Brave Bediente und ihre stolzen Herren, getrennt und doch vereint: das war viele Folgen lang das Ideal von „Downton Abbey“. Foto: Nick Briggs/ITV for Masterpiece

Mit der sechsten Staffel geht die packende Adelssaga „Downton Abbey“ zu Ende. Auch der Showrunner Julian Fellowes kann seine Figuren nicht jeden Wandel der Zeiten im lieb gewordenen Prunk und Komfort überstehen lassen.

Stuttgart - Die schaffen das, mag sich mancher Fan gedacht haben, als er im Lauf der letzten Jahre die Saga der adligen Sippschaft Crawley, ihrer Diener, ihrer Pächter, ihrer Nachbarn, ihrer mehr oder weniger standesbewussten Anverwandten verfolgte. Die im britischen Original im September 2010 gestartete Serie „Downton Abbey“ setzet in der ersten Staffel im Jahr 1912 ein, als der Adel noch nicht wusste, dass es mit seiner alten Herrlichkeit bald zu Ende gehen würde. „Die schaffen das“, dieser Gedanke, dieser Wunsch vieler Fans meinte denn auch, die Crawleys würden es irgendwie fertig bringen, von allen Krisen der Wandeljahre berührt zu werden, aber dann doch unbeschadet daraus hervorzugehen: mit intaktem Besitz, mit dem Luxus und Komfort vergangener Tage, und mit einer treuen Dienerschaft, die ihren Lords und Ladies auch weiterhin das eigenen Glück opfern würde. Hauptsache, das Haus Downton Abbey glänzt und gedeiht.

Mit Verspätung werden an diesem Wochenende auch die deutschen Fans diese Hoffnung begraben müssen. Der Sender Sky stellt ab Samstag alle Folgen der sechsten Staffel zum Streamen oder Herunterladen parat, also acht Episoden und das finale, unverzichtbare Christmas Special 2015. Ab 3. Juni wird Sky die Folgen dann im linearen Fernsehen nach Art einer zu Ende gehenden TV-Epoche präsentieren, jeden Freitag um 12 Uhr eine neue Folge.

Es wird in der sechsten Staffel noch einmal dramatische Veränderungen geben, so viel sei verraten. Aber es sind vielleicht nicht jene zermalmenden Veränderungen, die Zuschauer der ersten Stunde erwartet haben. Denn so, wie uns das Crawleysche Leben einst vorgestellt wurden, wie uns die Schufterei der Bedienten gezeigt wurde, wie da symbolisch die Nachricht vom Untergang der „Titanic“ und vom Abriss der Erbenlinie ins Reichen-Idyll einschlug, musste man auf ein vielleicht nicht boshaftes, aber doch erbarmungsloses Studium des Zerfalls einer Lebensart tippen.

Die Dramen in den Wirtschaftsräumen bekamen etwas Possierliches

Es kam, Millionen wissen es, ein wenig anders. Der Autor, Regisseur, Hobbyhistoriker und Showrunner Julian Fellowes vernarrte sich zusehends ins feine Leben der Erwählten, er wurde immer nostalgischer, er klammerte sich an Prunk, Sitten und soziale Spaltung einer anderen Zeit. Über viele Momente späterer Staffeln hätte Fellowes als seufzenden Obertitel schreiben können: „Verweile doch, du bist so schön“.

Waren die Balance zwischen Oben und Unten, der faire Blick auf die nicht nur böse arroganten Herren und auf die nicht nur selig zufriedenen Domestiken, in der ersten Staffel hoch gelobte Vorzüge der Serie, verlor der 1949 als Sohn eines kanadischen Diplomaten in Kairo geborene Fellowes die Distanz zu den Crawleys. Keine Frage, er mochte auch die Bedienten, all die unvergesslichen Figuren wie den Butler Carson (Jim Carson), die Haushälterin Mrs. Hughes (Phyllis Logan) oder die Köchin Mrs. Patmore (Lesley Nicol). Aber immer wieder bekamen die Spannungen und Dramen in den Wirtschaftsräumen und Dachkammern etwas Possierliches oder einen Zug fast kindischen Gezänks, Bei den Crawleys dagegen bekamen Kindereien und Verbohrtheiten, Affärchen und Allüren stehst noch einen Goldrand und einen unerschütterlichen Grundbestandteil großen Leids und edler Tragik.

Gewiss, für heitere Erleichterung konnte allemal die Lord-Mutter Violet Crawley dienen, von Maggie Smith als unwiderstehliches Biest mit einem erstaunlichen Arsenal an Krallen gespielt. Doch je länger sich die Geschichte der Crawleys dahin wand, desto weniger boshaft und albern erschien einem diese an den ganz alten Zeiten festhaltende Intrigantin. Sie wurde auch zur moralischen Instanz, zu einer schwindelerregenden Mischung aus skrupelloser Vorteilserwirtschaftung, jähem Beharren auf Grundsätzen und unberechenbaren Anwandlungen menschenkennerischer Nachsicht. Die feinen Leute, erzählte Fellowes, der bald nach dem Start von „Downton Abbey“ selbst als Baron Fellowes of West Stafford in den Adel erhoben wurde und als Konservativer im britischen Oberhaus sitzt, können mit den Herausforderungen des Lebens einfach eleganter umgehen.

Nun muss Abschied genommen werden

Dass trotzdem auch viele adelskritisch aufgelegte Zuschauer, denen die Sympathieverteilung immer wieder mal suspekt wurde, Staffel um Staffel dabei blieben, liegt nicht nur an den Schauspielerleistungen , an dem Engagement von Darstellern wie Hugh Bonneville als Robert Crawley, Earl of Grantham oder Michelle Dockery als Lady Mary, die ihre Figuren nie spielkartenflach werden ließen. Es liegt auch daran, dass Fellowes und sein Autorenteam immer wieder merkten, wenn sie die Klassengesellschaftsnostalgie überzogen und regelmäßig gegensteuerten.

Nun aber muss Abschied genommen werden, und die sechste Staffel beginnt so saftlos nett, dass man sich zunächst fragt, ob man sich die überhaupt noch antun sollte. Jedes Töpfchen, scheint es, soll jetzt noch schnell ein Deckelchen bekommen, jeder Konflikt gelöst, jede Figur in eine gute, wenn auch eventuell radikal andere Zukunft geleitet werden.

Aber dann nimmt „Downton Abbey“ noch einmal Fahrt auf und beweist seine Klasse. Dann ist plötzlich auf sehr glaubhafte Weise gar nichts mehr sicher, und nicht Fellowes spendiert seinen Figuren ein bequemes Ende, sondern wir bangen, dass es ihnen allen gut ergehen möge: Wie das bei einer Edelseifenoper sein muss.