Die Pläne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kommentiert Markus Grabitz Foto: dpa

Es hat wohl noch nie ein Gesetzesvorhaben gegeben, bei dem so viele gute Argumente dagegen angeführt werden können, wie bei den Plänen für die so genannte Infrastrukturabgabe. Findet jedenfalls unser Kommentator Markus Grabitz.

Berlin - Wann hat es schon einmal ein Gesetzesvorhaben gegeben, gegen das so viele gute Gründe gesprochen haben? Gegen den Plan, eine Pkw-Maut für Ausländer einzuführen, ist eine ganze Litanei von Argumenten anzuführen.

Eine Auswahl gefällig?

1.) Die Abgabe widerspricht EU-Recht, Fahrzeughalter aus einem anderen EU-Mitgliedsland zur einseitig zur Kasse gebeten, also diskriminiert werden.

2.) Die Abgabe widerspricht deutschem Verfassungsrecht: Während die Kfz-Steuer ausdrücklich im Grundgesetz erwähnt ist, ist eine „Infrastrukturabgabe“ den Verfassungsvätern unbekannt gewesen.

3.) Die Methode, die deutschen Autofahrer im Gegenzug für die Entrichtung einer Infrastrukturabgabe bei der Kfz-Steuer zu entlasten, ist anrüchig. Der Staat darf nicht einfach so zwei Abgaben miteinander verrechnen, die auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage stehen.

4.) Die Pkw-Maut rechnet sich nicht. Der Ertrag wäre lächerlich niedrig im Vergleich zu den monströsen Bürokratiekosten. Allein das Erstellen von über 50 Millionen neuen Kfz-Steuerbescheiden verschlingt viel Geld.

5.) Die Pkw-Maut für Ausländer wird das Einfallstor für eine neue Abgabe werden, die bald alle Autofahrer zahlen werden und die – allen Versprechen der Politiker zum Trotz – nie wieder verschwinden wird. Der Soli lässt grüßen.

6.) Wenn schon eine Straßenbenutzungsgebühr, dann bitte gerecht etwa nach dem System der Lkw-Maut, also nach gefahrenen Kilometern und nicht pauschal.

Auch das hat es wohl noch nie gegeben: Dass nämlich so wenige Mitspieler im politischen Betrieb für ein bestimmtes Gesetzesvorhaben waren. Schon die alte EU-Kommission war vehement dagegen, die neue EU-Kommission ist dagegen, die Nachbarländer laufen Sturm. Ja, selbst innerhalb der Regierung, die die Pkw-Maut umsetzen will, gibt es massive Widerstände.

Der Koalitionspartner SPD hält nichts von ihr, in der Unionsfamilie waren eben noch einflussreiche Landesverbände wie NRW dagegen. Und die Kanzlerin wollte noch im letzten Wahlkampf von der Idee überhaupt nichts wissen. Wolfgang Schäuble, der am Kabinettstisch den wirtschaftspolitischen Sachverstand verkörpert, ist dagegen. Nur die CSU will die Pkw-Maut haben. Oder ist es nur ihr angezählter Chef Horst Seehofer?

Unter dem Strich ist festzuhalten: Die Pkw-Maut für Ausländer mag eine tolle Idee für einen Wahlkampf gewesen sein, womöglich hat sie der CSU sogar einige Stimmen eingebracht. Sie taugt aber nicht für die praktische Umsetzung. Alle Versuche, sie ins Gesetzblatt zu bringen, werden nicht gut enden. Murks bleibt eben Murks.

Umso erstaunlicher ist, dass bislang niemand im politischen Berlin die Notbremse gezogen hat. Eigentlich hätte Kanzleramtsminister Peter Altmaier – er muss dafür sorgen, dass der Regierungsmotor nicht stottert – längst den Zug mit der Pkw-Maut aufs Abstellgleis stellen müssen. Der Grund, warum die Pkw-Maut für Ausländer wider besseres Wissen bei allen Beteiligten nicht gestoppt wird, ist banal: Die CSU hat sich dafür verkämpft.

Sie kann sich politisch das Eingeständnis nicht leisten, dass sie sich in der Sache verrannt hat. Die „GroKo“ würde es nicht überleben, wenn sich SPD oder Union von der Pkw-Maut verabschieden würden. Die einzige Hoffnung ist, dass die praktische Umsetzung nicht mehr in dieser Wahlperiode gelingt. Oder aus Brüssel Hilfe kommt. Derzeit stehen die Chancen dafür nicht schlecht.