Punktgenau: Nach dem Einsatz setzen die Piloten Bernd Schönknecht (li.), 48, und Volker Baumgartner, 45, in einem kleinen Kreis vor der Werft der Polizeihubschrauberstaffel am Rand des Flughafens Stuttgart butterweich auf – klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie! Foto: Leif Piechowski

Noch geht alles den gewohnten Gang. 2015 wird für die Polizeihubschrauberstaffel Baden-Württemberg jedoch ein turbulentes Jahr mit 50-Jahr-Jubiläum und sechs neuen Hubschraubern.

Noch geht alles den gewohnten Gang. 2015 wird für die Polizeihubschrauberstaffel Baden-Württemberg jedoch ein turbulentes Jahr mit 50-Jahr-Jubiläum und sechs neuen Hubschraubern.

Stuttgart - Michael Bantle, seit dreieinhalb Jahren Chef der Polizeihubschrauberstaffel Baden-Württemberg, hat die Ruhe weg. Der 51-Jährige mit dem festen Händedruck kam einst als gelernter Schreiner zur Polizei. Vor seinem jetzigen Job leitete er fünf Jahre das beim Innenministerium angesiedelte Lagezentrum der Landesregierung und davor das Polizeirevier Filderstadt. Er ist gewohnt, auch bei komplexen Projekten den Überblick zu behalten.

Den braucht er dringend, denn im kommenden Jahr gibt es gleich mehrere Herausforderungen zu meistern: 2015 steht das 50-Jahr-Jubiläum der Staffel an. Dazu wird es einen Festakt und am 26. Juli einen Tag der offenen Tür geben, „den Termin können Sie sich in der Redaktion gleich mal vormerken“, lacht er.

Mit etwas Glück wird zum Jubiläum auch schon einer der sechs neuen Hubschrauber vom Typ EC 145 T2 zu bestaunen sein. Auslieferungstermin – und damit Beginn für den insgesamt 60 Millionen Euro teuren kompletten Flottenwechsel in Stuttgart und Söllingen – ist vermutlich aber erst im „Oktober 2015“, so Bantle. Der Übergang auf das neue Fluggerät wird sich dann über das ganze Jahr 2016 hinziehen.

Die Entscheidung für die relativ geräuscharmen, mit zwei Triebwerken, Kufen, ummanteltem Heckrotor und jeder Menge modernster Technik ausgestatteten Modelle wurde vom Innenministerium nach einer europaweiten Ausschreibung gefällt. Die Hubschrauber werden derzeit vom Hersteller Airbus Helicopters (vormals Eurocopter) in Donauwörth gefertigt. Bantle: „Wir erhoffen uns durch das satellitengestützte Navigationssystem, die Autopilotfunktionen sowie die neue, hochauflösende Kameratechnik mehr Zuverlässigkeit als bei unseren bisherigen Maschinen amerikanischen Typs.“ Die verbesserte Ausstattung bringe bei den Einsätzen auch mehr Entlastung für die Piloten/Co-Piloten und die FLIR-Operator (FLIR = Forward Looking InfraRed) – das sind jene Crewmitglieder, die auf Monitoren im Innern des Hubschraubers die Live-Bilder der Wärmebildkamera auswerten.

Mittels solcher Kameraaufnahmen gelingt es, Vermisste im Wald bei Dunkelheit orten zu können (dann fliegen die Piloten mit Nachtsichtgerät). Oder eine Cannabis-Plantage inmitten eines Maisfeldes aufzuspüren. Oder auf einem Schrottplatz versteckte Giftfässer zu entdecken. „So etwas geht eben nur aus der Luft“, sagt Bantle.

Die Statistik gibt ihm recht: In diesem Jahr wurden dank der Hubschrauberstaffel bisher 47 Vermisste gefunden, 41 davon lebend, es gab zwölf Fahndungserfolge (bei der Verbrecherjagd) und elf allgemeine Erfolge.

Pilot Bernd Schönknecht, 48, liebt seinen Beruf: „Es ist ein schönes Gefühl, Menschen helfen zu können.“ Zudem werden per Hubschrauber etwa auch Großveranstaltungen überwacht – die Stuttgarter haben dieses und nächstes Jahr zwei Großeinsätze im Rahmen des Luftraumschutzes vor sich.

Weil ein Hubschrauber aber eben kein Golf Kombi, sondern eine komplexe Maschine ist, muss Bantle den Wechsel auf die EC 145 T2-Modelle bereits jetzt exakt planen. „Die Piloten werden im kommenden Frühsommer vier Wochen lang in Donauwörth geschult, die Fluggerätmechaniker sechs Wochen“, berichtet Bantle. Die ersten 1000 Flugstunden sind für Schulungszwecke reserviert. Zudem müssen in der Werft unter anderem Wartebühnen und Regale umgerüstet, spezielles Werkzeug angeschafft sowie neue Software installiert werden.

Grundsätzlich ist das kein Problem für die Stuttgarter. „Wir sind bundesweit die einzige Polizeihubschrauberstaffel, die bis auf eine Sonderaufgabe alle Wartungs- und Reparaturarbeiten selbst erledigt“, so Bantle. In der staffeleigenen Metallwerkstatt werden zum Beispiel Spezialwerkzeuge zur Reparatur der Hubschrauber gefertigt – um lange Wartezeiten zu vermeiden.

Auch wer jemals erfolgreich einen Ikea-Schrank zusammengeschraubt hat, kann nur erahnen, was in der Werft geleistet wird: Dort wird momentan einer der Hubschrauber für die fällige Jahresinspektion fast komplett in seine Einzelteile zerlegt. Sechs bis acht Wochen dauert die Überprüfung. Die Rotorblätter sind abgeschraubt, das Getriebe ausgebaut, Sitze, Boden und Tank herausgenommen. Überall Kabel, Schrauben, Leitungen. Für Laien sieht das nach purem Chaos aus. Bantle, der eine Pilotenlizenz für Kleinflugzeuge besitzt, sagt augenzwinkernd: „Mich wundert es auch jedes Mal, dass meine Leute die Maschine dann wieder komplett zusammenbauen können.“

Doch ob alte oder neue Hubschrauber – bei der Polizeiarbeit ist der Faktor Zeit entscheidend. „Wir sind innerhalb von fünf Minuten startklar“, so Bantle, „und können in 30 Minuten Flugzeit an jedem Ort in Baden-Württemberg sein.“ Auch das geht nur aus der Luft. Mit 320 Sachen. Rund um die Uhr.