Die Wirtschaft befürchtet, dass die geschäftsführende Kanzlerin nur noch über begrenzte Möglichkeiten verfügt. Foto: dpa

Wirtschaftsvertreter aus Baden-Württemberg reagieren auf das Jamaika-Aus enttäuscht. Gesamtmetall fordert von der SPD Gesprächsbereitschaft.

Berlin - Die deutsche Wirtschaft hat auf das Scheitern der Jamaikasondierung enttäuscht reagiert. „Wirtschaftliche Stabilität braucht politische Stabilität“, sagte Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Dass die Verhandlungen ergebnislos abgebrochen worden sind, sei „absolut unbefriedigend“.

Ähnlich äußerte sich auch Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. „Unser Land und Europa stehen vor großen Herausforderungen, die Handlungsfähigkeit erfordern.“ Er appellierte an die Parteien, sich auf ihre staatspolitische Verantwortung zu besinnen. Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), sprach von vertanen Chancen: „Für die deutsche Wirtschaft ist das Scheitern besonders ernüchternd, denn wir hatten auf das Aufbrechen von Blockaden gehofft.“ Das gelte etwa für die Zuwanderungspolitik, die Energiepolitik und die Digitalisierung. Es bestehe die Gefahr, dass die Arbeiten an Zukunftsthemen auf lange Zeit verzögert würden. Das sieht auch der Deutsche Bauernverband so. Er kritisiert, dass die Phase der politischen Unsicherheit andauern wird. Dies gehe auch zulasten der Landwirtschaft, die auf klare Rahmenbedingungen angewiesen sei. Europa wartet auf Deutschland, so der Verband mit Blick auf Entscheidungen in der gemeinsamen Agrarpolitik.

Einzelne Verbände zeigen Unverständnis für die Entscheidung der SPD, die eine Regierungsbeteiligung ablehnt und auf Neuwahlen dringt. Deutliche Worte fand der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall – Rainer Dulger sagte: „Die SPD darf sich nicht weiter verweigern und muss deutlich sagen, was sie will.“

Unzufrieden ist die Wirtschaft, weil eine geschäftsführende Regierung keine großen Gesetzesvorhaben und Reformen auf den Weg bringt. Die Wirtschaftsverbände appellierten an die Parteien, erneut das Gespräch zu suchen – und sich auch kompromissbereit zu zeigen.

Besorgt zeigte sich auch die baden-württembergische Wirtschaft. Rainer Reichhold, Präsident des Baden-Württembergischen Handwerkstages, sagte: „Ein politischer Stillstand wäre fatal für den Wirtschaftsstandort und damit auch für das Handwerk.“ Wichtige Baustellen wie Steuern, Energiewende und digitale Infrastruktur gerieten ins Stocken, wenn es auf Neuwahlen hinausläuft. Reichhold übte Kritik an den Sondierungen in Berlin: „Sich auf einem Balkon in Szene zu setzen liefert mediales Futter, hat aber nichts mit politischer Verantwortung zu tun.“ Enttäuscht zeigte sich auch Majorke Breuning, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart: „Bei vielen Unternehmen dürfte das Scheitern der Sondierungsgespräche für Verunsicherung sorgen. Es leidet auch das Vertrauen in die Politik, von der Wirtschaft und Gesellschaft tragfähige Kompromisse für verlässliche wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen erwarten.“

Gewerkschaften vermissen Grundverständnis

Unzufrieden sind ebenfalls die Gewerkschaften – etwa die IG Metall. Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, sagte: „Die gescheiterte Sondierung hat gezeigt: Es gibt kein politisches Grundverständnis darüber, wie die Transformation in eine digitale Gesellschaft gerecht gestaltet werden kann. Das ist fatal, da gesellschaftlicher Zusammenhalt und Demokratie auf dem Spiel stehen. Wir brauchen bei Bildung, Klima und sozialer Sicherheit keine Trippelschritte der Politik.“ Es seien vielmehr spürbare Schritte gefordert. Sprecher der Unternehmen Bosch, Daimler, Trumpf und EnBW erklärten dagegen, es sei zum jetzigen Zeitpunkt zu früh, um sich zu den Auswirkungen der Koalitionsverhandlungen zu äußern.