Robert F. Kennedy jr. befeuert alle möglichen Verschwörungserzählungen. Foto: AFP/Jessica Kourkounis

Robert F. Kennedy jr. verlässt die Demokratische Partei. In Philadelphia erklärte „RFK jr.“ seine Kandidatur als unabhängiger Präsidentschaftskandidat.

Der Ort der von seinem Wahlkampfteam als „mit Spannung erwartete Ankündigung“ verkauften Rede war mit Bedacht gewählt. Der Nachfahre aus der Dynastie der Kennedys trat unweit der Stelle vor seine Anhänger, an der die Amerikaner am 4. Juli 1776 zum Läuten der Freiheitsglocke ihre Unabhängigkeit von der britischen Krone erklärt hatten. „Ich stehe heute hier, um als unabhängiger Präsidentschaftskandidat für die Vereinigten Staaten anzutreten“, rief Robert F. Kennedy jr. ein paar tausend Anhängern zu, die nach Philadelphia gepilgert waren. Ehefrau Cheryl Hines spielte bei der Einführung des Kandidaten mit dem Erbe der Familie, die sich vor der Veranstaltung noch einmal in aller Deutlichkeit von RFK jr. distanzierte. „Seid ihr wirklich bereit für Bobby Kennedy?“, heizte Hines der Menge vor dem „National Constitution Center“ ein. „Bobby“ hieß auch der beliebte Vater des Kandidaten, der Justizminister unter Präsident John F. Kennedy war.

Der 69-jährige Umweltanwalt, Impfgegner und Promoter von Verschwörungserzählungen hat seine Karriere eng mit seiner Nähe zu den beiden ermordeten Politikern verknüpft. JFK und RFK werden bei vielen Amerikanern bis heute als Lichtgestalten eines „besseren Amerika“ verklärt. Wobei die Nostalgiker großzügig das gewaltsame Klima der 60er Jahre vergessen, dem die beiden Kennedys bei Attentaten zum Opfer fielen.

Kennedy befeuert Verschwörungserzählungen

„Bobby teilt vielleicht denselben Namen wie unser Vater, aber er teilt nicht seine Werte, Visionen oder Urteilsvermögen“, warnten seine Geschwister Rory, Kerry, Joseph P. und Kathleen vor dem Kandidaten, der in der 45 Minuten langen Rede seinen Austritt aus der Demokratischen Partei erklärte. Auch seine berühmten Vorfahren dürften sich im Grab umgedreht haben, als RFK jr. vor einem Banner mit der Aufschrift „Declare Your Independence“ seine lange Liste populistischer Klagen über die „Wall Street“, „Big Tech“, „Big Pharma“, den „militärisch-industriellen Komplex“, die „Söldnermedien“ und die „reichen Geldgeber“ herunterratterte. Er attackierte die Parteiführung der Demokraten, die den Vorwahlprozess zu seinen Ungunsten manipuliert hätten.

Das politische System der USA sei ein „zweiköpfiges Monster, das uns über die Klippe führt“. In der Tiefe warte „die Zerstörung unseres Landes“. Dagegen trete er an. „Wir erklären unsere Unabhängigkeit von den zwei Parteien und den korrupten Interessen, die sie dominieren und das ganze System manipulieren.“ Der Kandidat befeuert alle möglichen Verschwörungserzählungen über die angebliche von Bill Gates und Antony Fauci jahrelang geplante Covidpandemie oder den angeblich von den USA provozierten Überfall der Ukraine. Selbst vor antisemitischen Anklängen schreckt er nicht zurück. Etwa als er behauptete, Juden und Chinesen seien besonders gut gewappnet gegen das Coronavirus.

Demokraten wenden sich von ihm ab

All das hat ähnlich wenig mit der Realität zu tun wie RFK jr.s konspiratives Geschwurbel, mit dem er seine Familie in einem Interview gegen sich aufgebracht hatte. „Ich denke, dass die Beweise eindeutig dafür sprechen, dass mein Onkel von der CIA umgebracht wurde.“ Je mehr die Demokraten über die obskuren Ansichten des im April als Herausforderer Joe Bidens bei den Vorwahlen angetretenen Kandidaten erfuhren, desto mehr wandten sie sich von ihm ab. Umfragen zeigen, dass seine steilen Thesen eher in der Maga-Welt Donald Trumps ankommen. Dessen Wahlkampfteam wittert die Gefahr und warnt, niemand dürfe glauben, dass RFK jr. für konservative Werte stehe. Er sei „ein linker Kennedy, der versucht, mit dem Namen seiner Familie Geld zu machen“.

Während der Wahlforscher Nate Silver nicht davon ausgeht, dass die unabhängige Kandidatur Kennedys dem Amtsinhaber schadet, ist sich der ehemalige Chefstratege Barack Obamas, David Axelrod, angesichts der Unbeliebtheit Trumps und Bidens nicht so sicher. „Alles, was die Schwelle für einen Sieg absenkt, hilft Trump.“ Dieser habe starke Unterstützung an der Basis.

Kennedy gefällt sich in der Rolle des Spielverderbers. Beide Parteien hätten Angst vor ihm, verkündete RFK jr. bei seiner Unabhängigkeitserklärung von Philadelphia. „Die Wahrheit ist, dass beide recht haben.“ Um zu einer echten Bedrohung zu werden, muss er nun schaffen, auf die Wahlscheine der 50 Bundesstaaten zu kommen.