So sah es aus in der Schräglage beim ersten Stuttgarter Hate-Slam Foto: Kovalenko

Einen Club zu betreiben, das hört sich nach einem coolen Geschäft an. Axel Steinbeck und Heiko Grelle vom Club Schräglage erzählen im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten, warum man aber auch Paragrafen wälzen muss.

Einen Club zu betreiben, das hört sich nach einem coolen Geschäft an. Axel Steinbeck und Heiko Grelle vom Club Schräglage erzählen im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten, warum man aber auch Paragrafen wälzen muss.
 
Stuttgart – Herr Steinbeck, Herr Grelle, die Schräglage ist nun eine Discothek. War sie das nicht immer?
Steinbeck: Offiziell war sie eine Schank- und Speisewirtschaft. Nun ist sie eine Schank-und Speisewirtschaft ohne Beschränkung der Betriebseigentümlichkeit in Form einer Versammlungsstätte mit Tanz.
Oje! Wir dürfen aber Club sagen?
Grelle: Wir bitten darum. Wir waren ja wie so viele Stuttgarter Clubs eigentlich eine Disco, aber offiziell laufen die allermeisten als Gastronomien.
Und warum wollten Sie nun auch offiziell eine Disco betreiben?
Steinbeck: Es ging uns darum, Rechtssicherheit zu haben. Deshalb haben wir uns um diese Baugenehmigung bemüht.
Grelle: Und das hat uns zwei Jahre Zeit und 250 000 Euro gekostet.
Und dieser Aufwand lohnt sich?
Steinbeck: Wir brauchen die Rechtssicherheit, damit wir langfristig planen können. Ansonsten kann jederzeit die Polizei vorbeikommen, jederzeit kann das Ordnungsamt uns schließen. Das droht jedem nicht konzessionierten Club.
Die Nächte waren also halb so lustig, wie man gemeinhin denkt: Paragrafen wälzen statt Party machen?
Grelle: Wir, oder speziell ich, sind ja in einem gesetzten Alter, da muss man nicht mehr jede Nacht Party machen. Aber stimmt, wir haben viel gelernt in diesen zwei Jahren: Die Auflagen der Versammlungsstättenverordnung sind ein Buch, da geht es um Sicherheit, Brandschutz, Fluchtwege, Stufenhöhe, Brüstungshöhe, Anzahl der Toiletten und, und, und . . .
Es gibt für alles eine DIN-Norm?
Steinbeck: Genau. Aber die Anforderungen an die Sicherheit haben wir ohnehin schon erfüllt. Da haben wir nie Abstriche gemacht. Aber nun mussten wir uns zudem mit so schönen Dingen wie der Stellplatzabgabe herumschlagen.
Was ist das?
Steinbeck: Jeder Gastronomiebetrieb muss Parkplätze vorhalten. Die Zahl wird nach der Größe der Räume errechnet. Und wenn du weniger Parkplätze hast, musst du für die fehlenden Parkplätze eine Ablöse zahlen.
Und die ist teuer?
Grelle: Die kann man mit Gold aufwiegen. Wir mussten elf Parkplätze ablösen. Das kostete uns 140 000 Euro. Restaurants in der Innenstadt bekommen einen Abschlag, weil man sagt, sie sind sehr gut mit dem Nahverkehr zu erreichen. Sie müssen deshalb nur 30 Prozent der eigentlich geforderten Parkplätze vorweisen. Und dementsprechend weniger zahlen. Für Discos gilt das allerdings nicht. Die müssen voll zahlen. Da gibt es keine 70 Prozent Rabatt für den Nahverkehr.
Warum?
Steinbeck: Keine Ahnung. Das sind die Weisheiten und Feinheiten der Bürokratie. Aber nachdem wir Clubbesitzer nun lange gedrängelt haben, scheint sich etwas zu ändern. Man will da rangehen.
Aber zu spät für Sie, oder?
Grelle: Wir sind ja Schwaben. Wir haben uns zusichern lassen, dass wir Geld zurückbekommen, wenn die Ablöse sinkt.
Warum tut man sich diese Mühsal an?
Grelle: Das hört sich jetzt banal an, aber wir machen es, weil es uns Spaß macht.
Steinbeck: Wir sind aus der Boarder-Szene, und eigentlich verkaufen wir Klamotten. Wir haben vor acht Jahren auch nur nach einem Showroom für unsere Klamotten gesucht und haben den Laden an der Marktstraße gegenüber vom Breuninger gefunden.
Die Original-Schräglage?
Grelle: Genau. Da war eine Bar im Erdgeschoss, und die haben wir betreiben lassen, damit Leben in die Bude kam. Das hat ein Szene-Gastronom gemacht, der hat das aber an die Wand gefahren. Dann haben wir gesagt: Das machen wir selbst.
Steinbeck: Wir kamen aus dem Umfeld der ersten Kunden, wir haben das für uns und unsere Freunde gemacht.
So wird man Wirt?
Steinbeck: Wir sind da reingerutscht.
Grelle: Und dann hat uns der Ehrgeiz gepackt. Wir haben uns gefragt: Wie hält man so ein Ding am Laufen? Als dann die erste Schräglage abgesoffen ist nach dem Wasserschaden und wir rausmussten, wollten wir weitermachen und haben Dank der Hilfe von Wolfgang Dinkelacker das Objekt in der Hirschstraße gefunden.
Aber da steckt dann auch mehr Geld drin. Erhöht das nicht den Druck und mindert den Spaß?
Grelle: Uns geht’s nicht um den Profit. Das hört sich jetzt erst mal ein bisschen arrogant an, aber das ist wirklich so. Mit dem Klamottenvertrieb und Einzelhandel verdienen wir unser Geld. Wir stecken viel Zeit rein, auch um zu zeigen, dass es geht. Wir müssen nicht das Konzept ändern, damit noch mehr Gäste kommen. Es muss zu uns passen.
Steinbeck: Wir halten an unserem Ding fest, es gab den Elektrotrend, den Schlagertrend, den Was-weiß-ich-Trend – dem kann man hinterherrennen und immer versuchen, die Zielgruppe abzugreifen. Aber irgendwann ist nicht mehr klar, wofür man steht. Wir machen Hip-Hop, klar, mal mit anderen Einsprengseln, aber wer zu uns kommt, bekommt Hip-Hop.
Und niemals Helene Fischer?
Grelle: Nein! Es ist schon faszinierend zu beobachten, wie sich das verschoben hat. Früher hatte jede Generation ihre Musik. Heute gibt es das nicht mehr. Auch die Jungen hören Schlager und Helene Fischer.
Aber wenn man über 30 ist, muss man ins Reservat, zur Ü-30-Party.
Grelle: Das ist komisch in Stuttgart. Hier geht man über 30 nicht mehr in Clubs. Offenbar zahlt und wohnt man da bereits das Häusle ab.
Steinbeck: Wobei man fairerweise sagen muss, seit das Bravo Charlie geschlossen hat, klafft da eine wirkliche Lücke. Es gibt kein richtig gutes Angebot für Ältere.
Steinbeck: Ü 30 gibt’s komischerweise nur in Schickimicki. Aber ein Laden mit guter Musik, entspannt , einen Tick bequemer, das würde gut laufen.
Das wär’ doch was?
Grelle: Die Idee hat was. Aber auch Ältere sind herzlich willkommen in der Schräglage. Ich bin auch schon 50. Doch jetzt packen wir erst mal was anderes an. Nach dem Umbau gibt’s bei uns Konzerte. Wir kriegen immerhin 300 Leute rein. Und in dieser Größenordnung klaffte auch eine Riesenlücke in der Innenstadt, ohne die Röhre und das Rocker 33.
Vornehmlich Hip-Hop vermutlich?
Steinbeck: Klar, erst mal aus dem Hip-Hop-Bereich. Da sind wir vernetzt, das gefällt uns. Aber wir sind offen für andere Musikstile. Wir wollen jungen Künstlern die Chance geben aufzutreten.
Helene Fischer ist schon zu bekannt, oder?
Grelle: Bei uns kommt man auch so atemlos durch die Nacht.
 

Axel Steinbeck

Geboren am 14. 9. 1980 in Filderstadt-‐Bonlanden.

Von 2000 an BA-Studium bei IBM. Abschluss als Wirtschaftsinformatiker.

Von 2003 an bei IBM tätig. Zunächst im Außendienst, später als Senior Key Account Manager.

Seit 2006 betreibt er den Club Schräglage.

2009 Gründung der Betreibergesellschaft Red Jam GmbH. Sie betreibt den Club, das Restaurant Meals & More am Wilhelmsplatz und Schräglage Clothing.

 

Heiko Grelle

1964 geboren.

Ist auf Brettern zu Hause, war begeisterter Windsurfer, reiste als Profi um die Welt.

1997 beginnt er mit Volcom, Zubehör und Klamotten für die Boarderszene zu verkaufen.

2006 Start der Titus Benztown mit diversen Geschäften in Stuttgart, Mannheim und Freiburg.

2009 Gründung der Red Jam GmbH, in der man die Geschäfte bündelte