Heute Container, morgen Bauland: Einige Kommunen sehen die Chance Baugebiete auszuweisen, wo sie normalerweise tabu wären. Foto: dpa

Weil Flächen knapp sind, dürfen Städte und Gemeinden Flüchtlingsunterkünfte auch im Außenbereich und sogar in Schutzgebieten bauen. Einige Bürgermeister wittern nun die Chance, diese temporären Ansiedlungen in dauerhafte Baugebiete umzuwandeln.

Stuttgart - Eigentlich versucht die Landesregierung, neue Baugebiete im Außenbereich zu vermeiden, und fördert Kommunen, die stattdessen innerörtlich Baulücken schließen. Doch seit Oktober 2015 erleichtern neue Regelungen im Baugesetzbuch den Kommunen den Bau von Flüchtlingsunterkünften auch im Außenbereich. Wenn die Flüchtlingsunterkünfte direkt an eine bestehende Bebauung anschließen, dürfen sie laut Gesetz sogar dauerhaft stehen bleiben. Das Gleiche gilt für Flüchtlingsunterkünfte, die in genehmigten Gebäuden im Außenbereich über eine Nutzungsänderung eingerichtet wurden. Auf drei Jahre befristet sind dagegen mobile Bauten für Asylbewerber – etwa Container oder Holzbauten.

Grundsätzlich, so die vage Vorgabe, dürfen öffentliche Belange in allen Fällen nicht beeinträchtigt werden. Die Unterkünfte dürfen also keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufen und den Naturschutz oder die Landschaftspflege nicht beeinträchtigen.

Wer glaubt, in Landschaftsschutzgebieten dürfe nicht gebaut werden, liegt falsch: Vielmehr soll im Einzelfall geprüft werden, ob durch die Bauten jener Schutzgegenstand bedroht wird, der eigentlich geschützt werden soll, und ob der Naturschutz beeinträchtigt wird. Befreiungen von Verboten in Schutzgebieten können nur erteilt werden, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht. Solche Formulierungen sind allerdings dehnbar: Einige Kommunen sehen darin eine Chance, Baugebiete ausweisen zu können, wo sie normalerweise tabu wären.

Kommunen haben eigenen Planungshoheit

Eine Bauerlaubnis oder -befreiung erteilt die Naturschutzbehörde, die – wenn es um Landschaftsschutzgebiete geht – bei den Landratsämtern angesiedelt ist, für die höherrangigen Naturschutzgebiete bei den Regierungspräsidien. Das für Bauangelegenheiten zuständige Ministerium für Verkehr und Infrastruktur hat diesen Behörden aktuell aber keine besonderen Anweisungen erteilt, in dieser neuen Situation besonders genau hinzusehen: „Es bestehen keine expliziten gesetzlichen Vorgaben, nach denen Flächen im Außenbereich erst in Anspruch genommen werden dürfen, wenn keine innerörtlichen Flächen mehr zur Verfügung stehen“, teilt ein Sprecher mit. Entsprechend gebe es auch keine Kontrollen.

Das Ministerium verweist zudem auf die kommunale Planungshoheit der Kommunen, die greife, wenn keine genehmigungspflichtigen Änderungen der Bauleitpläne notwendig sind.

Und wer sorgt schließlich dafür, dass die eigentlich befristet erlaubten Flüchtlingsunterkünfte nicht irgendwann zur Dauereinrichtung werden oder an ihrer Stelle reguläre Baugebiete entstehen? Im Prinzip niemand. Zwar müssen die Container und Holzbauten nach Ablauf der Genehmigung vom Bauherrn oder Grundbesitzer abgebaut werden. Allerdings können die Gemeinden für die Unterkünfte auch einfach einen Bebauungsplan aufstellen und somit Baurecht schaffen. Damit haben sie dauerhaft Bestandsschutz. Alternativ können die frei gewordenen Flächen so auch zu normalen Baugebieten weiterentwickelt werden.

Schon Tanja Gönner wollte Flächenverbrauch drosseln

Viele Kommunen werden von dieser Möglichkeit Gebrauch machen – schließlich sind die Flächen dann bereits erschlossen und günstiger in Bauland umzuwandeln. Dabei ist die Forderung, den Flächenverbrauch einzudämmen, nicht neu: Bereits 2007 hat die ehemalige baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) gefordert, den steigenden Verbrauch freier Flächen zu drosseln: „Die ungezügelte Ausweisung von immer neuen Wohn- und Gewerbegebieten bringt nur Verlierer hervor“, sagte Gönner damals und kündigte an, über die Landräte stärker Einfluss auf die Bebauung zu nehmen.

Gönner rief dazu auf, brachliegende Flächen stärker zu nutzen. Hintergrund ist, dass im Südwesten inzwischen jeden Tag rund 5,3 Hektar Fläche neu versiegelt werden. Vor allem im ländlichen Raum, so Gönner, sähen noch immer viele Gemeinden schon allein im Angebot von Bauflächen eine Entwicklungschance.