Sie liebt die neue Bühne auf dem Pragsattel: Mit der Show „Rosevue“ tritt die schwäbische Clownin Rosemie noch bis zum 6. Februar im Friedrichsbau Varieté auf Foto: Peter Palec

Wer immer nur daran denkt, wie er im Beruf noch höher auf der Karriereleiter steigt, wird nicht glücklicher, sagt Clownin Rosemie im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten.

Frau Warth, unsere Kanzlerin hat die schwäbische Hausfrau gerühmt. Hat Sie das gefreut, da Sie seit vielen Jahren der schwäbischen Hausfrau auf der Bühne ein Denkmal setzen?
Tut mir leid, diese Aussage ging an mir vorüber. Das hatte ich wahrscheinlich gerade etwas Besseres zu tun, etwa die Fenster putzen.
Angela Merkel sagte, hätte man die schwäbische Hausfrau früher gefragt, wäre die Finanzkrise vielleicht nie eingetreten.
Ich hätte mich gefreut, wenn man schon vor Jahren begriffen hätte, dass ein System nicht funktioniert, das die ganze Zeit über seine Verhältnisse lebt. Unsere Wirtschaft, die unsere Politik betreibt, hat doch gar kein Interesse am Sparen. Im Gegenteil: Unser komplettes System ist erkrankt und auch überkapitalistisch geworden. Unbegrenztes Wachstum funktioniert nur ein paar Jahre lang, bevor es explodiert und kollabiert.
Das hört sich nicht gut an. Aber vielleicht kann vor den Explosionen, von denen Sie sprechen, die Schwäbin mit ihren Vorzügen helfen.
Ich komm’ gar nicht dazu, zu denken, dass eine Schwäbin Vorzüge hat. In welcher Arroganz würde ich mich da bewegen.
Schwaben sind für Understatement bekannt.
Arroganz kommt aus Unsicherheit. Wir alle sind konditioniert durch unsere persönliche Umgebung, Erziehung, Bildung und Religion. All dies hinterlässt Vor- und Nachteile. Ich habe unterschiedliche Erfahrungen gesammelt im Schwabenland, abhängig von der Region oder der Person. Von klischeehaftem Denken möchte ich mich eher befreien. Ich habe mich nie mit „Schwabentum“ identifiziert oder mit einem Dorf, einem Verein oder einem Land. Ich identifiziere mich mit anderen Menschen auf der Erde.
Auf den ersten Blick ist Ihre Bühnenfigur verklemmt, aber dann wird sie zum wilden Tier. Was löst den Wandel aus?
Der Wandel ist das Konzept des Clowns, den ich an Hand meiner Figur verkörpere. Als Clown und Komiker arbeite ich mit Überraschungen, das heißt, ich spiele mit dem Unerwarteten und lebe Dinge auf der Bühne aus, mit denen das Publikum nicht rechnet und sich vielleicht nicht traut, dies zu leben.

„Der Ehrgeiz füttert meist nur die Illusion“

Ihre Rosemie auf der Bühne ist zurückhaltend, poetisch, nicht so wichtigtuerisch. Solche Menschen sind sympathischer, aber die Wichtigtuer setzen sich oft im Leben besser durch.
Ja, das ist auf jeden Fall ein Thema in unserer Gesellschaft, vor allem heute, wo das Tempo so rasend zunimmt und das Angebot sich überschlägt in allen Richtungen. Da zählt immer mehr: der Lauteste gewinnt, der sich am besten vermarkten und verkaufen kann.
Man sollte also lieber laut als leise sein?
Da muss jeder für sich schauen, was er eigentlich will, was ihm wichtig ist im Leben. Denn man bezahlt auch viel für diesen Ehrgeiz, der meist nur die Illusion füttert: „Oh, wenn ich das erreicht habe, dann bin ich etwas wert oder dann bin ich es wert, geliebt zu werden.“ Vielleicht sollte man das Ganze hinterfragen. Will man denn überhaupt an der Spitze sein? Dass jeder an der Spitze ist, geht ja sowieso nicht. Aber wie viele sind unglücklich deswegen, weil es jemand gibt, der noch besser oder noch klüger ist und der am Schluss noch besser stirbt.
Bei diesem Wettstreit machen Sie nicht mit?
Ich empfinde es als eine große Erleichterung, damit zufrieden zu sein, was man hat, wo man steht und vor allem dafür auch dankbar zu sein. Ich bin genauso glücklich, wenn ich etwas gekocht habe, das meinem Mann, der Italiener ist, dermaßen schmeckt, dass ich seine Augen zum Leuchten bringe – das ist für mich genauso großartig, wie wenn einen tollen Auftritt hatte.
Sie leben mit Ihrem Mann in Heidelberg. Wie schwer ist das für eine Schwäbin?
Überhaupt nicht, denn ich kenne diesen „Schwaben-Badener Krieg“ gar nicht, der immer noch von einigen gehegt und gepflegt wird. Was das bringen soll, verstehe ich nicht. Meine Mutter kommt aus dem Schwarzwald, mein Vater aus Oberschwaben, und wir sind aufgewachsen mit der Operette „Schwarzwaldmädel“, in der es heißt: „Mädel aus dem Schwarzenwalde sind nicht leicht zu haben – nur ein Schwabe hat die Gabe.“ Scheinbar ist diese Operette in Vergessenheit geraten. Ich werde die Wiederaufnahme am Theater vorschlagen. Vielleicht hilft sie ja im Zeitalter vom heutigen Europa, endlich mal größer zu denken und Grenzen auch im Hirn zu überwinden.
Wie lange dauert es am Abend, bis Sie in Ihre Rolle mit Dutt ind Hornbrille hineinfinden?
Privat trage ich keinen Dutt und keine Hornbrille aus den 1960ern. Privat läuft ein Clown meist nicht mit der roten Nase und mit Schminke durch die Welt. Zwei Stunden vor der Show bin ich im Theater, mache mir einen Tee, führe Gespräche mit meinen Kolleginnen und Kollegen, mache mich warm und dann brauche ich noch etwa 30 Minuten zum Schminken. Die initiale Zündung für meine Figur ist der Moment, in dem ich in meine Schuhe steige und der Vorhang aufgeht. Dann bin ich nur noch Rosemie.

Rosemie schwärmt für die neue Bühne auf dem Pragsattel

Rosemie scheitert, um aufzusteigen. Geben Sie schon Workshops für Manager?
Dieses Feld überlasse ich meinem wunderbaren Bruder Johannes Warth, der sehr erfolgreich als Redner und „Überlebensberater“ unterwegs ist. Ich sehe meine Stärke eher darin, den Menschen im Varieté ein paar Stunden Freude zu geben und in meinem Solo-Abend sehe ich mich als Dosenöffnerin der Herzen, in der Hoffnung, manche Leute zu berühren, zu bewegen, zum Lachen zu bringen - am besten über sich selbst.
Sie haben den Kleinkunstpreis des Landes gewonnen. Ist Rosemie danach gewachsen?
Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass meine Arbeit Anerkennung findet. Ich bin sehr dankbar darüber. Das lässt mein Vertrauen in mich vielleicht etwas wachsen. Was vor allem gewachsen ist, sind die Anfragen nach meinem Solo-Abend.
Wie bei allen guten Clowns liegen bei Ihnen Tragik und Komik dicht beieinander. Was überwiegt bei der privaten Rosemie Warth?
Trauer ist mir sehr vertraut, aber dank viel innerer Arbeit überwiegt immer mehr die Freude am Leben und die Dankbarkeit über all das, womit ich täglich beschenkt werde.
Sie sind schon im alten Friedrichsbau aufgetreten. Wie gefällt Ihnen das neue Theater?
Im neuen Haus steckt sehr viel Potenzial. Die Vorder- und Hinterbühne haben sich sehr optimiert. Wichtig ist, dass die Stuttgarter dem neuen Haus offen gegenüber sind und sich auf etwas Neues einlassen. Wir halten alle gern am Alten fest und tun uns schwer mit Veränderungen. Dabei vergessen wir dann gerne oft die Vorteile wahrzunehmen.
Was sind die Vorteile im neuen Haus?
Was so schön zu beobachten ist: Die Gäste bleiben oft nach der Show im Saal sitzen, da sie sich etwa am Tisch kennen gelernt haben. Dies war früher nicht der Fall. Man kann jetztrichtig lecker essen und hat mehr Platz an den Tischen im Vergleich zu früher.
Die Show „Rosevue“ mit Rosemie wird bis zum 6. Februar im Friedrichsbau gespielt. Karten unter Telefon 0711 / 2 25 70 70.