsburg ist sie sehr beliebt.

Ludwigsburg - Es ist Mittagspause, der Hof vor der Mensa der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg (PH) ist voller Studenten, die in der warmen Herbstsonne zwischen den Vorlesungen entspannen. Die meisten sitzen in Gruppen zusammen, manche unterhalten sich, oder schauen auf ihr Smartphone. Viele verbringen ihre Zeit dabei auf „Jodel“, einer App für Studenten, in der sie in knappen Nachrichten über das Studentenleben oder witzige Anekdoten aus dem Alltag mitteilen – „jodeln“, wie sie es nennen.

Vor etwa fünf Jahren war das Netzwerk StudiVZ – eine Internetplattform für Studenten – noch recht populär. Inzwischen spielt sie keine Rolle mehr. Die Jodel-App erinnert eher an Twitter mit seinen kompakten, aber unterhaltsamen Kurzmitteilungen. Die Text- und Bildernachrichten sind bunter unterlegt. Der PH-Student Marius (19) ist bekennender „Jodler“. Er liest vor allem gerne die Nachrichten anderer Studenten: „Ich mag die lustigen Sprüche, mir fallen aber selbst nie welche ein.“

Wenn sich ein Herr als Dame entpuppt

So finden sich Tipps, wo man preiswert Essen gehen kann oder wo es eine gute Bar gibt. Humor ist wichtig, Es werden witzige und manchmal sarkastische Sprüche versandt. Zum Beispiel folgende kleine Geschichte: „Mathe Vorlesung, Dozent ruft den Herrn in der letzten Reihe auf. Verwunderung macht sich breit, als sich der aufgerufene Herr als Dame entpuppte.“

Mancher kommentiert die Verspätung der S-Bahn, ein anderer warnt vor einer Kontrolleurin im Zug. Oder es gibt originelle Aphorismen: „Wenn du eine zehnminütige Lernpause einlegst und diese versehentlich das ganze Semester dauert . . .“

Erfunden hat die App Alessio Avellan Borgmeyer, 25 Jahre alt. Er hat in Aachen und in Santa Barbara in den USA Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Maschinenbau studiert. Zunächst hat er in Kalifornien eine ähnlich App entwickelt, die aber gescheitert ist. „Jodel“ ist der zweite Versuch, der deutlich erfolgreicher ist. Avellans Unternehmen sitzt in Berlin.

Seit Oktober 2014 existiert die App und wird vor allem im westeuropäischen Raum genutzt: Deutschland, die Schweiz, Österreich und die skandinavischen Ländern. „Insgesamt eine Millionen Nutzer hatte ,Jodel‘ bereits im ersten Jahr“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens The Jodel Venture GmbH. Zahlen über die regionale Verteilung gibt es nicht.

Ein wichtiges Merkmal ist die Anonymität und die leichte Handhabung. Für die kostenlose Nutzung ist keine Anmeldung notwendig, und den Namen muss man ebenfalls nicht angeben. Das ist ein wichtiger Faktor: „Dadurch kann man über alles reden, ohne verurteilt zu werden“, sagt Studentin Helena von der PH.

Die 18-Jährige hat „Jodel“ erst seit ein paar Wochen auf ihrem Mobiltelefon installiert: „Die Menschen sind auf Jodel sehr offen und direkt, das ist nicht schlecht.“ Die Anonymität hat allerdings auch Schattenseiten. „Manchmal sind die Beiträge unangebracht“, findet die 20-jährige Verena. Die Studentin an der PH ist gebürtige Schwäbin und hat die App beim Studium in Magdeburg genutzt. „Dort ist das ein oder andere Mal ein eher unfreundlicher Kommentar über Schwaben gefallen“, erzählt sie.

Beleidigende oder anzügliche Inhalte halten sich aber nicht lange im Nachrichtenstrom. Wird ein Beitrag fünfmal negativ bewertet, wird er entfernt. „Runtervoten“ nennt sich der Vorgang. Die Sprüche hingegen, die am positivsten bewertet werden, kann man auf einer Rangliste einsehen. „Jodler“ können eine Nachricht auch melden, wenn sie sie für unpassend halten, dann wird der Post von den Moderatoren der App geprüft. Alle Bilder werden, bevor sie veröffentlicht werden, ebenfalls kontrolliert.

„Jodel“ verbindet so die Studenten aus einer Region. Jeder Teilnehmer kann in einem Radius von zehn Kilometern Mitteilungen der Studenten aus der Umgebung lesen. Unten rechts wird angezeigt, woher die Nachricht stammt. So sieht man in Ludwigsburg auch Posts von Studenten aus Stuttgart, Waiblingen oder Fellbach. Ist der Text in Ludwigsburg selbst abgesetzt worden, fällt er in die Kategorien „nah“ und „sehr nah“. So können Studenten in München keine schwäbischen Posts lesen – wie einen lustigen über den Opa aus der Gegend, der zurzeit auf „Jodel“ kursiert: „Bin bei Oma und Opa und huste ein wenig rum. Opa: ‚Jetzt nimmsch a mol a Zuckerle.‘ Geht und holt eins. ‚Da isch sogar Honig drin. Schee schlotza, ned beisa.‘“

Nicht alle Studenten sind überzeugt

Es gibt aber auch Studenten, die nicht von der App überzeugt sind. „Hier in Ludwigsburg ist ,Jodel‘ eher informativ, während es in München ein Unterhaltungsmedium ist“, sagt Jonas, 21 Jahre alt, von der Filmakademie in Ludwigsburg. Er hat die App schon seit mehreren Monaten auf seinem Handy. Sein Fazit: „Jodel verliert schnell seinen Reiz und ist nur noch ein stumpfsinniger Zeitvertreib.“ Doch viele denken eher wie Bastian (22) von der PH. Für ihn ist die App eine gute „Bespaßung“, wie er es nennt: „Ich mag die Kreativität von den Leuten – und man bekommt auch mit, wenn irgendwo ein Event stattfindet.“