Ein Polizist sichert das Gebäude, in dem Juweliere bis April ihre Ware in Schließfächern in Sicherheit wähnten Foto: dpa

Ein filmreifer Beutezug hat vergangenen April für Schlagzeilen gesorgt. Vier Senioren haben die Tat bereits gestanden, vier andere Männer erregen vor Gericht weiter Aufmerksamkeit.

London - Die Tür mit der Hausnummer 88–90 in Hatton Garden ist auf dem Sprung in die A-Liga der Sehenswürdigkeiten in London. Hinter oder besser unter dem schwarz lackierten Eingang, vor dem sich Touristen gerne fotografieren, fand vergangene Ostern der größte Juwelenraub in der Geschichte Großbritanniens statt. Gold und Schmuck im Wert von 14 Millionen Pfund (etwa 20 Millionen Euro) wurden erbeutet.

Die Nachbarn profitieren davon bis heute. Das Geschäft „Paris Jewels“ etwa wurde in den Wochen nach dem Überfall ständig in den Medien abgebildet und bekam dadurch so viel Aufmerksamkeit wie nie. „Das war surreal“, sagt der Juwelier Brian, noch immer fasziniert. Hatton Garden ist das Edelsteinzentrum der britischen Hauptstadt. Juweliere und Schmuckhändler dominieren das Straßenbild seit dem 19. Jahrhundert. „Der Einbruch hat uns geholfen“, berichtet ein Händler namens Haki. „Die Leute wurden neugierig, weil Hatton Garden in den Nachrichten war, und das führte dazu, dass die Geschäfte besser liefen.“

Auch die Diebe wurden zu Stars. Das Verbrechen erinnert an raffinierte Filmdiebstähle wie in „Ocean’s Eleven“ mit George Clooney und Brad Pitt. Die Hauptfiguren haben allerdings wenig Ähnlichkeiten miteinander. Brian Reader, der mutmaßliche Chef der Diebesbande von Hatton Garden, ist 76 Jahre alt. Er hat den Einbruch bereits kurz nach der Tat gestanden und sitzt nun im Hochsicherheitsgefängnis Belmarch Prison. Genau wie John Collins (74), Daniel Jones (60) und Terrence Perkins (67), dessen Altersvorsorgeplan es war, das Gold einschmelzen zu lassen und sich auf die alten Tage zurückzulehnen.

Idee zum Millionencoup entstand in einem Pub

Vier weitere Männer – zwischen 42 und 60 Jahren – stehen noch vor Gericht. Sie sollen dem Quartett geholfen haben, bestreiten aber jegliche Beteiligung. Die Staatsanwaltschaft beruft sich auf Aufnahmen der Überwachungskamera – und auf Beweisstücke, die bei den Verdächtigen zu Hause sichergestellt wurden: ein Buch über die Diamanten-Unterwelt, ein Messgerät zur Überprüfung wertvoller Steine und Magazine über Diamanten. Die Ermittler fanden heraus, dass einer der Angeklagten im Internet nach speziellen Bohrern recherchiert hatte. Mit Hilfe von You-Tube-Videos soll er sich beigebracht haben, wie die Maschinen funktionieren. Bei allen vier Angeklagten entdeckten die Beamten Diamanten.

Die Idee zu dem Einbruch entstand im Nord-Londoner Pub „The Castle“ beim Pint Bier. Drei Jahre lang traf sich das betagte Führungsquartett meist freitagabends im Stadtteil Islington und organisierte den spektakulären Diebstahl. Am Gründonnerstag, dem 2. April 2015, ging es schließlich los. Dass Brian Reader – von den anderen nur „The Master“ oder „Guv’nor“, alter Herr, genannt – bodenständig mit dem Bus von seinem Wohnort in der Grafschaft Kent nach London zum Millionencoup fuhr, kam nicht nur bei der britischen Presse gut an. Der Sparfuchs nutzte den Seniorenpass eines Freundes, so dass er mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Bedarf und kostenlos in der Metropole umherreisen konnte.

Verkleidet als Handwerker verschaffte sich die Gruppe über die Feuertreppe Zugang zum Aufzugsschacht, hinterließ eine handgeschriebene „Außer Betrieb“-Notiz am Fahrstuhl und seilte sich ab. Dann bohrten sich die Männer mit einem mit Diamanten besetzten Bohrkopf durch die Metallwand des Tresorraums der renommierten Sicherheitsfirma Safe Deposit Company. Mittlerweile ist das Unternehmen pleite, nur ein Messingschild neben der Tür erinnert noch an das spektakuläre Ziel.

Der Einbruch der Senioren-Bande soll verfilmt werden

Nachdem die Einbrecher einen Durchgang gebohrt hatten, ging die Alarmanlage los. Es war 0.21 Uhr am Morgen des Karfreitags. Ein Sicherheitsbeamter schlenderte vorbei, warf einen Blick durch den Briefschlitz des Notausgangs und zog wieder von dannen. Alles ruhig. Alles okay.

Dabei saßen die Männer ein Stockwerk tiefer und berieten. Es gab logistische Probleme, sie brauchten neues Werkzeug. Erst am Ostersonntag kehrten sie zurück und räumten Hunderte Schließfächer aus, die vor allem von Juwelen- und Goldhändlern genutzt werden. Sie erbeuteten Geld und Gold, antike Armreifen, juwelenbesetzte Ketten, Ringe sowie kostbare Uhren. Auch einige zwielichtige Gestalten sollen ihren unangemeldeten Schmuck dort deponiert haben.

Bis dato ist nur etwa ein Drittel der Diebesbeute sichergestellt. Daniel Jones hatte einen Teil des Schmucks auf einem Friedhof verscharrt. Der Fall soll tatsächlich verfilmt werden. Ein möglicher Titel geistert bereits durch die Medien: „Bad Grandpas“, „Die schlimmen Opas“.