Der Freiburger Regierungspräsident Julian Würtenberger Foto: dpa

Landesregierung will die Regierungspräsidenten in den einstweiligen Ruhestand versetzen.

Stuttgart - Winfried Kretschmann versuchte, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Ob es wirklich so komme, dass die Landesregierung demnächst die Köpfe der vier Regierungspräsidenten fordere, wurde der Ministerpräsident dieser Tage gefragt. Kretschmann stutzte kurz und meinte trocken: „Die Regierungspräsidenten werden lebend aus dem Amt scheiden.“ Was auf den ersten Blick wie ein netter Witz erschien, entpuppt sich als harte Realität. Denn Grün-Rot lässt keine Zweifel mehr daran, die vier Regierungspräsidenten Johannes Schmalzl (Stuttgart), Hermann Strampfer (Tübingen), Julian Würtenberger (Freiburg) und Rudolf Kühner (Karlsruhe) auszutauschen. „Das haben wir gemeinsam beschlossen“, betont Kretschmann. Nur der Zeitpunkt ist noch offen. Alles deutet inzwischen darauf hin, dass spätestens im Mai oder Juni, wenn der Karlsruher Behördenchef Kühner mit 59 Jahren in den vorgezogenen Ruhestand gehen will, der Auswechslungsprozess beginnt.

Beim Koalitionspartner SPD ist man über den Vorstoß des Ministerpräsidenten irritiert. „Da war er vielleicht etwas voreilig“, hieß es am Mittwoch aus der SPD-Führung, man müsse „einen vernünftigen Weg gehen“. Nach Informationen unserer Zeitung hatten sich am Dienstagabend die Spitzen der Koalition im Staatsministerium zu einem vertraulichen Gespräch über aktuelle Themen getroffen. Bei Käseplatte und Rotwein ging es dabei auch um die Regierungspräsidenten. Und alle waren sich einig, dass man die Debatte nicht über Monate hinweg führen dürfe, sondern zeitnah handeln müsse. Die Gefahr sei sonst groß, dass der Eindruck entsteht, die Landesregierung setze vier Spitzenbeamte ohne Not auf die Straße.

Regierungspräsidenten sind politische Beamte

Kretschmann ficht das nicht an. Die Regierungspräsidenten seien politische Beamte, und da gebe das Beamtengesetz nun mal die Möglichkeit, sie „jederzeit und ohne Begründung in den einstweiligen Ruhestand versetzen zu können“, wenn sich deren Ziele und Ansichten nicht mit denen der Regierung decken. Im vorliegenden Fall ist das aus Sicht der Regierung der Fall. Schmalzl (46) gehört zur FDP, seine beiden Kollegen Strampfer (59) und Würtenberger (54) sind im Lager der CDU verortet, nun Kühner ist parteilos. Aus alledem ist ersichtlich: Keiner der vier Behördenchefs hat ein Parteibuch von SPD oder Grünen. Fakt ist aber: Die Koalition will die Chefsessel der Mammutbehörden – allein das Regierungspräsidium Stuttgart hat rund 2700 Mitarbeiter – dazu nutzen, um eigene politische Vorhaben voranzutreiben.

In den Regierungspräsidien selbst wird die Debatte mit Kopfschütteln verfolgt. „Bisher ist niemand bei uns über den weiteren Fahrplan unterrichtet worden. Das ist ein ganz schlechter Stil“, heißt es übereinstimmend in den Führungszirkeln. Offenbar nehme es die Regierung mit ihrer „Kultur des Gehörtwerdens“ an dieser Stelle nicht besonders ernst. „Wir machen keine politische Arbeit, sondern vollziehen Gesetze der Landesregierung. An unserer Loyalität mangelt es nicht“, sagt ein Spitzenbeamter.

Boris Palmer will Regierungspräsidenten im Amt lassen

Besonders pikant: Sowohl der Tübinger OB Boris Palmer als auch sein Freiburger Kollege Dieter Salomon (beide Grüne) setzen sich dafür ein, die Regierungspräsidenten im Amt zu belassen. Zudem gibt es Bündnisse von Landräten und Oberbürgermeistern, die den Ministerpräsidenten davor warnen, mit der Auswechslung der Behördenchefs ein falsches Signal zu setzen. Und Steffen Bilger, CDU-Chef im Bezirk Nordwürttemberg, meint: „Die Regierungspräsidien sind ein wichtiger Mittler zwischen dem Land und den Kommunen und nicht einfach der Spielball grün-roter Allmachtsfantasien.“ Tenor aller Protestnoten: Die Zusammenarbeit mit den Regierungspräsidien verlaufe über alle Parteigrenzen hinweg reibungslos.

Allein, für Grün-Rot ändert das nichts. Die Verteilung ist schon geregelt: Die SPD erhält die Chefsessel in Karlsruhe und Tübingen, die Grünen die Präsidentenstühle in Stuttgart und Freiburg. Der Hinweis von Insidern, Grün-Rot breche mit alten Traditionen, immerhin sei die Karlsruher Regierungspräsidentin Gerlinde Hämmerle (SPD) im Jahr 1996 nach dem Ende der Großen Koalition noch weitere neun Jahre von der CDU-FDP-Regierung im Amt belassen worden, werden dabei von Grün-Rot nicht akzeptiert.

So oder so: Der Rauswurf der vier Behördenchefs wird teuer für das Land. Das Gesetz sieht vor, dass ein in den einstweiligen Ruhestand versetzter Regierungspräsident drei Monate seine vollen Bezüge in der Gehaltsklasse B 8 – monatlich rund 9200 Euro – erhält. Danach bekommt er für maximal zwei Jahre ein monatliches Ruhegehalt von 6500 Euro, gefolgt von der regulären Beamtenpension – sofern er nicht eine neue berufliche Aufgabe angetreten hat und die Bezüge verrechnet werden. Die Regelung des einstweiligen Ruhestands hat im Beamtendeutsch jedenfalls einen unmissverständlichen Spitznamen: „Der goldene Spazierstock“.