„Jeder macht, was er will“: Das Bild „Gelbe Predigt“ von Sigita Laubengaier ist eine Botschaft an die Betrachter. Foto: ‚Sabine Schwieder

Sigita Laubengaier ist eine durch und durch ungewöhnliche Frau. Das hat auch mit ihrem Lebenslauf zu tun. In ihrem Atelier an der Plieninger Linkenstraße erschafft die Künstlerin geshichtslose Figuren. Derzeit stellt sie in der Innenstadt aus.

Plieningen/S-Mitte - Sigita Laubengaier hat schon vieles gemacht. „Ich kann alles und nichts“, sagt die 48-jährige Künstlerin, die in ihrem Atelier an der Linkenstraße in Plieningen großformatige Acryllbilder und Skulpturen gestaltet. Derzeit ist ein Teil ihrer Arbeiten unter dem Titel „Zur Einfühlung: Gehe suchen“ in der Galerie Inter Art an der Rosenstraße zu sehen.

Der Lebensweg der 1967 in Kaunas geborenen Sigita Laubengaier ist mehr als bunt. Die Kindheit im sowjetisch geprägten Litauen war nicht leicht: Die Eltern kämpften ums Überleben, die kleine Sigita wuchs bei einer Großmutter auf – und zeigte schon früh gewisse störrische Charakterzüge. So habe sie ihren Namen nicht gemocht und sich eine Zeitlang Inga genannt. Nach einem Schulwechsel sei sie einfach weiterhin zur alten Schule gegangen, und im Kindergartenalter sei sie einmal wissend gegen einen Baum gelaufen. „Ich habe damals schon in einer Fantasiewelt gelebt“, sagt Laubengaier dazu.

Heavy Metal beim Malen

Ihre nicht einfache Kindheit, davon ist sie überzeugt, habe sie zum Malen gebracht. Und eine strenge, ja sogar gewalttätige Lehrerin: Aus dem Mädchen, das in Kaunas selbstbewusst Theatervorstellungen für die Nachbarn organisierte und laut Gedichte rezitierte, wurde eine eher stille Person. „Meine Fantasie wurde leise und ging in die Kunst“, erinnert sich die Künstlerin, deren Arbeiten oft mit dem Attribut sensibel verknüpft werden. Beim Malen hört sie manchmal aber auch Heavy Metal.

An ihre ersten künstlerischen Arbeiten erinnert sie sich schmunzelnd: Figuren aus Knetmasse, für die sie die eigenen Haare abschnitt, um sie in Büscheln um die Köpfe zu drapieren. Später war es ein Buch über den Bildhauer Auguste Rodin, das sie anregte, Skulpturen zu machen: aus Pappmaché, aus Ton oder Knetmasse, aus Holz, aus Stoff oder aus Fundsachen. Die Erinnerungen an die frühe Kindheit sind verschwommen und doch in Sigita Laubengaiers Bildern präsent: Die Mutter malte Prinzessinnen, und auch wenn die Themen der Künstlerin oft schwer wiegen, muss für sie ein Bild immer schön sein. Der Vater war ein Lebenskünstler, der seiner Tochter Schuhe schnitzte, russische Gedichte zitierte – und die Härten des sowjetischen Alltags mit Alkohol zu überwinden versuchte.

Als Litauen 1991 unabhängig wurde, wurde es noch schwerer, den Lebensunterhalt zu verdienen. So stehen eine ganze Reihe von Berufen im Lebenslauf der Künstlerin: Studium der Organischen Chemie und Pädagogik in Kaunas, ein Kosmetikstudio in Moskau, Arbeit als Fotomodell. 1996 ging sie in die Schweiz, um Deutsch zu lernen. Dort lernte sie ihren heutigen Ex-Mann kennen, einen Schwaben von den Fildern. In Deutschland leitete sie die Druckerei der Schwiegerfamilie. Ihren mittlerweile erwachsenen Sohn hat Sigita Laubengaier überwiegend alleine großgezogen. Wenn man Kinder hat, findet sie, kann man nicht als freie Künstlerin leben. Derzeit arbeitet sie als Übersetzerin für Litauisch und Russisch. Nebenbei hat sie immer gemalt.

Die Welt in Schwarz-Weiß

Eine Weile lang hat die Autodidaktin nur schwarz-weiß gearbeitet. In der Galerie Inter Art ist eine Frau in Rückenansicht zu sehen, die sich vollkommen an ihre schwarz-weiße Umwelt angepasst hat: „Ihr Los“ ist eine Hommage an all die Frauen, die sich selbst vollkommen zurücknehmen. Im Übrigen entstehen Laubengaiers charakteristische Farben, indem sie bis zu sieben Acryllschichten übereinandermalt. Es sind vorwiegend erdige, dunkle Flächen, in die gesichtslose Figuren von Menschen oder Tieren gestellt sind. „Meine Figuren haben keine Haut, keine Knochen“, sagt Sigita Laubengaier, „sie sind eher Seelen“.

Im Fall der „Gelben Predigt“ tanzen die Menschen unter einem schmutzig-gelben Himmel. „Es wird gepredigt, aber jeder macht, was er will“, kommentiert Laubengaier ihre Botschaft. Neben Zeitbezogenem – ein Bundesadler, der vor dem Hintergrund eines Waldes seine Flügel hängen lässt – gibt es Erinnerungen an die Kindheit: eine Ansammlung von Tieren erinnert an das Bild eines Hirschen im Haus ihrer Großmutter: „Es ist ein Gefühl zwischen Angst und Geborgenheit“, sagt sie.

Nicht immer arbeitet sie zielgerichtet. Eines der großformatigen Bilder, auf dem ein untypisches Blau aufscheint, ist, so sagt sie, „von alleine auf die Leinwand gesprungen“. Davor steht die Figur „Union“: eine weiße und eine schwarze Figur, geschaffen aus bemalten Papierschnipseln, umarmen einander. „Je nachdem, von welcher Seite man sie ansieht, kommt man in eine andere Stimmung“, sagt sie. Sucht die kleinere Figur Hilfe bei der größeren? Erdrückt die weiße Figur die schwarze mit ihrer Umarmung? Etwas Geheimnis, sagt die Erschafferin, ist bei allen Arbeiten dabei.

Daten der Ausstellung:

„Zur Einfühlung: Gehe suchen“ in der Galerie Inter Art, Rosenstraße 37, betitelt, in der bis 16. Juni Acryllbilder und Skulpturen zu sehen ist. Die Schau ist mittwochs, donnerstags und freitags von 16 bis 19 Uhr, samstags von 12 bis 18 Uhr geöffnet.