GM geriet wegen defekter Zündschlösser in die Schlagzeilen Foto: John F. Martin

Reihenweise melden die Autobauer in diesem Jahr Absatzrekorde. Doch 2014 wird noch aus einem anderen Grund in die Automobilgeschichte eingehen. Noch nie haben die Hersteller so viele Autos wegen Mängeln in die Werkstätten zurückgerufen.

Stuttgart - Erwischt hat es auch die deutschen Premiummarken. Anfang November musste Audi 850 000 A4 der neuesten Modellreihe wegen Problemen mit den Airbags in die Werkstätten zurückrufen. Allein in Deutschland waren 150 000 Autos betroffen. Zwar stellte sich heraus, dass den Fehler vermutlich der Zulieferer Continental zu verantworten hat. Doch das dürfte die verärgerten Audi-Kunden wahrscheinlich nur wenig interessieren.

Audi ist beileibe kein Einzelfall. Auch Mercedes musste vor wenigen Wochen 28 500 Fahrzeuge der neuen C-Klasse in die Werkstätten holen. Grund war laut Unternehmen ein „ausgebliebener Montageschritt, der die Lenkung beeinflussen könnte“. BMW war schon mehrfach dran. Allein wegen defekter Airbags des Zulieferers Takata mussten 450 000 Wagen überarbeitet werden. Selbst Porsche blieb nicht verschont. Drei Rückrufe verzeichnete der Sportwagenbauer in diesem Jahr bereits, zuletzt waren 4400 Zweitürer wegen fehlerhafter Schlossbügel an der vorderen Kofferraumhaube betroffen.

All das sind jedoch Kleinigkeiten im Vergleich zum Debakel, mit dem GM zu kämpfen hat. Allein wegen mangelhafter Zündschlösser musste die Opel-Mutter 8,4 Millionen Autos nachbessern. Bei den Wagen bestand die Gefahr, dass der Zündschlüssel in die Aus-Position springt, Servolenkung und elektronische Systeme dadurch während der Fahrt ausfallen. 30 Todesfälle auf amerikanischen Straßen werden damit in Verbindung gebracht. Toyota war mit 6,4 Millionen Wagen auch nicht schlecht dabei. Lenksäulen, Sitze und Bremskopfzylinder bereiteten Probleme, aber auch das elektronische Einspritzsystem.

„Global gesehen wird 2014 sicher ein Rekordjahr, was die Rückrufe angeht“, sagt der Automobilexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Zum Teil wirkten die Rückrufaktionen wie ein Dominoeffekt. Sobald ein Hersteller Autos nachbessere, überprüfe die gesamte Konkurrenz, ob sie nicht auch betroffen sein könnte. Das liegt nicht zuletzt an strengen Behörden wie der amerikanischen National Highway Traffic Safety Administration, die etwa Toyota wegen klemmender Gaspedale eine Rekordstrafe von umgerechnet einer Milliarde Euro aufgebrummt hat. Toyota hatte deshalb zwischen 2009 und 2011 zwölf Millionen Autos zurückgerufen.

Die Häufung ist aber auch der sogenannten Gleichteilstrategie der Hersteller geschuldet. Um Kosten bei der Entwicklung zu sparen und die Produktion zu verschlanken, bedienen sich viele Hersteller eines Baukastens. Bei den Zulieferern können damit größere Stückzahlen geordert werden – das senkt den Preis. So setzt VW seinen Modularen Querbaukasten (MQB) bereits bei vier Millionen Fahrzeugen ein. Sollte also ein Problem auftauchen, wären nach drei Jahren bereits zwölf Millionen Autos betroffen. Zudem werde das Produktionsnetzwerk der Hersteller immer globaler, dazu komme ein enormer Kosten – und Zeitdruck bei den Zulieferern. „Dies kann zulasten der Teilequalität gehen“, sagt Bratzel.

Was einst als Kostensparprogramm gedacht war, erweist sich zumindest für einige Unternehmen als ein Bumerang, der Milliarden verschlingt. Der japanische Zulieferer Takata ist wegen seiner mangelhaften Airbags bereits in die Verlustzone gerutscht. „Im schlimmsten Fall kann dies auch die Existenz gefährden“, so Bratzel. Schließlich müssten die fehlerhaften Teile nicht nur ausgetauscht, sondern auch möglichst schnell nachproduziert werden.

Das einzige Mittel gegen die vielen Werkstättenbesuche ist aus Sicht Bratzels die Vorbeuge. „Die Hersteller müssen ihr Qualitätsmanagement in den Griff bekommen.“ Dafür brauche es auch starke Persönlichkeiten, die sich im Zweifel gegen „kurzfristige Vertriebsziele“ durchsetzen könnten. Weil der Wertschöpfungsanteil der Zulieferer bereits bei 75 Prozent liege, müssten die Autobauer auch die Teilequalität der Lieferanten sichern.

Bei Daimler sieht man sich trotz kleinerer Probleme wie die der neuen C-Klasse gut gerüstet. „Wir haben das beste Bollwerk gegen solche Fehler“, sagt Klaus Zehender, Bereichsvorstand für Einkauf und Lieferantenbeziehungen bei Mercedes. Im Vergleich mit anderen Herstellern betreibe man ein „Spitzenqualitätsmanagement“ gerade bei den gelieferten Teilen. „Wir gehen mit unseren Ingenieuren zu den Lieferanten und schauen genau, was dort gemacht wird.“ Dazu gehöre zum Beispiel ein Probelauf der Produktion unter Volllast oder die Prüfung von Messdaten. So ließen sich Fehler frühzeitig erkennen.

Im Falle von Mängeln ist es laut Bratzel wichtig, schnell zu reagieren – bevor die Zahl betroffener Autos zu sehr wachse. Dabei könnten auch Werkstätten und Kunden eine wichtige Rolle spielen. „Wenn die Verkehrsbehörden aufmerksam werden, ist das Problem meist schon größerer Natur“, sagt Bratzel.

Für die Kunden mögen die Besuche in der Werkstatt ärgerlich sein, für die Hersteller steht dagegen ihr Ruf auf dem Spiel. Zwar hat Toyota trotz vieler spektakulärer Rückrufe den Absatz auch in diesem Jahr wieder einmal steigern können. Doch potenzielle Käufer könnten durch die negativen Schlagzeilen durchaus abgeschreckt werden. Dazu passt das Ergebnis einer Umfrage des Puls-Marktforschungsinstituts vom Juli dieses Jahres. 1000 Kunden wurden danach befragt, wie sehr die Rückrufaktionen im Jahr 2014 das Vertrauen in eine Automarke schädigen. Mehr als die Hälfte antwortete mit „sehr stark“ oder „stark“.