Offenbar ist die schrittweise Absenkung des Solis ab 2020 beschlossene Sache Foto: dpa

Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, hält nichts von den neuen Soli-Plänen der Union. Er würde lieber den Solidaritätszuschlag in die Einkommensteuer integrieren.

Berlin - Herr Binding, die Union will den Soli ab 2020 abschmelzen. Eine gute Idee?
Eine Idee aus heiterem Himmel, die mich erschrocken hat. Offenbar ist das auf Drängen der CSU formuliert worden. Die CSU fällt damit der Kanzlerin und dem Finanzminister in den Rücken. Man meint wohl in München, wir hätten Geld im Überfluss. Hier werden Spannungen innerhalb der Union über das Thema Solidarzuschlag ausgetragen. Das ist sehr problematisch.
Wolfgang Schäuble (CDU) hatte zuvor die Umlegung auf die Einkommensteuer vorgeschlagen. Hätten Sie das besser gefunden?
Ja. Die Integration des Solidarzuschlags in die Einkommensteuer ist ein steuersystematisch vernünftiger Vorschlag. Man würde aus zwei unterschiedlichen Einnahmequellen eine machen. Dieser Weg wäre auch für die Sozialdemokratie gangbar.
Unter Beibehaltung des Aufkommens. . .
Sicher. Wir müssen ja schon gemäß unserer Verfassung für vergleichbare Lebensverhältnisse in ganz Deutschland arbeiten. Wenn man die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu ordnen will, ist es sinnvoll, mit diesem Aufkommen bestehende Mängel in diesem Ausgleichssystem zu beheben. Auf das Aufkommen aus dem Soli können wir schon deshalb nicht verzichten, weil die Vorgaben der Schuldenbremse die Bundesländer de facto ab 2010 auf eine Nullverschuldung festlegt – bei gleichzeitig sehr hohem Investitionsbedarf. Da ist es gefährlich, einfach mal ein 20-Milliarden-Loch in den Staatshaushalt zu reißen.
Die Bundesländer fordern für die Zukunft die Hälfte des Aufkommens des Solis für sich.
Das ist ein Wunsch der Länder und eine Ausgangsbasis für die Verhandlungen mit dem Bund. Das muss man feinjustieren. Die Axt ist da kein angemessenes Werkzeug. Wie eine konsensfähige Lösung schließlich aussehen wird, hängt auch davon ab, wie die Aufgaben zwischen Bund und Ländern künftig verteilt werden. Vorfestlegungen sind da auf keiner Seite sinnvoll.
Ist der Soli längerfristig verfassungsfest?
Jedenfalls würde man der Gefahr eines einschneidenden Urteils aus Karlsruhe aus dem Weg gehen, wenn man den Soli in die Einkommensteuer integrierte. Es könnte durchaus sein, dass die einfache Fortsetzung des Soli verfassungsrechtlich angegriffen wird.
Halten Sie an dem Ziel fest, in dieser Legislaturperiode den Einstieg in den Abbau der kalten Progression zu schaffen?
Die negativen Effekte der kalten Progression stellen sich ja in Zeiten kräftiger Inflation ein. Ohne Inflation – keine kalte Progression. Bislang wurde die Wirkung der kalten Progression immer kompensiert oder überkompensiert – durch Steuersenkung oder durch Anpassung des Steuerfreibetrags zur Sicherung des Existenzminimums. Insofern führen wir eine Phantomdebatte. Es gilt weiter: Die kalte Progression wird weiterhin ¬-- wie bisher auch – immer wieder kompensiert. Auch in dieser Legislaturperiode.
Macht der Vorstoß der Union und die Reaktion der SPD nicht wieder den alten Gegensatz klar: Die Union dringt auf steuerliche Entlastung, die SPD sieht angesichts der Staatsaufgaben dafür keinen Spielraum?
Wir können uns sicher keine Entlastung derjenigen leisten, die nicht auf eine Entlastung angewiesen sind. Dass wir die arbeitende Mitte entlasten wollen, ist auch für uns ein Anliegen. Aber sicher ist das Vorgehen der Union in Sachen Soli auch ein Resultat der Unzufriedenheit an der Basis der Union. Dort sieht man, dass die SPD der erfolgreiche Teil in dieser Regierung ist. Offenbar denkt man in der Unionsspitze, die Wiederbelebung des alten Klischees von Steuersenkern und Steuer-Erhöhern könnte strategisch nützlich sein. Ziemlich kurz gedacht.