Die Truppen der von den USA geführten Koalition haben die Entscheidungsschlacht um Mossul eingeleitet. Foto: AFP

Die Schlacht um Mossul könnte eine Million Menschen zur Flucht bewegen. Die UN befürchten eine humanitäre Katastrophe ungeahnten Ausmaßes.

Kairo - Über der nord-irakischen Millionenstadt Stadt Mossul steigen riesige schwarze Rauchwolken auf. Die seit vielen Monaten geplante und immer wieder verschobene Entscheidungsschlacht gegen die Terrormiliz des „Islamischen Staates“ (IS) im Irak hat begonnen. Um Luftangriffe der von den USA geführten internationalen Allianz auf ihre wichtigste Hochburg im Zweistromland zu verhindern, verbrennen die IS-Kämpfer Öl und Autoreifen. Seit langem haben sie die Verteidigung der zweitgrößten irakischen Stadt vorbereitet, auf die seit Montag Kolonnen von Militärfahrzeugen zusteuern.

Heftiges Bombardement der US-Koalition

Die vergangenen zwei Wochen hatte die US-Koalition die Region um Mossul heftig bombardiert, nun rücken etwa 30 000 Angehörige der irakischen Armee und Polizei vom Süden her auf die Stadt vor, während die kurdische Peschmerga-Einheiten begannen, bis an die östlichen und nördlichen Stadtränder vorzustoßen. Sieben Dörfer haben sie dabei binnen weniger Stunden vom IS befreit, während Angehörigen der US-Sondereinheiten nahe der Front irakische Soldaten beraten.

Der Luftkrieg ist eine Frage der Zeit

Sobald die Stadt umringt ist, wird die internationale Koalition den Luftkrieg beginnen. Auf Hunderttausende von Flugblättern riefen die USA die in Mossul eingeschlossene Bevölkerung auf, in ihren Häusern zu bleiben und diese mit weißen Flaggen zu markieren. Nach unbestätigten Angaben, befinden sich noch rund eine Million Menschen in der Stadt. Nach Berichten aus der Region hat die Bewohner Panik erfasst, sie errichten notdürftige Luftschutzbunker und legen Nahrungsmittelvorräte an. Flucht ist für sie schon lange keine Option mehr, denn der IS hält die Menschen, darunter mehr als 500 000 Kinder, als Geiseln. Die Dschihadisten verhindert das Verlassen der Stadt durch Straßenblockaden, Verminung der Mossul umgebenden Felder. Auch sprengen die Islamisten Häuser von Familien, denen die Flucht gelungen ist als Abschreckung für andere in die Luft.

Der IS tötet Deserteure

Der IS steigerte allerdings auch die Brutalitäten gegen Kämpfer in den eigenen Reihen. Einige von ihnen, die jüngst mit der irakischen Armee kooperieren wollten, wurden ertränkt und in Massengräber geworfen. In der ganzen Stadt legten die Dschihadisten Sprengfallen und errichteten ein Netz von Tunneln, um sich gegen den erwarteten Luftkrieg zu schützen. Zugleich heuerten sie Kinder als Spione an. Nach Schätzungen dürften sich bis zu 8000 IS-Kämpfer derzeit in Mossul verschanzt haben.

Mossul mit strategischer Bedeutung

Mossul besitzt für den IS enorme strategische, aber auch symbolische Bedeutung. Als der IS nach der fast kampflosen Flucht der irakischen Streitkräfte 2014 Mossul erobert hatte, begann sein rasanter Siegeszug, in dem er etwa ein Drittel des irakischen Territoriums unter seine Kontrolle brachte. In Mossul verkündete IS-Chef al-Baghdadi sein „Kalifat“, ein sich über Teile des Iraks und Syriens erstreckenden islamischen „Staat“, der sich immer weiter in der Region ausdehnen sollte. Mossul ist nicht nur fünfmal größer als jede andere vom IS kontrollierte Stadt. Sie ist die letzte große Bastion der Terrormiliz im Irak.

Viele Flüchtlinge befürchtet

Die Befreiung der von einer arabisch-sunnitischen Mehrheit bewohnten Stadt, in der auch starke Minderheiten von Christen, schiitischen Turkmenen und Kurden leben, würde die Regierungstruppen von dem demütigenden Image der Feigheit befreien, das ihnen seit 2014 jede Glaubwürdigkeit genommen hatte. Doch die Zusammensetzung dieser höchst heterogenen Koalition diverser, oft gegeneinander rivalisierender Einheiten lässt viele Fragen offen. Seit 2014 wurden die Regierungstruppen von den USA mit 1,6 Milliarden Dollar aufgerüstet, neben ihnen stehen kampferprobten, teils radikale schiitische Milizen, arabisch-sunnitischen Stammesangehörige, von der Türkei ausgebildeten sunnitischen Milizen und Kurden. Ein zentrales Problem ist, dass sich die Koalitionäre auf kein gemeinsames Kommando einigen konnten. Unterdessen bereitet sich die Vereinten Nationen im nord-irakischen Kurdistan auf die vielleicht größte humanitäre Katastrophe der jüngsten Zeit vor: die mögliche Flucht von bis zu einer Million Menschen.