Gudrun Kohlruss und Reto R. Rosin haben das Publikum begeistert. Foto: Martin Bernklau

Im Augustinum gibt das Stuttgarter Operettenensemble sein prickelndes Neujahrskonzert, garniert mit allerlei selbstironischem Schabernack.

S-Nord - So ein kleines Schlückchen Sekt-Laune kann die paar Momente zu Silvester ja schon ein wenig verlängern. Zum Neujahrskonzert im Theatersaal des Killesberger Augustinums kam deshalb spritzige Musik aus jenem Genre auf die Bühne, das der anzüglichen Lust am Prickeln des Champagners gehuldigt hat wie kein anderes: Das Stuttgarter Operettenensemble gab am Donnerstagabend ein paar lockere und leckere Kostproben mit allerhand munteren Melodien der federleichten Muse, die überdauert haben.

Und die Musiker um die Sopranistin Gudrun Kohlruss, deren Tenor-Pendant Reto R. Rosin und den Arrangeur Andreas Kersten am Flügel führten im zweiten Teil sogar eine szenisch aufgepeppte Kurzversion einer „Nacht in Venedig“ von Johann Strauß Sohn vor. Soigniert und mit feinem Humor ohne pomadige Schlüpfrigkeit moderierte Winfried Roesner den Abend und gab die eine oder andere freche Vers-Weisheit von Erich Kästner weiter. „Wird’s besser?“, zum Beispiel.

Forscher Mut und schüchterne Zartheit

Vielleicht ist Carl Maria von Webers Klavier-Rondo „Aufforderung zum Tanz“ so eine Art Keimzelle für die Salonmusik. Sie verbreitete sich in unzähligen Fassungen zu jener Zeit, als in Paris, Berlin und Wien auch die Operette zu etwas ganz Eigenem wurde, die frivole kleine Schwester der Oper in ihrer goldenen Johann-Strauss-Zeit. Amüsement mit Stil. Zwischen forschem Mut und schüchterner Zartheit spielten die Streicher und Bläser Webers charmantes Werk auf der nuancierten Klaviatur dessen, was man inzwischen „Anbaggern“ nennt.

Die silberne Epoche der Operette prägte neben Franz Léhar und seiner Lustigen Witwe in Wien Emmerich Kálmán, dessen Cszárdásfürstin 1915 – also bereits im Kriege – ihre Uraufführung hatte. „Tanzen möcht’ ich, und mag die ganze Welt versinken“, sang das Paar im Duett. Gudrun Kohlruss fügte die Bravour-Arie „Heia, in den Bergen“ an, bei der sich nicht Tiroler Alpenjodeln, sondern ungarische Zigeunerklänge munter mit jiddischen Klezmer-Mustern mischen.

Zur selben silbernen Generation gehört Eduard Künneke. Der Musiker vom Niederrhein ließ seinen „Vetter aus Dingsda“, der in Berlin die Goldenen Zwanziger einsang, im nahen Holland spielen. Ob beim „Wandergesell“ oder dem „Strahlenden Mond“, die zu Schlagern wurden: Die beiden Sänger und das Ensemble ließen doch auch die Feinheiten dieser Musik hören. Selbst der 1975 hochbetagt gestorbene Robert Stolz, damals so etwas wie der Johannes Heesters unter den alten Operettenkomponisten, verstand bei seinem frechen Frauenhelden-Schlager „Ob blond, ob braun“, sein Handwerk noch aus der klassischen Tradition heraus.

Die schönsten Melodien aus „Eine Nacht in Venedig“

Zwischendurch huldigte Andreas Vogel solistisch seiner Oboe mit zwei hübschen Instrumentalsätzen des im vergangenen Jahr 91-jährig verstorbenen Kurt Rehfeld, der gerade auch mit seinen Stuttgarter Orchestern die Operetten-Traditionen lebendig hielt. Mit dem Champagner-Duett aus Johann Stauss’ „Fledermaus“ ging es zurück in die goldene Ära mit ihren besonders liederlich losen Liebessitten – und beschwingt in die Pause.

„Eine Nacht in Venedig“ gehört auch zu den Sternstunden der goldenen Operette und den Meisterwerken des Wiener Walzerkönigs, obwohl Strauss sein Stück 1883 ausgerechnet in Berlin erstmals über die Bühne gehen ließ. Akustisch war es nicht immer einfach. Aber einschließlich der Orchester-Ouvertüre und mit allerhand szenisch-selbstiroinschem Schabernack garniert, brachten Gudrun Kohlruss und Reto Rosin mit Andreas Kerstens Operettenensemble eine knappe Auswahl der schönsten Melodien ins Augustinum. Jeder mit jeder, ob arm oder reich – es gibt ja da in der nachtschwülen Lagune ein versumpftes Herumgeliebe unter dem Maskenschutz des venezianischen Karnevals. Der Tenor mit der Gondel-Arie, Lagunenwalzer, die Sopranistin in der übermütigen Trunkenheit, die instrumentale Polka „Leichtes Blut“ und das gemeinsame Finale: „Jetzt ist Zeit zur Lustbarkeit“. Und alle konnten dabei glänzen.

Nach dem begeisterten Beifall ging es als Zugabe noch mal in die etwas spätere silbrige Operettenzeit mit Emmerich Kálmáns „Gräfin Mariza“. Die Sopranistin Gudrun Kohlruss folgte so betörend willig, als Reto Rosin, der Baron Zsupán, mit schmeichelnder Tenorstimme aufs Land und auf sein Gut lockte: „Komm mit nach Varazdin, solange noch die Rosen blüh’n!“