Dominik Mulheim bei den Deutschen Meisterschaften im Poetry Slam in Stuttgart auf der Rosenau-Bühne Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Beim zweiten Tag der Meisterschaften im Poetry Slam haben sich Slammer für die nächste Runde qualifiziert, die mit extrem langen Witzen, dem Thema Beerdigung und einer Lobrede auf den Kaktus punkteten.

Stuttgart - Abermals erklärte Zeichentrickjunge Lukas im obligatorischen Begrüßungsvideo, wie wichtig Sponsoren und Engagement für diese Veranstaltung sind, abermals gab es zum Empfang leckeren Whiskey mit Ginger Ale am zweiten Tag der Deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry Slam. Nach dieser täglichen Dosis werden die Lippen lechzen, wenn das alles am Samstag zu Ende geht. Überhaupt, wie soll das werden, wenn das Gefühl, das die auch „Nationals“ genannte Meisterschaft im Kessel hervorruft, plötzlich verflogen ist? Wenn die Schweizer Slammerin Hazel Brugger nicht mehr tötenden Blickes durch die Stadt stiefelt? Man mag es sich kaum ausmalen, wie sehr Ohren und Augen sich nach der allabendlichen Vortragskunst sehnen werden.

In der Rosenau startete am Donnerstag um 19 Uhr Vorrunde Nummer 7, und Yusuf Rieger konnte sich durchsetzen. Der hatte zuvor den vierten Platz im U20-Slam belegt und sich somit qualifiziert. Er träumte auf der Bühne von einer besseren Welt, zitierte dabei Goethe, Aristoteles und die Snickers-Fernsehwerbung, wobei er gelegentlich mit bis zu tausend Silben pro Sekunde agierte – gefühlt. Neben ihm reüssierte auch Eric Jansen, der ebenfalls im Halbfinale antreten darf. Seine Darbietung kündigte er wie folgt an: „Ein lustiger Text über ein lustiges Thema: Beerdigungen.“ Als dritten wählten die Zuständigen Piet Weber in die Folgerunde. In der Jury saß wohl kein „Heckler & Koch“-Vorstandsmitglied, denn Weber kritisierte nicht nur die furchtbare Fernsehlandschaft, sondern auch Waffenexporte. Die Rüstungsindustrie zeichnet ja für manch krummes Ding verantwortlich. Das G36 zum Beispiel.

Höchstpunktzahl für einen Witz, der alle gleichermaßen diffamiert

Um 21 Uhr starteten in der nächsten Vorrunde zehn weitere Akteure. Die Nase vorn hatte hier ein bekannter Name, dessen Schreibweise man jedoch immer wieder googeln muss: Nektarios Vlachopoulos, der deutsche Meister von 2011. Um die absolute Kompetenz der zufällig ausgewählten Juroren zu betonen, sei dazu eine kleine Anekdote erzählt: Es gelang, eine Gruppe zu belauschen, die in Besitz einer der sieben Jurytafeln war. Während man zu Beginn einen Vortrag von Slammer Thorben Schulte mit den Worten „Das war ja wohl eher Stand-Up-Comedy“ abwiegelte und mit einer miserablen Bewertung strafte, vergab man an Vlachopoulos die Höchstpunktzahl – selbiger hatte einen sechsminütigen Witz erzählt. Einen sehr guten allerdings, der sämtliche Nationalitäten, Religionen und Hautfarben gleichermaßen diffamierte. Mit ihm freute sich Yannik Sellmann übers Weiterkommen, in dessen Kopf es zu Zeiten einer Psychose laut eigener Aussage aussah „wie in Hempels Atombunker“. Auch Alex Simm wird im Halbfinale lesen: Er hielt eine Lobrede auf den Kaktus, der, so ungebückt und unbeugsam, niemals Lieder wie „Atemlos durch die Nacht“ singen würde. Eher schon „Can’t touch this“.

Möglicherweise schafft es einer dieser Herren ja bis ins Finale, das an diesem Freitag in der Liederhalle ausgefochten wird. Dass der an dieser Stelle Protokollierende dann voraussichtlich zum fünften Mal sieht, wie Organisator und Moderator Nikita Gorbunov im Video von Zeichentrickknirps Lukas lustvoll in eine Brezel beißt, lässt sich mit eingangs erwähntem Whiskey hoffentlich überstehen.