Korruptionsprozess vor dem Landgericht Stuttgart Foto: dpa-Zentralbild

Der Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht gegen einen Ingenieur, der massenhaft sogenannte Tüv-Plaketten gegen Schmiergeld vergeben haben soll, geht zu Ende. Der Staatsanwalt hat eine Gefängnisstrafe gefordert.

Stuttgart - Er habe „gewissenlos mit der Verkehrssicherheit gespielt“, sagt Staatsanwalt Peter Kraft über den 60 Jahre alten Ingenieur, der wegen Bestechlichkeit vor der 19. Strafkammer des Landgerichts steht. Der Angeklagte habe zwischen Mai 2011 und März 2012 mehr als 450 zum Teil mit erheblichen Mängeln belastete Autos durch die Hauptuntersuchung (HU), landläufig Tüv genannt, gewunken. Deshalb sei der selbstständige Prüfingenieur, der im Auftrag der Gesellschaft für technische Sicherheitsprüfungen (GTS) HU-Untersuchungen durchgeführt hat, zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis zu verurteilen, so Kraft.

Der Fall hat für erheblichen Wirbel gesorgt. Im September 2012 flatterte mehr als 2000 Fahrzeughaltern im Kreis Esslingen die schriftliche Aufforderung auf den Tisch, ihren Wagen zur HU-Nachuntersuchung zu bringen. Denn einige Monate zuvor war der 60-jährige Prüfingenieur nach umfangreichen Ermittlungen aufgeflogen. Er soll in Tausenden Fällen nicht nur im Kreis Esslingen teils Schrottautos mit der HU-Plakette versehen haben – gegen Bares. Ermittelt wird auch in den Kreisen Böblingen, Reutlingen, Ludwigsburg und Tübingen.

In der Anklage vor dem Landgericht ist jetzt von 450 Autos die Rede, die in Werkstätten auf den Fildern und in Privatgaragen in Waldenbuch rechtswidrig mit der HU-Plakette versehen worden sein sollen. Die normale HU kostet 53 Euro. Die Werkstattbesitzer sollen von den meist über den Betrug informierten Kunden bis zu 150 Euro kassiert haben. Die Differenz wurde geteilt. Dass viel mehr als 450 Autos rechtswidrig mit der Plakette ausgestattet wurden, steht für den Ankläger fest. Doch der Tatzeitraum habe eingegrenzt werden müssen.

Auch die beiden Mitangeklagten hätten von der Masche gewusst, so der Staatsanwalt. Die Nebenerwerbsautohändler hatten mehrere Wagen von dem Ingenieur in einer Scheune und in einer Privatgarage prüfen lassen. Beide Örtlichkeiten waren wie die Autowerkstätten auf den Fildern nicht für HU-Prüfungen zugelassen. Für die zwei Feierabend-Autohändler beantragt Kraft eine Bewährungsstrafe beziehungsweise eine Haftstrafe von eineinhalb Jahren.

Erst spät im Prozess hatte der Ingenieur eine Art Geständnis abgelegt. Er habe sich nie bestechen lassen, habe sein Ermessensspielraum aber wohl zu weit ausgelegt. Dass die Werkstätten nicht zertifiziert waren, stimme zwar, aber er habe genug Erfahrung, um die Autos trotzdem richtig zu prüfen. „Er ist in eine Spirale geraten“, so Verteidiger Wolfgang Pantzer. Der 60-Jährige habe zwar nicht nach Vorschrift gehandelt, die Dienstleistung aber sehr wohl erbracht. Drei Jahre Gefängnis, wie von der Kammer bei einem Geständnis avisiert, seien genug. Die Verteidiger der Mitangeklagten forderten Freisprüche. Das Urteil wird am 7. Mai erwartet.