Stuttgart als Zeltstadt: Die verhüllte Majerus-Rampe auf dem Schlossplatz. Foto: Petsch

Ist es Sport? Ist es Kunst? Für die Händler ist die Majerus-Skaterrampe vor allem störend.

Stuttgart - Ein Brett, zwei Achsen und vier Rollen. Mehr braucht der Mensch nicht, um abzuheben und die Welt ganz neu zu entdecken. Davon sind Skater überzeugt. Wer auf einem rollenden Brett über den Asphalt oder Rampen rausche, erlebe nicht nur Adrenalinschübe. Skaten sei mehr als ein Endorphinrausch.

Es ist Lebensart.

„Es hat viel mit Kreativität zu tun“, sagt Ulrich Härle, Erster Vorsitzender des Stuttgarter Vereins Boardrider Organization. Zum Skateboardfahren gehören Graffiti, Musik und Mode dazu - zum Teil von den Skatern selbst entworfen. Kurzum: Skateboardfahren ist in Härles Augen auch eine Form von Kunst.

Großskulptur von Majerus

Umso mehr freut sich der leidenschaftliche Skater, dass auf dem Stuttgarter Schlossplatz am Donnerstag eine 42 Meter lange, zehn Meter breite und drei Meter hohe Rampe eröffnet wird. Kunst, die man bis zum 20. Mai benutzen kann. Allerdings nicht uneingeschränkt.

Dies wäre vermutlich ganz im Sinne des 2002 bei einem Flugzeugabsturz gestorbenen Künstlers Michel Majerus gewesen. Die Rampe ist nämlich eine Großskulptur von Majerus, die zu der aktuellen Sonderausstellung im Kunstmuseum gehört. Titel: „If you are dead, so it is.“ Denn das Erleben und Nutzen von Kunst waren zwei wichtige Aspekte im Schaffen von Michel Majerus.

Aber so einfach, wie der Titel („Wenn du tot bist, war’s das halt“) vermittelt, ist die Sache dann doch nicht. Vorstellungen von Kunst im freien Raum kollidieren in diesem Fall mit Gesetzen, Befindlichkeiten und Wünschen der Skater-Gemeinde. Diese würde die Rampe gerne Tag und Nacht in Beschlag nehmen. Doch schnell stellten die Organisatoren des Kunstmuseums und die Leiterin Ulrike Groos klar: Das ist nicht machbar. Ein notwendiges Sicherheits- und Betreuungskonzept engt die freie Fahrt der Skater und BMX-Radler erheblich ein.

Am Donnerstag geht es los

„Hinzu kommt, dass die Rampe kein Sportgerät im klassischen Sinne ist, sondern ein Kunstwerk“, sagt Kunstmuseums-Sprecherin Eva Klingenstein, „dadurch hat sie einfach gewisse Belastungsgrenzen.“

Es verschwimmen bei diesem Projekt viele Grenzen. Diesen Eindruck haben bislang auch die Passanten am Schlossplatz. Sie können mit der zeitgenössischen Kunst noch nicht so viel anfangen. Das liegt freilich daran, dass die Skulptur in Rampenform seit Wochen unter einem Zelt entsteht. So wechseln sich bei Königstraßen-Flaneuren Neugierde und Ärger über die Anmutung des Zelts ab. Wie gesagt: Die Neugierde wird am Donnerstag um 17 Uhr befriedigt. Dann wird die Rampe offiziell vom stellvertretenden Ministerpräsidenten Nils Schmid, von Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann und Ulrike Groos eingeweiht.

„Unfaire Betrachtung“ über Nutzung des Schlossplatzes

„Unfaire Betrachtung“ über Nutzung des Schlossplatzes

Dann wird sich zeigen, ob die Skulptur das hält, was sich viele von ihr versprechen: Fahrspaß, Kunstgenuss und nationale Aufmerksamkeit. Alle drei Begriffe lösen bei City-Manager Hans H. Pfeifer noch keine Begeisterung aus. Er ärgert sich ein wenig über das Projekt und das „hässliche Bauzelt, das seit Monaten auf dem Schlossplatz rumsteht“. Aber Pfeifer treibt noch mehr um.

Er prangert eine „unfaire Betrachtung“ über die Nutzung des Schlossplatzes an: „Wenn es um die Eisbahn im Winter oder das Projekt 125 Jahre Automobil von Mercedes-Benz geht, macht die grüne Bezirksvorsteherin Kienzle ein Riesentheater. Aber dieses Projekt finden alle toll.“ Pfeifer glaubt, dass der Mantel Kunst alles überlagert: „Wenn es um Kunst geht, schreien alle sofort, das ist gut.“ Damit kein falscher Eindruck entsteht: Der City-Manager will keinesfalls die Kunst von Michel Majerus diskreditieren: „Mir geht es in erster Linie um Gleichbehandlung“.

„Modern und kunstsinnig“

Ganz gleich, welche Motive Hans H. Pfeifer treiben: Eva Klingenstein kann seine Argumente nicht nachvollziehen. Die Sprecherin des Kunstmuseums nennt den Majerus-Auftritt auf dem Schlossplatz eine große Chance für die Stadt: „Es besteht doch wohl ein kleiner Unterschied zwischen der Eisbahn und einem Kunstwerk.“ Mehr noch: „Diese Skulptur sendet ein bundesweites Signal aus: nämlich, dass Stuttgart modern und kunstsinnig ist.“ Schon lange vor der Eröffnung am Donnerstag sei die Stadt in der deutschen Kunstszene ein großes Thema. „Überall wird geschätzt, dass Stuttgart so einen zentralen Platz auf so wertige Weise bespielt“, sagt Klingenstein.

Man darf also gespannt sein, was sich unter dem Zelt-Schleier verbirgt. Gut möglich, dass sich am Donnerstag die Aufregung um die Rampe dann legen wird. Das wäre im Übrigen auch ganz im Sinne des Künstlers. Auf der befahrbaren Oberfläche der Rampe findet sich sein Spruch: „Die Absichten des Künstlers werden überbewertet.“

Nutzungszeiten der Rampe mit BMX-Rädern: Montag bis Mittwoch von 10 bis 13 Uhr und 14.30 bis 19 Uhr. Samstags von 14.30 bis 18 Uhr. Mit Inlineskates und Skateboards: Dienstag und Donnerstag von 14.30 bis 19 Uhr. Freitags und sonntags von 10 bis 13 Uhr und 14.30 bis 19 Uhr. Zugang zur Plattform für Fußgänger: täglich von 13 bis 14.30 Uhr.