Auch in Teilen der Weberstraße sollen nach vorläufigen Planungen Bordellbetriebe zugelassen werden Foto: Leif Piechowski

Mit Infografik - Die Proteste der Anwohner gegen die illegale Prostitution in der Altstadt zeigen Wirkung. Die Stadtverwaltung will bis zum Herbst ein Konzept ausarbeiten, dass die Bordellbetriebe auf einen bestimmten Bereich in der Altstadt beschränkt. Die Idee stößt allerdings auch auf Kritik.

Die Proteste der Anwohner gegen die illegale Prostitution in der Altstadt zeigen Wirkung. Die Stadtverwaltung will bis zum Herbst ein Konzept ausarbeiten, dass die Bordellbetriebe auf einen bestimmten Bereich in der Altstadt beschränkt. Die Idee stößt allerdings auch auf Kritik.

Stuttgart - Bislang fasste die Politik das Thema Prostitution nur mit spitzen Fingern an. Mittlerweile sind illegale Bordelle und illegaler Straßenstrich im Bohnen- und Leonhardsviertel in der Altstadt so zum Reizthema geworden, dass die Stadt nicht länger wegschauen kann. Immerhin haben die Bewohner rund ums Leonhardsviertel die Stadt mit 300 Unterschriften aufgefordert, gegen illegale Prostitution anzugehen. Mit gut 1600 Unterschriften protestierten Bürger gegen den Verkauf von drei Häusern im Rotlichtviertel durch die Stadt an die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG). Und rund 100 Bürger haben bei der Podiumsdiskussion „Die bedrohte Altstadt“ in der Veranstaltungsreihe Mittendrin der Stuttgarter Nachrichten ihrem Ärger über die Situation Luft gemacht.

 Geplanter Bordellbezirk

Nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten soll nun Ende des Jahres dem Gemeinderat ein Konzept zur Regulierung der Prostitution vorgelegt werden. Bislang sieht das Papier vor, dass die Sexbetriebe links die Leonhardstraße hoch und links die Weberstraße runter konzentriert und in anderen Bereichen ausgeschlossen werden. Auslöser für die Überlegung, ein Klein St. Pauli im Leonhardsviertel zuzulassen, ist die Vorlage zur Vergnügungsstättensatzung, die das Lörracher Stadtentwicklungsbüro Acocella im Auftrag der Landeshauptstadt erstellt hat. Anders als Discotheken, Spielhallen, Tabledance-Bars und Swingerclubs sind Bordelle zwar keine Vergnügungsstätten, sondern Gewerbebetriebe.

Quasi als Nebenprodukt der Überlegungen zur Vergnügungsstättensatzung fielen auch Ideen für den Bordellbereich ab. „Wenn man akzeptiert, dass es Prostitutionsbetriebe gibt, ist es meiner Meinung nach sinnvoll, sie auf ganz bestimmte Standorte zu beschränken“, sagt Donato Acocella. Sein Eindruck: In Stuttgart habe man sich beim Problem Prostitution bislang die Augen zugehalten. Als Beispiel für den konstruktiven Umgang einer Stadt mit dem Thema nennt der Stadtentwickler Nürnberg. Dort sei die Prostitution auf die Frauentormauer am Altstadtrand beschränkt und finde dadurch in einem kontrollierbaren Rahmen statt. In der Leonhard- und Teilen der Weberstraße ein Klein St. Pauli zu erlauben hätte laut Stuttgarter Stadtplanungsamt den gleichen Vorteil: Durch eine klare Begrenzung könne das Quartier geordnet und Prostitution in anderen Bereichen ausgeschlossen werden, sagt Amtsleiter Detlef Kron.

Anwohner fürchten die Ausweisung als Bordellbezirk

Anwohner fürchten nun, dass die Überlegungen auch nicht davor haltmachen, Bordelle in Gebäuden zuzulassen, in denen es diese bisher noch nicht gibt und dann künftig mehr statt weniger Bordelle im Leonhardsviertel betrieben werden. „Wird das Leonhardsviertel als Bordellbezirk ausgewiesen, würden mit der Zeit selbst die illegalen Bordelle legalisiert werden“, äußert ein Anwohner seine Bedenken. Außerdem fürchtet er, dass in zwei der drei Häuser, die die Stadt an die SWSG verkaufen will, Bordelle einziehen könnten. Eins der Gebäude steht in der Jakob-, die beiden anderen aber in der Weberstraße. „Sobald die SWSG die Gebäude weiterverkauft, wird das passieren“, ist der Anwohner überzeugt.

Heinrich-Hermann Huth, der die 1600 Unterschriften gegen den Verkauf der drei Gebäude an die SWSG gesammelt hat, hätte nichts gegen eine Verdichtung der Bordellbetriebe. „Aber nur, wenn es ein Konzept für das ganze Viertel inklusive Bohnenviertel gibt. Und das fehlt“, sagt er. Sebastian Erdle, Initiator des Protests gegen die Prostitution im Bohnenviertel mit rund 300 Unterschriften, sieht die Stadt in der Pflicht, vor allem das Hotel Türmle in der Weber- und das Hotel Dieter in der Brennerstraße zu schließen. „Dort bahnen bis zu 40 Prostituierte illegal auf dem Straßenstrich ihr Geschäft an“, sagt er. Da beide Häuser als Hotel zugelassen sind, sei eine Schließung äußerst schwierig. „Die Frauen warten ja nicht im Haus auf Freier, sondern auf der Straße. Und in ein Hotel können sie mitnehmen, wen sie wollen“, sagt ein Kenner der Szene.

Leonhardsviertel

Veronika Kienzle, Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte, geht nicht davon aus, dass in die Gebäude, die die Stadt an die SWSG verkaufen will, Bordelle einziehen könnten. „Die SWSG hat aus ihrem Fehler gelernt“, sagt sie. Der Fehler war der Verkauf eines Gebäudes in der Leonhardstraße, in dem trotz einer Unzulässigkeitsklausel im Grundbuch ein illegales Bordell betrieben und trotz eindeutiger Gerichtsurteile nicht geschlossen wird. Von einem Klein St. Pauli, dass das „Gros der Bordelle abkriegt“, hält sie dagegen nichts. „Bei etwa 850 Einwohnern im Leonhardsviertel haben wir genug Bordelle. Dort darf kein Industriegebiet fürs horizontale Gewerbe entstehen.“ Außerdem müsse ausgeschlossen werden, dass aus illegalen legale Betriebe würden.

Bevor das Konzept dem Gemeinderat vorgelegt wird, soll es im Unterausschuss Leonhardsviertel diskutiert werden. Bislang hatten die Bürger den Eindruck, das der Unterausschuss bei Entscheidungen übergangen wird.