Foto: Hörner

Servicepersonal weist Fahrgästen beim Umsteigen im Hauptbahnhof den Weg.

Stuttgart - Das befürchtete Chaos im Bahnhof infolge der Bauarbeiten für Stuttgart 21 ist vergangenen Samstag ausgeblieben. Zigtausenden S-Bahn-Fahrern, die zum VfB-Spiel oder zum Frühlingsfest strebten, gelang der ungewohnte Umstieg problemlos. Auch die Abfahrt der Fans funktionierte reibungslos.

Samstag, gegen 13 Uhr: Beim Nordeingang des Hauptbahnhofs, vor den Gleisen 2 und 3, weist eine elektronische Anzeigetafel auf die Fahrzeiten der S-Bahnen hin. Überall umsorgen S-Bahn-Mitarbeiter, sogenannte Reisenden-Lenker, die Fahrgäste. Es ist belebt, von einem Durcheinander jedoch kann keine Rede sein.

Die Menschen stehen in der großen Halle vor den Gleisen in Grüppchen zusammen. Die VfB-Fans mit ihren Schals in Vereinsfarben heben sich besonders ab. Rolf Schneider ist einer von ihnen. Mit sechs Gleichgesinnten ist er in Bietigheim in die S-Bahn-Linie gestiegen: "Es läuft bestens, die Durchsagen sind gut, und das Bahn-Personal hat alles im Griff", sagt er. Weil das Grüppchen vorsichtshalber mehr Zeit für die Anfahrt eingeplant hat, lockt noch eine andere Attraktion. Schneider: "Wir machen vor dem Spiel vielleicht noch einen Abstecher zum Frühlingsfest auf dem Cannstatter Wasen."

Drei VfB-Anhänger aus der Gegend von Mühlacker sind mit dem Zug gekommen und dann wie gewohnt zur S-Bahn gelaufen. Erst im Tiefbahnhof haben sie bemerkt, dass es anders als gewohnt zugeht. Sie tragen den Irrtum gelassen, denn die Vorfreude auf ihre Fan-Kneipe, wo sie sich auf das Spiel einpendeln wollen, überwiegt.

Die Schauspieler Sabine Bäuning und Reinhold Ohngemach sind mit ihren Rädern von Zuffenhausen zum Hauptbahnhof gefahren und wollen zur Zahnradbahn, mit der es beschaulich auf die Höhen gehen soll. In Feuerbach habe es mit der Beratung etwas gehapert, aber hier am Hauptbahnhof sei genügend Personal, lautet ihr Fazit.

Nächste Bewährungsprobe am 22. Mai

"Die Fahrgäste verhalten sich wie sonst auch", sagt einer der Fahrgästeberater. Eine Dreier-Streife der Polizei bestätigt frohgemut: "Alles verläuft bisher gut." Auch im Tiefbahnhof, wo nur noch die S-Bahnen vom und zum Flughafen verkehren, ist alles bestens. Rolltreppen und Aufzüge funktionieren, und am Fuße der Rolltreppe warten jeweils zwei dienstbare Geister mit Dauerlächeln und fragen die Fahrgäste, noch bevor sie ganz unten angekommen sind, nach dem Ziel der Reise.

Wer trotzdem die Fahrpläne studiert oder nur ein ratloses Gesicht macht, wird erneut angesprochen. Fest steht: Hier kommt niemand davon, ohne beraten worden zu sein. Eine ältere Dame aus München, die mit ihrer Reisetasche zum Flughafen fährt, ist beeindruckt: "Am Münchener Hauptbahnhof gibt's das nicht, da rennen S' von A nach B und von B nach A, und niemand sagt was."

Standortwechsel: Gegen 16.20 Uhr strömt kräftiger Regen in der Halbzeitpause auf die Mercedes-Benz-Arena. Wer, von den Güssen durchgeweicht, in der benachbarten Gaststätte des Polizeisportvereins Rast macht, erlebt am Bildschirm, wie der VfB mit zwei Treffern in Rückstand gerät. Mit Faustschlägen auf den Tisch macht ein Gast seinem Unmut Luft. Ergießt sich die miese Stimmung später über die dienstbaren Berater auf dem Bahnsteig? Keineswegs, der VfB hat mit zwei Toren zum Ausgleich einen Punkt geholt, und die Fans sind zufrieden.

Auch mit dem Service im Cannstatter Bahnhof: An Gleis 3 fahren Züge außerplanmäßig nach Tübingen, nach Esslingen, Kirchheim/Teck und Plochingen, von Gleis 1 geht's zum Hauptbahnhof. Es sind Langzüge, die zwischen 1400 und 1600 Fahrgäste fassen, und regelmäßig die Bahnsteige leer räumen. Außerdem haben wohl sehr viele Fußballfans den Rat der Bahn-Mitarbeiter beherzigt und die Stadtbahn genommen.

S-Bahn-Chef Hans Krause zeigt sich am Sonntagnachmittag zufrieden: "Die Planung war gut, und unsere Mitarbeiter haben einen tollen Job gemacht." Auch die folgenden sieben Umbauwochenenden bis Mitte Juli sieht Krause ausreichend vorbereitet. Am 22.Mai, wenn kein Feiertag ist, die Geschäfte geöffnet haben und zu Ausflüglern erstmals berufstätige S-Bahn-Nutzer hinzukommen, steht die nächste Bewährungsprobe auf dem Fahrplan.