Die Schüler lernen an Dummies, das Herz zu massieren Foto: Kathrin Wesely

Fünf Mitarbeiter des Katharinenhospitals zeigen den Siebtklässlern am Hölderlin-Gymnasium, was zu tun ist, wenn plötzlich ein Mensch bewusstlos wird, weil sein Kreislauf versagt. Im Grunde lässt es sich auf eine einfache Formel bringen, die die Pfleger und Ärzte den Kindern regelrecht einimpfen: prüfen, anrufen, drücken.

S-Nord - Die Musik zur Lebensrettung stammt von den Bee Gees und trägt den Titel „Staying alive“. Unter dem treibenden Rhythmus des Discohits pumpen die Schüler wie die Wilden. „Ganz schön anstrengend!“, findet Vincent Weber. Deshalb ist der Zwölfjährige froh, dass er in bloß einer Doppelstunde lernt, wie er Leben retten kann. Fünf Mitarbeiter des Katharinenhospitals zeigen den Siebtklässlern am Hölderlin-Gymnasium an diesem Vormittag, was zu tun ist, wenn plötzlich ein Mensch bewusstlos wird, weil sein Kreislauf versagt. Im Grunde lässt es sich auf eine einfache Formel bringen, die die Pfleger und Ärzte den Kindern regelrecht einimpfen: prüfen, anrufen, drücken.

Heike Meyer-Siemers hat ihre Schüler gefragt, ob sie so eine Situation schon mal erlebt hätten. Meyer-Siemers unterrichtet die siebte Klasse in Biologie und Life Skills, einem Fach, das Lebenskompetenz vermittelt. Hier geht’s um die Praxis. Aus ihrem Alltag wussten Schüler tatsächlich von Situationen zu berichten, in denen sie hilflos daneben standen, als jemand zusammenbrach: ein Junge, den ein Ball am Kopf getroffen hatte, ein Fremder in der U-Bahn, eine Frau in einer Wandergruppe und der Großvater eines der Schüler. Heute würden die Kinder wissen, was zu tun ist: „Erst gucken, ob er noch atmet, unter 112 den Notarzt anrufen und dann das Herz massieren, bis der Notarzt da ist“, erklärt die 13-Jährige Renée Klein. „Man muss dabei den Kopf nach hinten kippen, damit die Zunge am Gaumen klebt. Der erstickt sonst“, ergänzt Vincent. Die beiden sind stolz: „Ist schon toll: Wir können jetzt Leben retten.“

Das können nur wenige von sich behaupten: Nur 20 Prozent der Deutschen beherrschen die Laien-Reanimation, sagt Andreas Walther, Ärztlicher Direktor der Klinik für Anästhesiologie am Katharinenhospital. Ärzte könnten erheblich mehr Leben retten, wenn mehr Leute prüfen, anrufen und drücken würden. „In Skandinavien und den Niederlanden beherrschen 80 Prozent der Bevölkerung die Herzmassage“, erklärt der Anästhesist. „Allerdings hat es auch dort Jahrzehnte gedauert, um auf dieses Niveau zu kommen.“ Dort würden Erste-Hilfe-Techniken bereits in der Schule gelehrt. Andreas Walther will helfen, die Situation in Deutschland zu verbessern. Deshalb hat er die „Woche der Wiederbelebung“, eine Initiative vom Berufsverband Deutscher Anästhesisten, der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin sowie der Stiftung Deutsche Anästhesiologie, zum Anlass genommen, dem Hölderlin- und dem Eberhard-Ludwig-Gymnasium Reanimationskurse anzubieten. Högy-Schulleiter Matthias Waser war sofort dabei, fügt sich das Angebot doch bestens in seine Vorstellung vom alltagsnahen Schulbetrieb: „Schule soll lebenstauglich machen.“ Die siebte Klasse erschien ihm prädestiniert, befasst sie sich in Biologie doch ohnehin mit dem Kreislauf.

Im Schnitt dauert es in Stuttgart eine Viertelstunde, bis der Notarzt eintrifft. Da heißt es für die Lebensretter: mit aller Kraft pumpen – 100 bis 120 mal in der Minute, damit der Minimalkreislauf aufrecht erhalten bleibt. Die Mitarbeiter vom Katharinenhospital haben jetzt „Staying alive“ laut aufgedreht. Das spornt an und hilft, den Rhythmus zu halten. „Der Song geht ihnen nicht mehr aus dem Ohr, der geht direkt in Fleisch und Blut über“, verspricht Waser.