Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Beim Realschultag brachten mehr als 4000 Schüler aus dem Südwesten Grandls Festzelt zum Beben. Zwar wird laut Betreibern schärfer kontrolliert. Für viele endet das Fest dennoch im Exzess.

Stuttgart - Am frühen Nachmittag stachelt Hoffnarr Luigi die 4000 Realschüler noch einmal so richtig an. Der Sänger brüllt von der Bühne aus ins Mikrofon: „Und jetzt will ich alle Coca Colas oben sehen!“ Im Festzelt ragen vereinzelt Gläser aus der schwitzenden Menge heraus. „Und jetzt die Fantas!“ Einige Jugendliche grüßen den Entertainer grölend mit der gelben Brause in den Krügen.

So richtig zündet erst der nächste Satz, der den Schub für die Ekstase liefert: „Uuuund jetzt dieee Bieeeere!“ Die Menge erhebt sich, der Entertainer schleudert heraus: „Prost ihr Säcke!“ Menge: „Prost du Sack!“

In der sogenannten Grandl-Loge, abseits der bebenden Schülerschar, lehnt Wasen-Wirt Hans-Peter Grandl und lächelt. An der Wand hängen Fotos, die den Wasen-Wirt mit Fußballer Sami Khedira zeigen oder mit Mia Gray, dem Playmate.

„Wir haben ganz bewusst beim Vorverkauf keine Bierchips verschickt“, sagt der 57-Jährige. Die Jugendlichen trinken auch Cola und Unalkoholisches, sagt Grandl. Dass auch Bier und Wein fließen verstehe sich von selbst, schließlich sei der Konsum mit 16 Jahren legal.

"Ich habe die Gesetze für den Jugendschutz nicht gemacht"

„Aber“, fügt er hinzu, „ich habe die Gesetze für den Jugendschutz nicht gemacht.“ Er signalisiert einer Mitarbeiterin, dass sie einer Gruppe von Gästen, den Weg in der Loge weist. Machst du das eben, bitte.

Am sogenannten Realschultag auf den Wasen strömen Tausende von Jugendlichen in das Festzelt. Sie feiern ihren Abschluss nach den letzten Prüfungen. Am Haupteingang hängt ein Schild über der Kasse: „Einlass mit Mindestverzehr 20 Euro“. Das unvermeidbare „Atemlos“ von Helene Fischer hämmert durch die Fenster ins Freie. Ein Polizeibus rollt vor. Zwei Beamte steigen aus und steuern zur Kasse.

Ein junges Mädchen im grünen Dirndl bettelt bei einem Türsteher mit roter Jacke, der den Beamten einen Ausweis übergibt. „Ausweismissbrauch“, kommentiert der Polizist. Sie führen das Mädchen ab.

Nachdem es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Vorfällen mit übermäßig alkoholisierten Jugendlichen gekommen war, haben die Betreiber an diesem Tag mehr Sicherheitskräfte angestellt. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hatte indes nicht mehr oder weniger Arbeit, als in den Jahren zuvor, sagte ein Verantwortlicher. Noch vor zwei Jahren mussten die Rettungskräfte am Realschultag mehr als 60 Schüler betreuen.

Luft von Hähnchen- und Zigarettengeruch geschwängert

„Zicke, zacke, zicke, zacke, hey, hey, hey!“ Hofnarr Luigis Stimme erfüllt das Zelt. Micha K. schlängelt sich mit ein paar Freunden vorbei an ein paar schwankenden Realschülern. Der Waldorfschüler aus Vaihingen hat das Zelt vor Augenblicken betreten. Sein Blick schweift durch das Zelt, in dem die Luft von Hähnchen- und Zigarettengeruch geschwängert ist.

„Wir haben unsere Abschlussfeier leider zu spät organisiert und deshalb keinen Tisch mehr bekommen“, sagt der 18-Jährige klar artikulierend. Die Bierbänke biegen unter der Last der Schüler, für Micha und seine Freunde erscheint die Suche aussichtslos.

Rechts neben der Bühne, die inzwischen der selbst ernannte Partykönig DJ Thommy übernommen hat, liegt die „Quicky-Bar“. Auf den Schildern über den Tresen steht: „Williams Birne“, „Wodka Redbull“, „Jacky Cola“. Dahinter erstreckt sich die sogenannte Zapfsäule: Aus den zahlreichen filigranen Hähnen fließt normalerweise Hochprozentiges. Heute ist das tabu.

"Es gibt da ein paar psychologische Tricks"

Die Zeit schreitet voran. Für die Realschüler hat Grandls Festzelt an diesem Tag zwischen 12 und 16 Uhr geöffnet. Hofnarr Luigi – weißes Tuch über den Kopf gespannt, ein grünes um den Hals gewickelt – steht neben dem bebenden Kollektiv. Aus seiner Sicht erfüllt er bei seiner Arbeit auf der Bühne nicht zuletzt eine pädagogische Aufgabe. „Es gibt da ein paar psychologische Tricks, wie ich die Jugendlichen steuern kann“, erklärt er. „Ich gratuliere zum Beispiel zum Abschluss und sage, dass es Spaß machen wird, die Party gemeinsam bis zum Schluss zu erleben.“ Oder er sagt: „Hey Leute, ihr benehmt euch ja wirklich wie Erwachsene, teilweise sogar besser.“

Um 15 Uhr drängen sich die Jugendlichen vor den Toiletten, es riecht nach Abfluss und Bier. „Erst Abschluss, dann Abschuss“, steht auf den Kapuzenpullovern von drei Jungs, die am Zigarettenautomaten stehen. Viele tragen zwei Buchstaben auf der Stirn oder den Wangen: AK 15, Abschlussklasse 2015.

Daneben steht Sarah, 16 Jahre, der AK-15-Slogan auf ihrer Wange ist schon verwischt. „Leute, Leute!“, ruft sie ihren Mädels zu. Die positionieren sich vor einer Fotowand neben den Toiletten. Sarah hält das iPhone auf die Freundinnen, die sich wankend in den Armen liegen. Sie wedeln mit einem Schild herum:„Yes, we can!“, steht darauf. Und drunter, etwas kleiner: Grandl.