Richard Thompson Foto:  

Der Mann scheint nicht zu altern – und seine Musik lebt mit ihm. Richard Thompson war gerade einmal 18 Jahre alt, als er in seiner ersten Band spielte, sie hieß Fairport Convention. Nun ist er 66. Am Montagabend gab der Sänger, Songwriter und Gitarrist ein großartiges Konzert im Stuttgarter Theaterhaus.

Stuttgart - Drummer Michael Jerome zählt den Song ein – „One, two, three, four“ –, und schon setzt die Gitarre ein, mit einem mächtigen Riff. Aber es dauert nur Sekunden, bis Richard Thompson diesen engen Pfad verlässt, und jeder weiß: Er kann noch zaubern.

Seit je ist er einer, der gerne aus engen Bahnen ausbricht. Fairport Convention spielten Folk-Rock ganz im Geist der späten 1960er, die akustische Gitarre dominierte – wunderbare Songs, virtuos gespielt, meist weiblicher Gesang. Richard Thompson verabschiedete sich 1971, begann eine sehr wechselhafte Solokarriere, blieb dem Folk treu, ließ auch härtere Klänge zu, experimentierte mit Avantgardisten wie Fred Frith und Henry Kaiser.

Unter eigenem Namen hat Thompson mehr als 30 Alben veröffentlicht, sein jüngstes, „Still“, im Sommer, ein kantiges, kraftvolles Alterswerk. Vier Stücke daraus spielt er im Theaterhaus. Das erste des Abends, „All Buttoned Up“, ist rhythmisch mitreißend und wirkt auf der Bühne harscher, schärfer als in der Studioversion. In „Beatnik Walking“ dann erzählt Thompson mit leichtem, unbeschwertem Fluss von Amsterdam, von Spaziergängen und Erinnerungen.

Seine Virtuosität ist verblüffend beiläufig

Gespickt ist es, wie jeder seiner Songs, mit perfekten Einsätzen der Gitarre, kleinen Kunststücken, Momenten verblüffend beiläufiger Virtuosität –mal komplex aufgebaute, überraschende Läufe, mal nur ein Akkord oder ein Ton, im richtigen Moment richtig angeschlagen. „Take A Heart“, die letzte Zugabe des Abends, ist das Beispiel: Richard Thompson singt mit grollendem Schmerz vom brechenden Herzen, und jeder Schlag auf die Saiten scheint an der Schraube noch einmal zu drehen.

Zu den Klassikern des gebürtigen Londoners Thompson gehört „Al Bowlly’s In Heaven“ von 1986, dunkle Zeiten Großbritanniens beschwört er da herauf, die so lange nicht zurückliegen: „We all loved Margaret Thatcher“, sagt der Mann mit der Gitarre grimmig. Sein Song erzählt von einem Hobo, einem Veteranen, der auf den Straßen seiner Stadt lebt und sich erinnert an Zeiten, in denen er mit Respekt behandelt wurde. Das Stück ist ein dunkler, filigraner Blues; Michael Jerome spielt mit den Handflächen, Bassist Davey Faragher gibt ein Solo.

Traumhaft tanzen seine Pickings

Jerome und Faragher, die Richard Thompsons Electric Trio ergänzen, sind Amerikaner, gesuchte Session-Musiker. Faragher gehörte zur ersten Formation von Cracker, der Band, die David Lowery nach der Auflösung von Camper van Beethoven gründete, Jerome war auf Alben und Tourneen von John Cale zu hören. Nun wiegt sich der Bassist unter seinem kleinen Hut lässig, cool und voller Freude, spielt mit großer Beweglichkeit und immer unaufdringlich präsent. Jerome schwebt über der Gruppe – sein Schlagzeug steht auf einem Podest, er platziert mit leichter Hand, scheinbar im Fluge, Wirbel und wuchtige Schläge auf Becken und Trommeln. Fast sieht es so aus, als würde er abheben über ihnen.

Mit dem Electric Trio hat Richard Thompson eine Formation gefunden, die seine Musik kräftig, druckvoll und mit Spielfreunde in Szene setzt, eine Band, die scheinbar alles kann: schmutzig klingen, laut und hinreißend melodisch. Aber Thompson greift auch zur akustischen Gitarre an diesem Abend, spielt mit traumhaft tanzenden Pickings „Meet Me On The Ledge“ von 1968 oder „Vincent Black Lightning 1952“, seine Motorradballade von 1991.

Und der Song „Guitar Heros“ hält, was er verspricht: Als wäre das gar nichts, lässt Richard Thompson alle seine Helden wieder auferstehen, ein Medley der Gitarrenstile aus den frühen Jahren.