In den Nächten an Wochenenden fährt die S-Bahn dreimal je Linie und Fahrtrichtung ab Foto: Leif Piechowski

Die politisch Verantwortlichen für die S-Bahn fanden sich ohne Nachtangebot immer etwas provinziell. Seit zwei Jahren gilt nur noch Berlin als besser. Und der Nachttakt wird dichter – zunächst im Dezember an Werktagen.

Stuttgart - Der Stuttgarter S-Bahn wird ja so einiges nachgesagt. Unpünktlich, zu selten im Einsatz, zu teuer sei sie, heißt es auch in Leserbriefen an unsere Zeitung immer wieder. Eines zumindest trifft seit zwei Jahren nicht mehr zu: dass das Nachtangebot einer Großstadt nicht würdig sei. Seitdem fährt die S-Bahn in den Nächten am Wochenende und vor Feiertagen gegen 2 Uhr, 3 Uhr und 4 Uhr gleich dreimal pro Linie und Richtung in die Nacht hinaus. „Das zum Fahrplanwechsel 2012/2013 etablierte Stuttgarter Nacht-S-Bahn-Angebot wird nur von der S-Bahn Berlin übertroffen“, attestierte das Verkehrswissenschaftliche Institut der Uni Stuttgart den gewählten Politikern der Regionalversammlung und dem Verband Region Stuttgart als Aufgabenträger der S-Bahn im vergangenen Jahr.

Tatsächlich haben die Nachtschwärmer der Bahn auch vom Start weg die Türen eingerannt. Während die im Jahr 2000 eingeführten Nachtbusse in die Region zuletzt etwa 4000 Fahrgäste pro Wochenende verbuchten, nutzten die Nacht-S-Bahnen schon bald nach dem Start rund 15 000 Menschen in beiden Nächten zusammen. „Die neuen Nacht-S-Bahn-Linien waren auf Anhieb Fahrgastmagnete“, sagt Jürgen Wurmthaler, Direktor für Infrastruktur beim Regionalverband. Und sind es im zweiten Jahr des Betriebs geblieben.

Allerdings stagnierte die Zahl der Fahrgäste bei einem leichten Plus von 0,4 Prozent im ersten Halbjahr 2014 nahezu. „Das ist aber durchaus normal, dass sich ein neues Angebot bis zum dritten Jahr konsolidiert“, sagt Thomas Hachenberger vom Verkehrsverbund Stuttgart (VVS). Sprich: Bis dahin kennen die Fahrgäste das Angebot und nutzen es oder auch nicht. Wollte man noch mehr Kunden in den Nacht-S-Bahnen, müsste man es speziell bewerben. Das hat umfangreich nur in der Startphase vor zwei Jahren stattgefunden.

Die jeweils rund 7500 Fahrgäste pro Nacht haben sich 2014 nicht mehr ganz so gleichmäßig verteilt wie zu Beginn. In der Nacht zum Sonntag nahmen die Fahrgastzahlen nach Angaben von Jürgen Wurmthaler im ersten Halbjahr 2014 um rund 6,5 Prozent zu. „In fast der Hälfte der Züge steigen zum Teil deutlich mehr als 300 Fahrgäste ein“, sagt Wurmthaler. Ein Zug hat 176 Sitzplätze. Auch die dritte Abfahrt am Sonntag gegen 4 Uhr werde immer stärker genutzt.

Im Gegensatz dazu wies der Trend in der Nacht zum Samstag nach unten. Stiegen bei der ersten Abfahrt rund zwei Prozent mehr Menschen ein, so steht laut Wurmthaler bei allen drei Abfahrten zusammen unterm Strich ein Minus von 6,1 Prozent. Da laut einer Sprecherin des Verbands bisher nur einzelne Stichproben genommen wurden, lasse sich daraus aber kein Trend ableiten.

Insgesamt bewerten die Regionalpolitiker die Situation als so positiv, dass der Spät- und Nachtverkehr in Zukunft noch besser werden soll. Vom kommenden Dezember an wird montags bis donnerstags gegen 1 Uhr eine zusätzliche S-Bahn pro Fahrtrichtung auf die Reise geschickt, wie es freitags und samstags bereits heute der Fall ist. Und im Dezember 2016 will die Regionalversammlung den Nachtverkehr an Wochenenden in einen echten Stundentakt von abends bis morgens verwandeln. Für beide Verbesserungen investiert die Regionalversammlung weitere rund 2,2 Millionen Euro jährlich. Die bestehende Nacht-S-Bahn kostet rund 1,6 Millionen Euro im Jahr.

Mit der Einführung der Nacht-S-Bahn haben auch die Landeshauptstadt und die VVS-Landkreise ihr Nachtbus-System umgebaut. Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) etwa, die seit 1990 Nachtbusse einsetzt, erschloss bisher abgehängte Stadtteile wie Hoffeld, Uhlbach oder die Rohrer Höhe. Sie verlor trotzdem knapp ein Vierteil ihrer Nacht-Fahrgäste an die S-Bahn, wobei das laut SSB-Sprecherin Susanne Schupp durchaus im Sinne des Unternehmens war: „Obwohl wir Gelenkbusse im Einsatz hatten, waren wir manchmal an der Kapazitätsgrenze“, sagt Schupp, „die Nacht-S-Bahn hat uns da Entlastung gebracht.“ In Stuttgart nutzen an den Wochenenden jetzt noch jeweils rund 2000 Fahrgäste die fünf Abfahrten auf zehn Nachtbus-Linien.

Mehr Fahrgäste verzeichneten die Landkreise, voran der Kreis Ludwigsburg, der die S-Bahn-Fahrgäste mit zwölf Buslinien in alle Teilorte mit mehr als 2000 Einwohnern weiterbringt. 59 Prozent mehr Fahrgäste gleich in den ersten sechs Monaten lautete die Bilanz. Im Kreis Böblingen verdoppelte sich die Anzahl auf manchen Linien. Im Rems-Murr-Kreis, wo es nur zwei Nachtbus-Linien gibt, setzt man wie im Kreis Esslingen (eine Linie) eher auf Linientaxis und Ruftaxis. Dies hatte in der Regionalversammlung ebenso für Verdruss gesorgt wie die Tatsache, dass in den Ruftaxis oft das VVS-Ticket nicht galt. Dies immerhin ist im Rems-Murr-Kreis – von einer Linie im Weissacher Tal abgesehen – behoben. Und auch im Kreis Esslingen könnte sich noch etwas ändern. „Die Kreise haben sich im ÖPNV-Pakt 2025 verpflichtet, die Angebote in den VVS-Tarif zu integrieren“, sagt VVS-Geschäftsführer Hachenberger, „das wird mit den Ausschreibungen der Busverkehre in den nächsten Jahren in Angriff genommen.“