Bildhauer sollen die gefällten Bäume in Skulpturen verwandeln Foto: dpa

Man hat für sie gebetet, man hat sie umarmt, man hat für sie gekämpft, man hat sie gefällt, man hat um sie geweint. Nun werden sie zu Kunstwerken, die Bäume aus dem Schlossgarten. Neun Bildhauer werden das Holz verarbeiten. Vor Publikum und unter freiem Himmel am Killesberg.

Stuttgart - Beinahe hätte man sie vergessen. Dabei waren sie doch so umkämpft. Mehr als zwei Jahre lagerte das Holz der 108 im Schlossgarten gefällten Bäume in der Stadtgärtnerei auf dem Fasanenhof und in Feuerbach im Wald. Manche werden verrotten, andere wurden nun verschenkt – so wie es Bürger in einem Forum beschlossen hatten. Sieben Bäume bekommt die Freie Kunstschule, Ateliers aus Sindelfingen, Leonberg und aus dem Elsass wurden bedacht. Eigentlich wollte auch die Stuttgarter Jugendhausgesellschaft einige Bäume für das Feriendorf Stutengarten: Kinder sollten daraus Möbel machen.

Doch weil es böses Holz und gutes Holz zu geben scheint, machte man einen Rückzieher. Eltern hatten sich beschwert, sie wollten nicht, dass ihre Kinder diese Bäume nutzen. Ganz im Sinne jener besonders hartnäckigen Parkschützer, die Patenschaften für die Bäume vergeben und auf ihrer Webseite über die Verwendung der gefällten Bäume gewettert hatten: „Künstler sollen die Schandtat veredeln, Eltern ihren Kindern ein Spielzeug bereiten, so wird die Schuld der Schuldigen auf die nächste Generation verteilt.“ Der Geschäftsführer der Jugendhausgesellschaft Sieghard Kelle sagt dazu: „Wir wollten den Kindern diesen Konflikt ersparen, deshalb haben wir anderes Holz verwendet.“

Für den Verein Geist und Geld war das kein Thema. Im Gegenteil. Der Konflikt ist ihr Konzept. Eben jener zwischen Geist und Geld. Seit jeher müssen hierzulande Schriftseller, Maler, Bildhauer, Denker barmen und leiden, ansonsten gilt ihre Kunst nicht als wahrhaftig. Wehe man verdient Geld damit, dann wittern Kritiker Verrat an der Moral, der Künstler biedere sich an, verkaufe sich. Dies spiegelte sich auch im Konflikt um Stuttgart 21 wieder. Nicht umsonst schwang sich Regisseur Volker Lösch zur Galionsfigur der Kritiker auf und redete von „korrupten Ministerpräsidenten“, „verlogenen Oberbürgermeistern“, sowie „inkompetente“ Parlamente und deren Vertreter. Nun sorgen diese „inkompetenten“ Politiker aber dafür, dass das Staatstheater mehr als 70 Millionen Euro im Jahr an Steuergeldern bekommt – auch Lösch wird davon bezahlt. Damit kommt es zum klassisches Dilemma: Wie wahre ich meine Unabhängigkeit? Dem begegnet man am besten, indem man einem früheren Stuttgarter Intendanten nacheifert und das Peymannsche Prinzip anwendet: Beiße die Hand, die Dich füttert.

„Es geht uns nicht darum, bei dem in die Jahre gekommenen Streit Position zu beziehen oder etwas aufzukochen“, sagt der Philosoph, Unternehmensberater und Wortpoet Matthias Gronemeyer, zweiter Vorstand von Geist und Geld, „uns geht es um die Frage: Was darf Kunst?“ Könne man diese Bäume verwenden? Dürfe man gar etwas Lustiges daraus machen? Die Künstler der Wagenhalle sagten dazu Nein. David Baur, selbst dort im Vorstand, hatte den Vorschlag gemacht, die Bildhauer an die Wagenhallen zu holen, doch „da gab es kein einheitliches Meinungsbild“. Sprich: Es erschien einigen zu heikel, vor allem wegen der Reaktionen der Gleichgesinnten. „Du kannst problemlos mit einem Stipendium der deutschen Bank nach China gehen“, sagt ein Stuttgarter Künstler, „aber wehe, du nimmst von der Bahn was geschenkt.“ Besonders subventionierte Künstler hätten sich gerne über den Protest gegen Stuttgart 21 positioniert. Sprich: Man muss als Kreativer dagegen sein. Denn im Umkehrschluss galt: Nur wer dagegen ist, kann wirklich kreativ sein. Und links. Und alternativ.

Genauso wie man andersherum sagte: Nur wer dafür ist, denkt an die Zukunft. Und ist fortschrittlich. David Baur waren und sind solche Einordnungen fremd. Er und manche Kollegen wollten die Freiräume nutzen, die die Umwälzung der Stadt durch Stuttgart 21 zwangsläufig auch ermöglichen. Gemeinsam mit Mitstreitern wollte er den Tunnel über der Wolframstraße Rosa streichen, das scheiterte an den Denkmalschützern, die darauf beharrten, das Grau immer Grau bleiben muss. Auch wenn der Tunnel wegen Stuttgart 21 abgerissen wird. Ein rosa Tunnel: Das hört sich albern an. Sollte aber sagen: Die Stadt gehört auch uns, den Bürgern. Und Künstler sollten dabei vorangehen. Ohne Berührungsängste.

Gronemeyer: „Wir wollen Kunst im öffentlichen Raum fördern und Diskussionen anregen.“ Deshalb seien die Künstler auch völlig frei in ihrem Tun. Baur: „Es gibt von Seiten der Bahn und der Stadt keinerlei Beeinflussung.“ Die Künstler könnten sich kritisch mit Stuttgart 21 auseinandersetzen oder auch „etwa Lustiges“ machen. Baur: „Wir haben versucht, ein breites Spektrum an Bildhauern zu finden“, die unter dem Motto „neun Baumstämme, neun Positionen, fünf Tage“ arbeiten.

Oliver Braig ist einer Bildhauer. Der Stuttgarter war am schwarzen Donnerstag im Park. Er sagt: „Natürlich ist das ein heikles Thema, mit dem Holz geht man anders um.“ Die Vorgeschichte habe Einfluss auf seine Arbeit, aber das Material dürfe man deshalb nicht stigmatisieren. „Es geht nicht mehr um dafür oder dagegen, das ist ein abgeschlossener Prozess“, sagt Braig, „es geht darum, einen Dialog anzuregen.“ Das werde sich auch in seiner Arbeit widerspiegeln. Deshalb sei es wichtig, dass die Aktion offen sei, dass man ins Gespräche komme. „denn daran hat es in Stuttgart zuletzt gefehlt.“

Infos zum Bildhauer-Symposium

Das Bildhauer-Symposium Gefällt, beginnt am heutigen Montag auf dem Parkplatz an der Parlerstraße 12. Neun Bildhauer werden Holz verarbeiten, das von den Stämmen der im Schlossgarten gefällten Bäume stammt. Das Publikum kann bis Freitag täglich von 14 bis 18 Uhr zuschauen. Es ist ausdrücklich erwünscht, mit den Künstler zu diskutieren. Die fertigen Arbeiten sind am Samstag, 13 September, von 16 Uhr an zu sehen.

Am Mittwoch, 10. September, gibt es um 18.30 Uhr eine Podiumsdiskussion an Ort und Stelle unter dem Motto „Von Menschen und Bäumen“. Dabei sollen die kontroversen Aspekte des Materials und die Rolle der Kunst in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen beleuchtet werden. Es diskutieren unter anderen Martin Körner, Vorsitzender der SPD-Gemeinderats-Fraktion, Michael Schmitt, Unternehmer und Sammler, sowie Künstler Thomas Putze.

Neben Putze sind die Bildhauer Oliver Braig, Michl Schmidt, Johann Wittchow und Thomas Diermann mit dabei. Alle fünf sind aus Stuttgart. Aus Berlin kommen Lena Schorno und Simea Menzel, gemeinsam Schnitzophren. Ebenfalls mit dabei sind Jo Winter, Andreas Welzenbach und Fürbringer und Moll, sie nennen sich die Weltanschauungsbeauftragten.