Ein Dirigent, der singt: Eliahu Inbal Foto: dpa

Eine männliche Stimme tönt am Donnerstagabend über das Radio-Sinfonieorchester des SWR (RSO) hinweg und in den Beethovensaal hinein. Ja, wirklich, der Dirigent singt – Eliahu Inbal.

Stuttgart - Da ist etwas, das nicht dazugehört: Eine männliche Stimme tönt am Donnerstagabend über das Radio-Sinfonieorchester des SWR (RSO) hinweg und in den Beethovensaal hinein. Ja, wirklich, der Dirigent singt. Am Pult steht Eliahu Inbal, der in den 1970er und 1980er Jahren erstmals mit Aufnahmen der Sinfonien Bruckners, Mahlers und Schostakowitschs auf sich aufmerksam machte. Jetzt dirigiert der 79-Jährige zum Auftakt der letzten RSO-Saison das monumentalste von Bruckners Orchesterwerken, die achte Sinfonie, und natürlich lässt er die Musiker jene erste Fassung dieses Werks spielen, die er einst selbst zur späten Uraufführung brachte. Diese Fassung kennt Inbal tatsächlich so gut, dass er sie mitsingen kann.

So wächst dem Authentischen etwas Rührendes zu: Da steht er, der alte Mann, und leitet jene spröde Ur-Version des Stücks, die in ihrer reduzierten Holzbläserbesetzung noch so unwagnerisch klingt, die schon am Ende des ersten Satzes die Faust ballt, deren Scherzo-Trio leicht zerfasert und die an vielen Stellen etwas deutlich Zerklüfteteres hat als die zweite und auch die dritte, gemischte Fassung.

Magische Momente entstehen dabei vor allem in jenen langen Steigerungswellen, deren kathedralische Klang-Wirkungen zu Bruckners Markenzeichen geworden sind. Vieles arbeitet das RSO sehr fein heraus: den flirrenden Klangteppich der Geigen im zweiten Satz, das rhythmisch markante Thema der Celli im dritten. Es ist vielleicht Eliahu Inbals größte Qualität, dass er die Ruhe aushält, aus der diese Musik ihre Kraft schöpft – sogar bei leicht kitschgefährdeten Zonen wie etwa den Harfen-Stellen im Adagio.

Dass dennoch manches hängt und längt, mag an der Urfassung liegen, ist aber auch einem kapellmeisterlichen Dirigieren geschuldet, das nicht immer zwingend die Spannung über Bruckners viele Brüche hinweg hält. Vielleicht fehlt hier die letzte Konzentration, vielleicht ist aber auch der Genuss des alten Meisters bei dem, was sein Kollege Nikolaus Harnoncourt einmal als „schöne Badestellen“ beschrieben hat, so groß, dass er einfach nicht mehr hinaus will aus der Flut der Klänge. Recht so!, findet das Publikum und klatscht ziemlich lange.