Die vier bestehenden Windräder der Stadtwerke Fellbach auf der Schwäbischen Alb (hinten Mitte) werden an derselben Stelle durch zwei neue ersetzt. Foto: Stadtwerke Fellbach

Die Stadtwerke Fellbach ersetzen ihre vier Anlagen im Windpark auf der Schwäbischen Alb durch zwei modernste Windräder. Gutachten „von Fledermaus bis Feldmaus“ waren hierfür nötig. Im Herbst 2024 soll das 18-Millionen-Euro-Projekt fertig sein.

Die Nutzung kräftiger Winde gilt als wesentlicher Bestandteil der angestrebten Energiewende. Doch im Rems-Murr-Kreis ist die Zahl derartiger Anlagen übersichtlich. Dem zu Weihnachten 2004 im Schwäbischen Wald errichteten, knapp 100 Meter hohen Solitär folgte noch das Trio (Nabenhöhe je 164 Meter) im Bereich Goldboden hoch über Winterbach. Weitere Ideen, etwa das einst vor allem vom damaligen Oberbürger Andreas Hesky vorangetriebene Projekt in der Exklave im Waiblinger Stadtwald östlich von Korb auf der Buocher Höhe, verharren infolge des verbalen Gegenwinds der Kritiker in einer Umsetzungsflaute.

Die derzeitigen Windräder heißen „Windfee“ oder „Pusteblume“

Doch nun steht ein Großprojekt in Sachen Windkraft kurz vor der Realisierung, das sich zwar nicht im Rems-Murr-Territorium befindet, aber von den Stadtwerken Fellbach umgesetzt wird. Es geht um den bereits bestehenden Windpark am Hochsträß auf der Schwäbischen Alb, der auch von weiteren Betreibern genutzt wird. Dort haben die Stadtwerke bereits seit dem Jahr 2001 vier vergleichsweise kleine Windräder am Laufen – dank eines Wettbewerbs der Fellbacher Zeitung heißen diese „Windfee“, „Windhexe“, „Luftikus“ und „Pusteblume“.

Die putzigen Namen sind allerdings bald Schnee von gestern. Denn die SWF, wie sie sich abkürzen, wollen das Quartett durch ein noch deutlich imposanteres Duo ersetzen. In diesem April traf die bundesimmissionsschutzrechtliche Genehmigung ein, vor wenigen Tagen verkündete Geschäftsführer Gerhard Ammon die Nachricht, „dass wir soeben den Zuschlag für unseren repowerten Windpark von der Bundesnetzagentur erhalten haben“ – konkret: den Zuschlag für die Einspeisevergütung für die nächsten 20 Jahre. „Ein Meilenstein ist erreicht.“

Geschäftsführer Ammon schwärmt: „Die Zahlen sind gigantisch!“

Ähnlich in Jubelstimmung war Ammon auch schon vor drei Jahren, als er das Projekt im Fellbacher Gemeinderat ausführlicher vorstellte und schwärmte: „Die Zahlen sind gigantisch!“ Der Begriff Repowering, so erläuterten die beiden Windexperten bei den Stadtwerken, Timo Schlotz und Robert Bajic, bei einem Pressegespräch mit unserer Redaktion, bedeutet so viel wie den kompletten Austausch der derzeitigen vier Räder.

Und allein die Dimensionen, die Daten und Fakten haben es in sich. Die Gesamthöhe der neuen Anlagen in Gerstetten-Gussenstadt im Landkreis Heidenheim liegt statt bisher 100 Metern bei künftig „einer Flügelspitze von jeweils 244 Metern“, wie Bajic erläutert – die Nabenhöhe liegt bei 169 Metern, der Rotordurchmesser beträgt 150 Meter. Ein weiterer Fachbegriff ist die überstrichene Rotorfläche – diese steigert sich von derzeit 1735 Quadratmeter auf 17 670 Quadratmeter. So kann man höhere, weit ergiebigere Windschichten nutzen. „Die jährliche Stromerzeugung steigt von aktuell jährlich 3 Millionen Kilowattstunden auf rund 20 Millionen, das ist mehr als eine Versechsfachung“, rechnet Schlotz vor. „Damit lassen sich circa 8000 Haushalte versorgen bei einer beachtlichen CO2-Vermeidung von circa 15 000 Tonnen im Jahr, das ist ein sehr guter Beitrag zum Klimaschutz“, ergänzt Bajic.

Eine Vielzahl dicker Ordner eingereicht

Um eines nahen Tages diese imposanten Zahlen zu erreichen, sind allerdings intensive Vorarbeiten nötig. Berechnungen müssen erstellt, Gutachten bei den Genehmigungsbehörden eingereicht werden, etwa zum Schutz von windkraftsensiblen Vogelarten. „Von Fledermaus zur Feldmaus wird alles untersucht“, sagt Schlotz schmunzelnd, „wir haben sehr viele dicke Ordner eingereicht.“ Die Windhöffigkeit sei sehr gut auf der Alb, sagt Bajic. Ansonsten seien Proteste dort „kein Thema, es gibt dort keine Ängste, weil die Menschen wissen, wie leise die Geräusche sind, dass sie keinen Stress empfinden müssen, dass die Anlagen keinen negativen Einfluss auf die Gesundheit haben“. Schlotz: „Wir sind als Stadtwerke Fellbach extrem stolz, in überwiegender Eigenleistung eine solche Projektentwicklung zu bewältigen.“

Die Demontage der alten Windräder ist für Ende 2023 vorgesehen, die Inbetriebnahme der beiden neuen, fast 250 Meter hohen Windräder soll im dritten oder vierten Quartal 2024 erfolgen. Das wird noch einmal ein besonderer Kraftakt, um die 40 bis 50 Tonnen schwere Gondel samt Maschinenraum auf rund 170 Meter Höhe zu bugsieren. Bis zu diesem Spektakel dauert es aber noch mindestens 15 Monate. Insgesamt liegt die Gesamtinvestition der Stadtwerke Fellbach für ihr beeindruckendes Windkraft-Projekt bei 18 Millionen Euro.

Windrad auf dem Kappelberg?

Schorndorf
Wo könnten in im Rems-Murr-Kreis noch Windräder stehen? Die Stadtwerke aus Schorndorf und Fellbach sowie die Energieversorgung Filstal beantragten kürzlich eine erneute Standortprüfung für den zwischenzeitlich wegen artenschutzrechtlichen Konflikten zurückgezogenen Bereich „GP 03“ südlich von Schorndorf-Unterberken auf dem Schurwald.

Alfdorf
Der bisherige Solitär beim Alfdorfer Wasserturm erhält womöglich in unmittelbarer Nachbarschaft einige Brüderchen – die jedoch von Beginn an ziemlich ausgewachsen daherkommen. Die Gemeinde und der Verein Bürgerenergie Alfdorf und die Nachbarstadt Welzheim erklärten vor einigen Tagen: „Im maximalen Fall könnten vier neue moderne Windräder entstehen.“

Fellbach
Trotz der „verhältnismäßig kleinen Gemarkung“ fordert Fellbachs grüne Fraktion, nach möglichen Gebieten für Windräder oder Freiflächen-Photovoltaikanlagen Ausschau zu halten. Insbesondere geht es um „die Sicherung von potenziellen Standorten auf dem hinteren Kappelberg, die für den eventuellen Bau von Windkraftanlagen am besten geeignet sind“.