Die Nummer eins: Sebastian Vettel und seine Lieblingszahl in der Formel 1 Foto: dpa

Vier WM-Titel, 38 Formel-1-Siege und 44 Pole-Positions hat Sebastian Vettel als Red-Bull-Pilot gesammelt – nun steht die Trennung bevor. Dabei wurde schon etwas Porzellan zerschlagen.

Abu Dhabi - Die Gefühlslage von Sebastian Vettel vor dem Saisonfinale ist eine besondere. Die Emotionen werden kaum mit ihm Achterbahn fahren, Geisterbahn schon gar nicht – sie dürften ihn an eine Ritt im Airwolf erinnern, bei dem man in seinem Sitz durch die Luft und dabei wild hin und her gewirbelt wird. Bis man nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Denn in Abu Dhabi wird Sebastian Vettel am Sonntag (14 Uhr/RTL) seinen letzten Grand Prix für Red Bull bestreiten. „Es wird sicher merkwürdig werden und sehr emotional", vermutet der 27 Jahre alte Hesse und etwas nachdenklich schiebt er hinterher: „Von Red Bull wegzugehen, ist wie zu Hause auszuziehen.“ Sein Wechsel zu Ferrari ist längst kein Geheimnis mehr.

Vettel verlässt seine Kinderstube des Motorsports. Ohne den Getränkeriesen wäre er womöglich nicht das, was er ist – ein viermaliger Weltmeister, ein Großer der Formel 1, ein Weltstar. Der Bub aus Heppenheim war elf, als er von Red Bull ins Förderprogramm aufgenommen wurde, bei BMW-Sauber saß er am 17. Juni 2007 für den verletzten Robert Kubica im Cockpit und feierte das Formel-1-Debüt, Red Bull eiste ihn von den Münchnern los und gab ihm einen Stammplatz im Nachwuchsteam Toro Rosso. Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz hatte gefordert: „Gebt dem Buben eine Chance. Setzt ihn rein, und wenn er nichts ist, können wir uns immer noch überlegen, was wir machen.“ Es wurde ein Volltreffer. Am 13. September 2008 gewann Vettel in Monza seinen ersten Grand Prix, 2009 wurde er zum Red-Bull-Einsatzfahrer befördert und der Rest der Erfolgsgeschichte ist nicht nur eingefleischten Formel-1-Experten bekannt. Nun neigt sich die Episode dem Ende entgegen.

Aber wie das bei Trennungen mitunter so ist, fallen sie nicht ausschließlich rührselig aus, sondern es mischen sich hie und da auch Misstöne ins Abschiedskonzert. Kaum hatte der Deutsche erklärt, er werde Red Bull verlassen, redete er Klartext – der Frust einer verkorksten Saison musste raus. Die Technik, die Taktik, das Teamwork, alles war nicht mehr so wie zwischen 2010 und 2013. Einerseits verständlich, dass ein viermaliger Champion nicht immer ein Kuschelbär sein kann; vor allem nicht, weil ihm der neue Kollege Daniel Ricciardo ständig vor der Nase herumfährt. Andererseits wunderten sich altgediente Formel-1-Kämpen über die öffentlich zur Schau getragene Undankbarkeit. „Man gehört als Fahrer immer zu einem Team“, sagte David Coulthard, „es wäre nur fair, wenn er nach vier erfolgreichen Jahren auch jetzt etwas zurückgibt.“

Das Verhalten von Sebastian Vettel mag womöglich nicht absolut politisch korrekt sein, es ist aber völlig menschlich. Gute Laune, flotte Sprüche, fröhliches Lächeln fallen im Erfolg jedem leicht (mit Ausnahme von Vettels künftigem Teamkollegen Kimi Räikkönen). Wenn dann weder Pole-Positions noch Podiumsplätze zur Grand-Prix-Tagesordnung gehören, sind die Nerven stets angespannt und gereizte wie verbitterte Reaktionen sind die Folge. Dass auch die Teamführung, die dem Heppenheimer stets den inoffiziellen Nummer-eins-Status eingeräumt hatte, bei der Abschiedsserenade nun auch nicht mehr darauf achtet, jeden Ton sauber zu spielen, ist ebenfalls nachvollziehbar. „Wir sahen weder die Notwendigkeit noch die Richtigkeit, zu intervenieren“, sagte Mateschitz, der seine Enttäuschung über Vettels Schritt nicht verhehlen wollte. Man würde nun ja auch eine Menge Geld sparen. Allerdings war Sparsamkeit noch nie eine geforderte Gepflogenheit bei Red Bull.

Bestimmt werden bei der Verabschiedung von Sebastian Vettel aus dem Hause Red Bull in Abu Dhabi nur freundliche Worte gesprochen werden, man wird sich an die schönen, erfolgreichen Zeiten erinnern. Doch dass die Protagonisten sich längst gedanklich voneinander abgenablet haben, beweist eine Tatsache: Der 27-Jährige erhält keine Freigabe für Ferrari, um für sein neues Team in den Nachsaison-Tests zu arbeiten. Vom Abend des 23. November 2014 ist Sebastian Vettel für Red Bull ein Gegner.