Historischer Moment im Dezember 2004: Erwin Teufel und Annette Schavan gratulieren Günther Oettinger zu seinem Sieg bei der Mitgliederbefragung Foto: dpa

60,6 Prozent für Oettinger, 39,4 Prozent für Schavan. So endete 2004 die CDU-Mitgliederbefragung über den Landtagswahl-Spitzenkandidaten. Nun, vor dem Duell von Parteichef Strobl gegen Landtagspräsident Wolf, erinnert sich die Verliererin von damals.

Stuttgart - Frau Schavan, es ist jetzt zehn Jahre her, dass es ein CDU-internes Duell zwischen Ihnen und dem damaligen Landtags-Fraktionsvorsitzenden Günther Oettinger um die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl 2006 gab. An was erinnern Sie sich?
Ich erinnere mich an die gut besuchten Regionalkonferenzen, an hartes Ringen und eine lebendige Partei, die sehr engagiert war.
Nun wiederholt sich die Geschichte. Der Landesvorsitzende Thomas Strobl und Landtagspräsident Guido Wolf bewerben sich um die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl 2016. Was trauen Sie den beiden zu?
Beide haben viele Erfahrungen in der Politik, sind seit vielen Jahren aktiv und werden jetzt wieder die Partei mit ihren Vorstellungen über die politische Gestaltung von Baden-Württemberg zu lebhaften Debatten bringen.
Mit welchen Konsequenzen?
Lebhafte Debatten führen dazu, dass sich Prioritäten für das Wahlprogramm herauskristallisieren. Das ist eine gute Vorbereitung für den Wahlkampf.
Im damaligen Duell trafen auch zwei unterschiedliche Charaktere aufeinander. Dieser Wettstreit hat der Partei damals zwar neues Leben eingehaucht, er hat aber auch für etliche Jahre tiefe Gräben hinterlassen. Wie groß ist die Gefahr, dass die Partei nach dem Duell Strobl – Wolf wieder gespalten ist?
Ein Landesverband muss die Auseinandersetzung nicht scheuen, wenn es ein Ringen in der Sache ist. Das tut der innerparteilichen Demokratie gut. Die CDU Baden-Württemberg hat zu allen Zeiten unterschiedliche Persönlichkeiten gehabt, die im Land auf ihre Weise gestaltet haben. Der Wettbewerb um die Spitzenkandidatur ist eine Stärke der CDU.
Oder wird für sie zur Belastung.
Wenn die Kandidaten fair miteinander umgehen, das Ergebnis dann auch akzeptieren und den Sieger im Wahlkampf unterstützen, muss niemand solche Sorgen haben. Die Mitglieder erwarten heute zu Recht, dass sie in solchen entscheidenden Situationen gefragt werden, immerhin sollen sie ja in den Wochen und Monaten vor der Landtagswahl 2016 auch Wahlkampf für den Spitzenkandidaten machen. Die Zeiten sind vorbei, dass eine Parteiführung hinter verschlossenen Türen oder 300 Delegierte bei einem Parteitag einfach den Spitzenkandidaten küren und die Basis dem zu folgen hat. Das wäre heute nicht mehr vermittelbar.
Was raten Sie Thomas Strobl und Guido Wolf für das Duell in den nächsten Wochen bis zur Bekanntgabe des Mitgliederentscheids am 5. Dezember?
Ratschläge von außen waren noch nie beliebt. Aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen: Ich wünsche beiden, dass die sechs Regionalkonferenzen für sie eine gute Erfahrung werden und es dabei vor allem fair und sachlich zugeht.
Trauen Sie einem der beiden Kandidaten zu, die Landtagswahl 2016 zu gewinnen und einen Grünen-Spitzenkandidaten namens Winfried Kretschmann aus dem Amt des Ministerpräsidenten zu kippen?
Ich denke, dass trauen sich beide Kandidaten zu. Sonst hätten sie ihre Bewerbung nicht abgegeben. Im Übrigen ist die CDU im Land nach wie vor stark verankert.
Sie werden die Entscheidung aus der Ferne in Rom verfolgen, und dabei dürften die Erinnerungen an 2004 bei Ihnen wieder wach werden. Haben Sie die Niederlage gegen Günther Oettinger von damals verarbeitet, abgehakt?
Ja, das ist lange her. Wer Niederlagen nicht verträgt, darf nicht in einen solchen Wettbewerb gehen.
Und wie ist Ihr Verhältnis heute zu Günther Oettinger?
Wir haben beide in unserem politischen Leben an unterschiedlichen Stellen gewirkt und haben aus der damaligen Auseinandersetzung gelernt. Günther Oettinger war bei meinem Abschied in Berlin. Das war ein gutes Zeichen für den Landesverband und auch ermutigend für die CDU in Baden-Württemberg, den jetzigen Wettbewerb fair zu gestalten.