Riesige Leuchtreklametafeln prägen das Stadtbild von Bukarest. Foto: Gräfe

Rumäniens Hauptstadt ist kaputt, schön, unfertig und prächtig – eine Metropole im Aufbruch.

Der Regen ist Gift für die Stadt. Die Schlaglöcher füllen sich binnen Sekunden, die Gischt der monströsen Straße ergießt sich auf die Gehwege, Stilettos tippeln aus den Gefahrenzonen. Auf ihrem langen Weg durch Bukarest zeigt die Calea Victoriei, die Siegesstraße, ihre Narben, die verfallenen Fassaden und grauen Wände. Gift wäre jetzt auch die Sonne, die alles ausleuchtet. Bukarest braucht seine Weichzeichner – das Abendrot, die gedimmten Lichter der Nacht.

Aber auch im Nachmittagsregen zeigt sich das Versprechen, dass es einmal anders werden wird. Auf dem Weg durch die Altstadt sind prächtige Fassaden zu sehen, es gibt unzählige Cafés, die mit denen in Wien konkurrieren können, und hippe Läden. Dazwischen Erdwege und baufällige Hochhäuser. "In denen würde ich nicht einmal kostenlos leben wollen", sagt Hanno Höfer (43). Das letzte große Erdbeben im Jahr 1977 hat er miterlebt. Die Wände der Wohnung blieben stehen, die Inneneinrichtung nicht. Der Deutschrumäne zog mit seiner Familie nach Temesvar, bis er über diverse Umwege zum Filmstudium in die Hauptstadt zurückkehrte und die Produktionsfirma Mobra Films mit gründete. Wäre Bukarest ein Streifen, hätte er abrupte Wendungen und ein offenes Ende.

Filmreif ist das Caru’ cu bere, das berühmte Bierhaus der Stadt. Hierher lockt es sie alle, die Einheimischen, Zugezogenen und Touristen. Die Fenster sind bis in die Winkel bemalt, die Decken verziert, überall edles Holz. Ein riesiger Tresen steht mitten im lauten Raum, davor tanzt eine Gruppe in südrumänischer Tracht. Das Essen ist üppig, würzig, herzhaft und frisch – ein Landmahl, wie man es in Rumänien liebt. Ciorba, die saure Suppe. Gurken und Kraut als Antipasti. Die Polenta mit Ei, eingelegtes Fleisch. Welch Irrsinn, dass noch Mitte der 80er Jahre der Diktator Nicolae Ceausescu sein Volk auf Diät setzte: 1 Kilogramm Zucker, 1 Kilogramm Mehl, 100 Gramm Butter, 10 Eier, 5,5 Kilo Gemüse, 3 Kilogramm Obst, 3 Kilogramm Kartoffeln pro Person und Monat – nicht viel mehr. "Wir hatten Hunger", sagt Hanno. "Für uns war selbst die DDR ein Paradies."

Man kommt an der Vergangenheit nicht vorbei, wenn man mit offenen Augen an den abendlichen Cafés und Clubs vorbeispaziert, wo Porsche oder Mercedes vor den Eingängen parken. Woher haben die Besitzer das Geld? Warum hat schon die 21-Jährige mit den Glitzerringen einen attraktiven Posten? Die Seilschaften von früher wurden nie durchtrennt, der Geheimdienst Securitate ist personell noch immer im Dienst, eine vollständige Akteneinsicht über die Verbrechen von früher nicht möglich.