Obwohl Al-Qaida und der Islamische Staat dieselben Ziele verfolgen, bekämpfen sie sich bis aufs Blut – ein Kampf, aus dem der IS als Sieger hervorgehen wird. Die dschihadistischen Terrorgruppen halten mit Attentaten, Enthauptungen und barbarischen Strafen die Welt in Atem. Ein Überblick.
Die Terrororganisation – im Deutschen gibt es bislang keine einheitliche Schreibweise für die Gruppe – wurde 1984 vom palästinensischen Korangelehrten Abdallah Azzam und dem saudischen Milliardärssohn Osama bin Laden im pakistanischen Peschawar gegründet, um die islamischen Kämpfer in Afghanistan und Pakistan personell wie materiell zu unterstützen. In der Schrift mit dem Titel „Schließ Dich der Karawane an“ forderte Azzam, eine „feste Basis zur Verbreitung des Islam“ zu gründen.
Der arabische Begriff „al-qaida as-sulba“ für „feste Basis“ wurde im Westen auf „Al-Qaida“ verkürzt. Obwohl sie im Kampf gegen die russische Besetzung in Afghanistan und in den 1990er Jahren in Bosnien stark aktiv war, geriet die Terrorgruppe erst durch die Anschläge von New York und Washington am 11. September 2001 ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit.
Ziele der Al-Qaida sind der Dschihad, der Heilige Krieg gegen den Westen und dessen politische und wirtschaftliche Dominanz, die Vernichtung des Staates Israel, die Rückeroberung aller Gebiete, die jemals muslimisch waren oder von muslimischen Herrschern regiert wurden, sowie die Vereinigung aller dieser Länder zu einem weltumspannenden Staat, in dem das islamische Recht herrscht.
Prognose Al-Qaida wird in den kommenden zehn Jahren wahrscheinlich stark an Bedeutung und Einfluss verlieren.
Die Terrorgruppe gründete sich im Jahr 2003 im Irak, um gegen die Besetzung des Zweistromlands durch die USA vorzugehen. Von der Führung durch die Al-Qaida löste sich der IS im April 2013 und weitete sein Kampfgebiet gegen den ausdrücklichen Wunsch des aktuellen Al-Qaida-Chefs Aiman az-Zawahiri nach Syrien aus. Im Juni 2014 proklamierte der Anführer des IS, Abu Bakr al-Baghdadi (bürgerlich: Ibrahim Awad Ibrahim al-Badri) ein weltumspannendes Kalifat mit dem Kerngebiet Irak und Syrien.
Sich selbst ernannte al-Baghdadi zum Kalifen, zum Führer der gesamten islamischen Gemeinschaft. Auf dem vom ihm kontrollierten Gebiet hat der IS ein gut funktionierendes Staatssystem mit Sozialleistungen, medizinischer Versorgung, Koranschulen und Finanzausgleich zwischen den einzelnen IS-Provinzen aufgebaut.
Prognose
Der Islamische Staat verfügt trotz Rückschlägen über schlagkräftige Milizen. Er ist die weltweite Herausforderung für Demokratien in den kommenden Jahrzehnten.
Jabhat al-Nusra (JaN)
Dies ist die syrische Filiale Al-Qaidas, auf die deren Chef Aiman az-Zawahiri großen Einfluss hat. Regional kämpft die JaN in Syrien dort mit dem IS zusammen, wo dies aus Sicht der Dschihadisten sinnvoll erscheint. An anderen Stellen bekämpfen sich beide Gruppen vehement. In diesem Sinne kooperiert die JaN auch mit der als gemäßigt geltenden Freien Syrischen Armee oder kurdischen Kampfgruppen – oder bekämpft sie. Ziel der JaN ist es, das Regime des syrischen Diktators Baschar al-Assad zu beseitigen und in Syrien einen am Salafismus ausgerichteten sunnitisch-islamischen Staat zu errichten.
Prognose
Die JaN wird sich in den kommenden Monaten spalten. Etwa die Hälfte der Kämpfer werden dem IS einen Treueeid schwören.
AQIM, AQAP, Boko Haram
Al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM)
Gegründet wurde die Gruppe 1998 unter dem Namen „Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf“ im Umfeld des algerischen Bürgerkriegs. 2007 änderte sie ihren Namen und schloss sich der Al-Qaida an.
Prognose
AQIM bleibt als Machtfaktor in Nordafrika erhalten und liefert sich in den kommenden Jahren einen blutigen Krieg mit den IS-Ablegern insbesondere in Libyen.
Al-Qaida auf der arabischen Halbinsel (AQAP) – früher Ansar al-Scharia
Die Terrorgruppe wurde im Januar 2009 vor allem von saudischen und jemenitischen Al-Qaida-Mitgliedern gegründet. Schnell schloss sich die Gruppe unter der Führung des US-Staatsbürgers Anwar al-Awlaki der Al-Qaida-Herzgruppe an. Dieser entwickelte vor allem Möglichkeiten, durch das Internet dschihadistische Anweisungen und Trainingshandbücher in englischer Sprache zu verbreiten. Einer der Attentäter von Paris im Januar 2015, Said Kouachi, hielt sich in einem Ausbildungslager der AQAP auf.
Prognose
Die Gruppe gewinnt innerhalb der Al-Qaida an Bedeutung, was die Planung und Ausführung von Terroranschlägen gegen den Westen betrifft.
Boko Haram
Die nigerianische Terrorgruppe wurde 2004 gegründet. Sie unterstellte sich am Wochenende dem Islamischen Staat. „Wir versprechen unsere Gefolgschaft und werden in schwierigen sowie in guten Zeiten Gehorsam üben“, sagte der Anführer der Boko Haram, Abubakar Shekau, in einer Audiobotschaft. Er rief alle Muslime der Welt auf, sich dem Bündnis anzuschließen.
Prognose
Boko Haram ist der Eckpfeiler des IS an der afrikanischen Westküste und damit an der Westgrenze des Kalifats. Die Gruppe gewinnt auch für den internationalen Terrorismus an Bedeutung.
