Italien: Berlusconi steht im Zentrum eines Sex-Skandals mit einem Harem junger Frauen.

Rom - Hat er oder hat er nicht? Diese Frage beschäftigt ganz Italien. Es geht wieder mal um Regierungschef Silvio Berlusconi und es geht wieder um einen potenziellen Sex-Skandal. Doch es geht auch um erhebliche Straftaten, wie die Anstiftung Minderjähriger zur Prostitution. Ein gravierender Vorwurf der Staatsanwaltschaft Mailand, die ihre Ermittlungsergebnisse auf 300 Seiten zusammen gefasst und dem Parlament in Rom überstellt hat. Am Wochenende wurde in einigen italienischen Zeitungen ein Teil des Inhalts dieser Dokumente bekannt.

Die Staatsanwaltschaft belegt ihre Vorwürfe gegen Berlusconi mit einer Vielzahl abgehörter Telefonate junger Frauen, die anscheinend Gäste in der Villa San Martino im norditalienische Arcore bei Mailand waren, Berlusconis Hauptresidenz. Einen ganzen Harem junger Frauen soll der italienische Regierungschef in seinen Mailänder Wohnungen gehalten haben. Für Geld, Schmuck und Wohnung seien die "ragazze" ("Mädels") zu heißen Nächten in der Villa des Premier eingeladen worden.

In den Telefonaten ist immer wieder die Rede davon, dass man nach den Abendessen, in Anwesenheit Berlusconis und höchstens zweier anderer Männer sowie rund 20junger Frauen, in eine unterirdische Disko gegangen sei. Dort hätten sich die Frauen erotische Kleidung anziehen müssen, um vor den Männern zu tanzen. Der italienische Bezeichnung für dieses erotische Tête-Õ-tête ist Bunga-Bunga und ging nach Enthüllungen zum Privatleben Berlusconis schon vor Monaten um die Welt. Nach dem Tanzen, so die abgehörten Telefonate, habe der Hausherr sich eine der Damen für die Nacht ausgesucht.

Partygirl als Stammgast in der Villa des Regierungschefs

Diese und die anderen Frauen, so wollen die Staatsanwälte erfahren haben, wären von einem engen Mitarbeiter Berlusconis noch in der Nacht oder am nächsten Morgen bezahlt worden. Die Frauen seien vom Veranstalter privater Feste, Lele Mora, und dem bekannten Fernsehjournalisten Emilio Fede, dem Chef von Berlusconis TV-Sender Rete4, rekrutiert worden - gegen ein großzügiges Honorar. Die Rede ist von bis zu 10.000 Euro pro Nacht.

Berlusconis Anwälte weisen darauf hin, dass der Regierungschef als so genannter "End-Nutznießer" sich in keiner Weise strafbar gemacht habe. Dem italienischen Recht zufolge ist eine Beziehung zwischen einer Prostituierten und einem Kunden straffrei. Wer allerdings zur Prostitution anstifte mache sich strafbar. Genau das werfen aber die Mailänder Staatsanwälte Berlusconi vor, schließlich habe er als Hausherr die Organisation der abendlichen Feste in Auftrag gegeben. Darüber hinaus soll sich Berlusconi mit minderjährigen Frauen vergnügt haben. Im Zentrum der Ermittlungen steht ein blutjunges Partygirl: Die heute 18-jährige Marokkanerin "Ruby Rubacuori" ("Ruby Herzensdiebe"), die bürgerlich Karima El Marough heißt, soll schon mit 17 zum angeblichen Harem Berlusconis gehört haben. Sie habe im vergangenen Jahr zahlreiche Nächte auf dem Luxus-Anwesen des Cavaliere verbracht, hieß es.

Die Brünette mit einer Vergangenheit auf der schiefen Bahn hatte schon 2010 für Aufregung gesorgt. Sie war im Sommer wegen Diebstahls festgenommen worden. Im Oktober platzte die Bombe, dass Berlusconi sie mit einem Anruf höchstpersönlich vor dem Gefängnis bewahrt hatte. Der Cavaliere soll damals der Polizei empfohlen haben, die Marokkanerin lieber einer Regionalabgeordneten seiner Regierungspartei anzuvertrauen, statt sie festzusetzen. Heute steht eben diese Abgeordnete Nicole Minetti unter dem Verdacht, den Mailänder Harem für Berlusconi kontrolliert zu haben.

Wer ist die Neue an der Seite Berlusconis?

Ruby und der Medienzar haben bisher bestritten, Sex miteinander gehabt zu haben. Die Ermittler halten Telefonmitschnitte dagegen, in denen sich Ruby anders äußert: "Er hat mir versprochen, mich mit Gold zu überschütten, wenn ich alles ableugne", zitieren Medien aus einem Gespräch des Mädchens mit einer Freundin. Sie habe fünf Millionen für ihr Schweigen gefordert. Ob das als Beweis ausreicht, ist jedoch fraglich.

Berlusconi verteidigte sich am Sonntagabend und ging mit einer Fernsehansprache auf seinen drei nationalen Sendern in die Offensive: Er habe seit der Trennung von seiner Frau Veronica Lario eine feste Freundin und noch niemals Sex gekauft, protestierte der 74-Jährige. Jetzt rätselt ganz Italien wer die neue Frau an der Seite des Premiers sein könnte. Berlusconi hüllt sich in Schweigen. Und viele haben den öffentlich gemachten Scheidungsgrund seiner Ex-Frau noch in den Ohren: Sie könne nicht mit jemand leben, der sich mit Minderjährigen treffe.

Die Tageszeitung "la Repubblica", die jeden Tag Insider-Informationen aus der Staatsanwaltschaft Mailand veröffentlicht, ist davon überzeugt, dass Berlusconi die Existenz dieser Frau erfunden habe, als Mittel zur Vorwärtsverteidigung. Dass er und dass seine Gäste von Staatsanwälten ausspioniert würden, erklärte Berlusconi am Montag, sei eines Polizeistaates würdig. Der Forderung der Staatsanwälte, sich vernehmen zu lassen, werde er deshalb in keiner Weise nachkommen.

Die Opposition fordert den Rücktritt des Regierungschefs, der, so Oppositionsführer Pierluigi Bersani, "aufgrund dieser Skandale unhaltbar geworden ist". Politiker der rechten Mitte sprechen sich dafür aus, dass Berlusconi sich den Staatsanwälten stellt. "Wenn er nichts zu verbergen hat", fragt Parlamentspräsident Gianfranco Fini, "warum hat er dann Angst vor ihnen?"