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Man nennt Ralph Siegel (68) nicht umsonst Mr. Grand Prix. Auch in diesem Jahr tritt der Mann, der Dschinghis Khan erfand und 1982 mit dem Lied „Ein bisschen Frieden“ siegte, wieder beim Grand Prix an, der inzwischen Eurovision Song Contest (ESC) heißt.

Man nennt Ralph Siegel (68) nicht umsonst Mr. Grand Prix. Auch in diesem Jahr tritt der Mann, der Dschinghis Khan erfand und 1982 mit dem Lied „Ein bisschen Frieden“ siegte, wieder beim Grand Prix an, der inzwischen Eurovision Song Contest (ESC) heißt.
 
Stuttgart - Herr Siegel, Sie treten dieses Jahr im dänischen Kopenhagen erneut für San Marino an. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?
Schwer zu sagen. Wir haben eine sehr anspruchsvolle Ballade geschrieben, aber es sind viele Balladen am Start. Und das erste Halbfinale, das am 6. Mai stattfindet, ist mit Schweden, Armenien, Aserbaidschan, Belgien und Ungarn stark besetzt, nicht zu vergessen Russland und die Ukraine. Da bleibt nicht mehr viel Platz. Das Problem ist, dass sich die Länder gegenseitig rein oder raus wählen. Würden bereits im Semifinale alle teilnehmenden Länder abstimmen, würde wohl ein anderes Ergebnis rauskommen – aber das sind eben die Regeln.
Was halten Sie von der Konkurrenz?
Die Konkurrenz ist bei 37 Ländern groß, vor dem Finale werden viele Favoriten erkoren. Dies liegt auch an teuren und gut gemachten Videos, die im Internet die Runde machen. Armenien hat meines Erachtens eines der besten Videos produziert. Das trägt dann natürlich erheblich zur Popularität bei den Wettbüros und Umfragen bei.
Gefällt Ihnen der deutsche Beitrag?
Ich finde die Mädchen von Elaiza sehr erfrischend. Die haben mir beim Vorentscheid in Köln am besten gefallen. International gesehen wird es natürlich weitaus schwerer, da kommen starke Sänger und Songs, und man muss vieles mit anderen Maßstäben messen.
Wie sehr schmerzt es Sie, dass Ihre Lieder von deutscher Seite oft verschmäht wurden?
Es schmerzt nicht nur mich, sondern auch all die guten Künstler, die mit mir gearbeitet haben und dann – warum auch immer – nicht mal die Chance hatten, in einer Vorentscheidung aufzutreten. Nach all den Erfolgen, die ich für Deutschland eingefahren habe, ist das schon mehr als unverständlich, aber solange hier keine neutrale Bewertung stattfindet und die Schallplattenindustrie sich ihre Künstler und Lieder selbst in die Sendung wählt, haben Außenstehende kaum Chancen. Umso mehr gönne ich es Elaiza. Das sind die Einzigen, die auf fast neutralem Einreich-Weg in die Sendung kamen und dann vom Volk gewählt wurden.
Sie treten in diesem Jahr zum 22. Mal mit einer eigenen Komposition an, ein weiteres Mal waren Sie als Produzent vertreten. Was treibt Sie nach all den Jahren noch an?
Es gibt so viele positive Seiten, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. In meinem Alter muss man immer wieder Ziele im Auge haben. Dieser Wettbewerb hält mich sozusagen am Leben. Er kostet aber auch viel Zeit, Schaffenskraft und leider auch Geld, und es gehört eine starke Liebe zum Beruf dazu, um sich auf diesen schweren Wettbewerb professionell vorzubereiten. Außerdem ist es das schönste Gefühl der Welt, wenn man für einen Künstler und ein Land eine kreative Arbeit abliefern darf, die in ganz Europa gehört und gesehen wird. Darum verlangt man das Maximum von sich selbst, auch wenn man sich dabei manchmal verrennt.
Wie gefallen Ihnen die Sieger der letzten Jahre?
Ich fand Alexander Ryback und „ Fairytale“ grandios und besonders „Euphoria“ von Loreen. Auch das Siegerlied von Emmelie de Forest vom letzten Jahr hat mir gut gefallen.
Welche Zutaten braucht es für einen Hit?
Da gibt es keine Norm. Aber es gehört schon eine gewisse Originalität dazu, um ganz große Erfolge zu feiern. Und gute Interpreten. Ausgefallen und auffallend waren die meisten ESC-Sieger wie „Waterloo“, „Puppet On A String“ oder „Ein bisschen Frieden“, aber auch die Choreografie kann zum Erfolg beitragen, wie zum Beispiel bei den Interpreten Bucks Fizz und Russlana. Bei „Dschingis Khan“ war scheinbar alles richtig, denn obwohl der Song 1979 in Jerusalem nur Vierter wurde, ging er um die Welt.
Wie beurteilen Sie die Lage des Schlagers?
Positiver als vor ein paar Jahren. Es hat sich gezeigt, dass gut gemachter Schlager nicht totzukriegen ist. Wenn Helene Fischers „Farbenspiel“ bei der Echo-Verleihung 2014 als „Album des Jahres“ und somit als das „meistverkaufte“ gefeiert wird, fängt auch die Industrie wieder an, in deutsche Künstler zu investieren. An Helene Fischer und Andrea Berg sehen Sie, dass die Leute deutsche Lieder lieben. Es ist die Sprache, in der wir leben und agieren. Gott sei Dank fangen die Radiosender wieder an, auch deutsche Songs zu spielen. Das war ja bis auf ein paar Rockstars in den letzten Jahren fast verpönt. Kritisch ist die Lage aber immer noch, denn die Verkäufe sind dramatisch gesunken, und die Situation mit Downloads und Raubkopien hat alles noch verschlimmert. Die Erträge sind im Verhältnis zu den Kosten einer Produktion zu gering. Das bedeutet, dass immer weniger gute Produkte entstehen. Billiges Computergeklimper reicht auf Dauer nicht, denn gute Musik braucht gute Musiker. Und die müssen davon leben können.