In Stuttgart verboten: Straßenstrich Foto: dpa

Stuttgart - Die schnelle Nummer für 20 Euro – in der Stuttgarter Altstadt ist sie zu haben. Dort bieten junge Frauen aus Osteuropa, oft keine 18 Jahre alt, ihren Körper an. Viele von der eigenen Familie auf den Straßenstrich geschickt, missbraucht und ausgebeutet. Sie müssen zig Freier täglich befriedigen, um Zimmermieten von bis zu 150 Euro pro Tag und Zuhälter bezahlen zu können. Die Würde des Menschen ist unantastbar? Jedenfalls nicht im reichen Stuttgart, wo angesichts des alltäglichen Sex-Skandals viel zu viele viel zu lange wegschauten. Das wurde auch bei einer „Mittendrin“-Veranstaltung unserer Zeitung in diesem Sommer angeprangert. Nun sagt OB Fritz Kuhn der Zwangs- und Armutsprostitution mit einem Bündel an Maßnahmen den Kampf an. Endlich. Die nackten Fakten aus dem Polizeibericht: 140 junge Frauen prostituieren sich täglich im Leonhards- und im Bohnenviertel, davon 90 auf dem dortigen Straßenstrich. Obwohl das seit der Sperrbezirksordnung von 1978 in der Stuttgarter Innenstadt verboten ist. 2013 verfügte das Amt für öffentliche Ordnung 255 Aufenthaltsverbote und Zwangsgeldandrohungen gegen Prostituierte. Doch das kann den skrupellosen Menschenhändlern im Rotlichtviertel das Geschäft nicht verderben: Die Damen werden einfach in eine andere Stadt an den nächsten Bordstein gekarrt – und aus Osteuropa im Bedarfsfall neue Mädchen zum Anschaffen ins Land geschleust. Die „sehr hohe Fluktuation“ habe die „Effektivität dieser Maßnahmen verringert“, stellt die Stadt fest. Jetzt nimmt sie verstärkt die Freier ins Visier. 1861 Platzverweise wurden 2013 ausgesprochen, das sind 50 Prozent mehr als drei Jahre zuvor. Zudem wurden in 102 Fällen Aufenthaltsverbote angestrebt. Seit 2014 bekommen Männer, die das Sexgeschäft auf der Straße anbahnen, den Platzverweis auch schriftlich nach Hause. Das kann eine Beziehung empfindlich stören. Wer dennoch sein Vergnügen auf der Straße sucht, muss fortan mit mehr Kontrollen und Schwerpunktaktionen rechnen. Und mit höheren Strafen: 180 Euro beim ersten Verstoß, 300 beim zweiten, 500 beim dritten. Damit sind die Bußgeldsätze für Freier nun genauso hoch wie für Prostituierte. Es war höchste Zeit für diese Gleichberechtigung. Damit den Männern die Lust auf den Straßenstrich vergeht, ist auch Aufklärung notwendig. Die Stadt plant eine Kampagne, will Freier öffentlich ansprechen und in die Pflicht nehmen: etwa dafür, dass sie sich darüber zu vergewissern haben, ob die Prostituierte volljährig ist; dass sie Verantwortung tragen auch für die Gesundheit der Prostituierten und der eigenen Familie; und dass Zwangs- und Armutsprostitution tabu sein sollten. Kein Tabu hingegen ist das älteste Gewerbe der Welt in Gebäuden und seit 2002 laut dem „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten“ auch nicht mehr sittenwidrig. Freudenhäuser sind in der Altstadt zwar nur auf einer Fläche von 3000 Quadratmetern zugelassen, doch hat die Stadt einst mit dem Verkauf eigener Häuser selbst zur Ausbreitung des Milieus beigetragen. Jetzt will Kuhn mit einem Vorkaufsrecht auf Gegenkurs steuern. Sieben von 14 Bordellen sollen verschwinden, um das Nebeneinander von Wohnen, Gaststätten, Gewerbe, Läden und Prostitution zu verbessern. Es gilt, den Charakter des Quartiers als historisches Altstadtviertel zu stärken. Seit unserer „Mittendrin“-Veranstaltung hat sich einiges bewegt. Im Rotlichtviertel geht’s gegen den Strich. Wissen, was wichtig ist – abonnieren Sie hier den StN-Newsletter

Stuttgart - Die schnelle Nummer für 20 Euro – in der Stuttgarter Altstadt ist sie zu haben. Dort bieten junge Frauen aus Osteuropa, oft keine 18 Jahre alt, ihren Körper an. Viele von der eigenen Familie auf den Straßenstrich geschickt, missbraucht und ausgebeutet. Sie müssen zig Freier täglich befriedigen, um Zimmermieten von bis zu 150 Euro pro Tag und Zuhälter bezahlen zu können. Die Würde des Menschen ist unantastbar? Jedenfalls nicht im reichen Stuttgart, wo angesichts des alltäglichen Sex-Skandals viel zu viele viel zu lange wegschauten. Das wurde auch bei einer „Mittendrin“-Veranstaltung der Stuttgarter Nachrichten in diesem Sommer angeprangert. Nun sagt OB Fritz Kuhn der Zwangs- und Armutsprostitution mit einem Bündel an Maßnahmen den Kampf an. Endlich.

Die nackten Fakten aus dem Polizeibericht: 140 junge Frauen prostituieren sich täglich im Leonhards- und im Bohnenviertel, davon 90 auf dem dortigen Straßenstrich. Obwohl das seit der Sperrbezirksordnung von 1978 in der Stuttgarter Innenstadt verboten ist. 2013 verfügte das Amt für öffentliche Ordnung 255 Aufenthaltsverbote und Zwangsgeldandrohungen gegen Prostituierte. Doch das kann den skrupellosen Menschenhändlern im Rotlichtviertel das Geschäft nicht verderben: Die Damen werden einfach in eine andere Stadt an den nächsten Bordstein gekarrt – und aus Osteuropa im Bedarfsfall neue Mädchen zum Anschaffen ins Land geschleust. Die „sehr hohe Fluktuation“ habe die „Effektivität dieser Maßnahmen verringert“, stellt die Stadt fest.

Jetzt nimmt sie verstärkt die Freier ins Visier. 1861 Platzverweise wurden 2013 ausgesprochen, das sind 50 Prozent mehr als drei Jahre zuvor. Zudem wurden in 102 Fällen Aufenthaltsverbote angestrebt. Seit 2014 bekommen Männer, die das Sexgeschäft auf der Straße anbahnen, den Platzverweis auch schriftlich nach Hause. Das kann eine Beziehung empfindlich stören. Wer dennoch sein Vergnügen auf der Straße sucht, muss fortan mit mehr Kontrollen und Schwerpunktaktionen rechnen. Und mit höheren Strafen: 180 Euro beim ersten Verstoß, 300 beim zweiten, 500 beim dritten. Damit sind die Bußgeldsätze für Freier nun genauso hoch wie für Prostituierte. Es war höchste Zeit für diese Gleichberechtigung.

Damit den Männern die Lust auf den Straßenstrich vergeht, ist auch Aufklärung notwendig. Die Stadt plant eine Kampagne, will Freier öffentlich ansprechen und in die Pflicht nehmen: etwa dafür, dass sie sich darüber zu vergewissern haben, ob die Prostituierte volljährig ist; dass sie Verantwortung tragen auch für die Gesundheit der Prostituierten und der eigenen Familie; und dass Zwangs- und Armutsprostitution tabu sein sollten.

Kein Tabu hingegen ist das älteste Gewerbe der Welt in Gebäuden und seit 2002 laut dem „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten“ auch nicht mehr sittenwidrig. Freudenhäuser sind in der Altstadt zwar nur auf einer Fläche von 3000 Quadratmetern zugelassen, doch hat die Stadt einst mit dem Verkauf eigener Häuser selbst zur Ausbreitung des Milieus beigetragen. Jetzt will Kuhn mit einem Vorkaufsrecht auf Gegenkurs steuern. Sieben von 14 Bordellen sollen verschwinden, um das Nebeneinander von Wohnen, Gaststätten, Gewerbe, Läden und Prostitution zu verbessern. Es gilt, den Charakter des Quartiers als historisches Altstadtviertel zu stärken. Seit unserer „Mittendrin“-Veranstaltung hat sich einiges bewegt. Im Rotlichtviertel geht’s gegen den Strich.

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