Die richtig großen Frachtkähne sollen nach dem Willen des Bundesverkehrsministers die Schleuse Bad Cannstatt auch künftig nicht passieren können. Foto: Leif Piechowski

Bundesverkehrsministerium blockiert Ausbau der Schleusen in der Region – 300 Mitarbeiter bangen um Jobs.

Stuttgart/Berlin - Frachtschiffe, die im Stuttgarter Hafen ablegen, messen in ihrer Länge maximal 105 Meter. Sie haben Schrott geladen, Kies, Sand oder Container mit Getrieben und Motoren vom Autokonzern Daimler. Ein solcher Kahn kann maximal 88 für die Binnenschifffahrt genormte Container transportieren. Mehr geht nicht. Schiffe auf dem Rhein sind oft länger, auf die 135 Meter langen Wasserfahrzeuge passen bei voller Ladung 128 genormte Container.

„Mit größeren Schiffen ließe sich an den Kosten für den reinen Frachtanteil rund 30 Prozent je Container sparen“, rechnet Hafen-Geschäftsführer Carsten Strähle vor. Größere Schiffe können in Stuttgart zurzeit aber nicht anlegen, weil die Neckarschleusen zu kurz sind. Geht es nach Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, wird das für den Abschnitt zwischen Plochingen und Heilbronn vorerst so bleiben, während die Schleusen zwischen Heilbronn und Mannheim entsprechend vergrößert werden. Wird der Neckar in der Region Stuttgart bis auf weiteres eine Wasserstraße zweiter Klasse? Mancher deutet den jüngsten Bericht zur im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Reform der Schifffahrtsverwaltung ganz genau so. Auch weil das Wasser- und Schifffahrtsamt Stuttgart danach seinen Status als eigenständige Behörde verliert und stattdessen zur Außenstelle des Wasser-und Schifffahrtsamts Heidelberg wird. „Baden-Württemberg ist mitnichten im Schatten gelandet“, heißt es demgegenüber aus dem Bundesverkehrsministerium. Die Kategorisierung der Wasserwege sei keine Herauf- oder Herabstufung, „sondern eine schlichte Dokumentation der Tatsachen“. Wenn sich am Verkehrsaufkommen etwas ändere, werde das berücksichtigt, „ die Kategorisierung wird regelmäßig überprüft“. Soll heißen: Zurzeit wird auf dem mittleren Neckar zu wenig Fracht transportiert, als dass Schleusenverlängerungen gerechtfertigt wären.

Daimler hält auch nichts von den Plänen des Bundesverkehrsministeriums

In der Region und im Land ist bisher kaum jemand glücklich mit den jetzt konkreten Plänen des Bundesverkehrsministers. Auch der Landesverkehrsminister nicht. Winfried Hermann, der voriges Jahr für seine defensive Haltung zum Schleusenausbau viel Kritik einstecken musste, hat seine Meinung revidiert. Er hatte damals, so wie jetzt von Minister Ramsauer geplant, nur den Ausbau von Mannheim bis Heilbronn propagiert. Jetzt schlägt Hermann vor, an den Hebebauwerken jeweils nur eine statt zwei Schleusenkammern zu verlängern. Damit würden Geldmittel frei für die Schleusen weiter flussaufwärts bis Plochingen. „Wir sind lernfähig“, so ein Ministeriumssprecher.

„Bei der Einteilung der Wasserstraßen sind in Bezug auf Stuttgart nicht hinreichend die Wirtschaftskraft der Region und das Veränderungspotenzial berücksichtigt“, kritisiert Hafen-Chef Strähle. Laut einer Studie steige der Güterverkehr bis 2015 um 80 Prozent. Güter aber suchten sich ihren Weg. Was nicht übers Wasser transportiert werden könne, würde eben auf der Straße oder auf der Schiene landen – bei den jetzt schon ständig verstopften Fernstraßen rund um Stuttgart keine guten Aussichten. Beim Autokonzern Daimler, der im Stuttgarter Hafen jährlich 30.000 Tonnen Ladung aufs Wasser bringt, hält man ebenso wenig von den Berliner Plänen: „Der Ausbau der Schleusen für 135 Meter lange Schiffe ist wichtig, um die Leistungsfähigkeit des Neckars als Wasserstraße zu gewährleisten“, so ein Unternehmenssprecher.

Rund 300 Mitarbeiter im Wasser- und Schifffahrtsamt Stuttgart kümmern sich um die Schleusen bis Heilbronn, nun fürchten sie um ihre Arbeitsplätze. Bundesweit sollen in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung 2500 der über 12.000 Stellen eingespart werden – sozialverträglich, wie es in Ramsauers Bericht heißt. Doch Oliver Kern, Personalratsvorsitzender in Stuttgart, beklagt, „dass wir jetzt schon kaum damit nachkommen, die Schleusen in Schuss zu halten“. Seit heute seien bis Heilbronn gleichzeitig vier Schleusen für Reparaturen trockengelegt. 200 Mitarbeiter seien dafür im Einsatz.