Tanzgötter: Israel Galván und Akram Khan (re.) in „Torobaka“ Foto: Schlossfestspiele

Die aus sehr unterschiedlichen Kutlruen Tänzer Akram Khan und Israel Galván zeigen in ihrem Stück „Torobaka“, was Indien und Andalusien verbindet. Die Dramaturgie ist ein komplexes Geflecht aus Soli und Duetten, aus Dialogen und Duellen, aus Tanz und ­Gesang.

Ludwigsburg - „These Boots Are Made for Walking“ sang Nancy Sinatra und drohte, über jeden hinwegzustiefeln, der sich nicht an die Regeln hält. Waffen sind auch die hellen Stiefel, die plötzlich im Tanzstück „Torobaka“ auftauchen. Aber Akram Khan, Star der britischen Tanzszene, der seit einigen Jahren von London aus die Bühnen in aller Welt erobert, hat keinen Waffenschein. Irgendeine Art von Lizenz scheint es jedoch zu brauchen, um diese Treter beherrschen zu können.

Es sind Flamenco-Stiefel, und an diesem Abend im Ludwigsburger Forum hat der spanische Tanzteufel Israel Galván bereits ausführlich demonstriert, zu welch expressiven Tanzfiguren, zu welch beeindruckendem Absatz-Staccato diese Schuhe befähigen, deren Sohlen metallisch glänzen und ein drohendes Zischeln ausstoßen, wenn sie ihr Meister zu sanft über den Boden führt.

Als Akram Khan plötzlich mit einem Paar solcher Stiefel auf der Bühne kauert, entwickelt das Flamenco-Utensil ein störrisches Eigenleben. Wie die Besen von Goethes Zauberlehrling tyrannisieren sie den, der die Geister rief: Akram Khan, Meister des klassischen indischen Kathak, der barfuß getanzt wird, aber Lehrling in Sachen Flamenco, hat die Dinger an den Händen, wird zum geknechteten Tier, das in einem virtuosen Spiel aus Erniedrigung und Aufbegehren über die Bühne hetzt. Bleib bei deinen Glöckchen, scheinen die Stiefel zu sagen und tragen am Ende den Sieg davon.

Zwei Tiere standen auch Pate für den Titel dieses ungewöhnlichen Tanzabends zweier außergewöhnlicher Künstler, die am Freitag und Samstag leider zu wenig Publikum ins Forum locken konnten: der Stier und die Kuh, „toro“ und „vaca“ auf Spanisch, beides symbolträchtige Viecher. Der Stier, weil er Spaniens Wappentier ist und in Arenen heldenhaft um sein Leben kämpfen muss; und die Kuh, weil ihre Sanftmut sie in hinduistischen Religionen unantastbar machte. Und so wie Israel Galván und Akram Khan tanzen, der eine in aggressiver Angriffslust, ganz Flamenco-Macho, Hände wie Säbel durchs Halbdunkel kreisen lassend, der andere in weichen Windungen mit der für indische Tänzer üblichen Präzision in allen Gesten, treffen da tatsächlich zwei Prinzipien aufeinander.

Spielerisch testen die beiden Stars aus, was sie verbindet. Kam der Kathak mit frühen indischen Auswanderern nach Spanien und wuchs unter den Zigeunern Andalusiens zum Flamenco heran? Wer „Torobaka“ erlebt hat, wird zustimmen. Reduziert auf Rhythmus – von Bobote geklatscht und B. C. Manjunath an den Tablas produziert – sowie zweistimmigen Gesang – von David Azurza und Christine Leboutte als Verwirrspiel der Geschlechter inszeniert –, zaubert Flamenco wie Kathak mit schneller Fußarbeit und markantem Aufstampfen die Musik auf den Körper und macht sie in der Bewegung sichtbar. Die Energie und Leidenschaft, die „Torobaka“ in der Begegnung zweier Kulturen aus der Taufe hob, wirkt auf der Bühne spürbar nach.

Akram Khan ist ein Meister im Inszenieren solcher Begegnungen – mit Ballettlegende Sylvie Guillem hat er in „Sacred Monsters“ schon einmal auch als Tänzer das Ludwigsburger Publikum begeistert. Die Dramaturgie von „Torobaka“ allerdings ist ein komplexes Geflecht aus Soli und Duetten, aus Dialogen und Duellen, aus Tanz und Gesang. Schnell jedoch überlässt man sich wie bei einem fremden Ritual dem Wechsel der Szenen, ohne nach dem Warum zu forschen: Man bestaunt zwei Tanzgötter am Werk – keiner von ihnen braucht Stiefel, um ein begeistertes Publikum zu überrennen./