Anton Pagendarm, Joe Tonne, Felix Müller und Moritz Pagendarm (v.l.n.r), die Jungunternehmer von der Speach Media GmbH Foto: StN

Speach Media mit neuer Idee - Für jeden Einkauf gibt es Freiminuten beim Mobiltelefon.

Stuttgart - Kaum eine Nation liebt Schnäppchen so sehr wie die Deutschen. Wenn es etwas billiger gibt, vergessen wir alles - auch den Datenschutz. Die Industrie der Bonussysteme wie Paybackkarten floriert. Nun drängen vier junge Männer mit einer neuen Idee in den Markt: Bei jedem Einkauf gibt es Freiminuten fürs Handy.

Manchmal war der Vater wochenlang nicht zu sehen. Irgendwann kam er dann mit einer Flasche Sekt nach Hause. Dann wussten die Brüder Anton und Moritz Pagendarm, dass es etwas zu feiern gibt. Der Vater ist Maschinenbauer - so wie der Großvater. Und Unternehmer durch und durch. Sam Pagendarm GmbH heißt ihre Firma.

Moritz Pagendarm sagt, dass er das Leben und Leiden des Unternehmers von Kind auf mitbekommen habe. Die Söhne sind heute 28 (Anton) und 31 (Moritz) und führen dieses Leben fort. Aber nicht im Maschinenbau. "Unsere Idee ist, dass jeder Mensch umsonst telefonieren können soll", sagt Moritz Pagendarm. Aus diesem Grund haben die Brüder zusammen mit zwei Freunden im April 2009 die Speach Media GmbH gegründet. Das Start-up betreibt die Internetseite Freiminuten.de - seit wenigen Wochen ist sie online. Das Konzept funktioniert so ähnlich wie das des Bonussystems mit den Paybackkarten. Nur dass man beim Einkauf keine Punkte sammelt, die man irgendwann gegen eine Prämie eintauschen kann.

Über 150 Partnershops nach wenigen Monaten

Mit der Speach Media GmbH kooperieren verschiedene Online-Läden wie Adidas, Otto, Puma oder auch die Deutsche Bahn AG. Wer bei einem der über 150 Shops einkauft, bekommt Freiminuten fürs Handy - entweder eine feste Pauschale für jeden Einkauf oder abhängig vom Betrag, den der Kunde ausgibt. Finanziert werden die Boni durch die Händler. Einlösen kann der Nutzer die Freiminuten jedoch nur bei dem Anbieter, der mit den Jungunternehmern zusammenarbeitet. Die Großen sind bereits im Boot, allerdings nur im Prepaid-Bereich. Von Prepaid spricht man, wenn man vorm Telefonieren einen bestimmten Guthabenbetrag auf sein Handy lädt. Man kann dann so lange telefonieren, bis die Prepaid-Karte leer ist.

Bei den Vertragskunden gestaltet sich die Sache schwieriger. Nur wer bei O2 oder Klarmobil Kunde ist, kann bisher Freiminuten eintauschen. "Freiminuten.de bietet uns eine einfache und neuartige Möglichkeit, Kunden über das Handy zu binden", sagt Jens Prautzsch, Geschäftsführer Strategie und Innovationen bei O2.

Unternehmer haben Offline-Handel im Visier

Wer nicht im Internet einkauft, kann mit der Idee nichts anfangen. "Unser Ziel ist aber, uns im Offline-Bereich auszuweiten", sagt Moritz Pagendarm. Seine Vision ist, dass Menschen etwa an der Kasse von H&M gleich nach dem Bezahlen Freiminuten auf ihr Handy geladen bekommen.

Bisher dominiert die Payback GmbH den Markt der Bonussysteme. Die Gesellschaft ist eine Tochter der Loyality Partner GmbH, deren Umsatz in den letzten vier Jahren auf 209 Millionen Euro kletterte - das ist ein Zuwachs von 50 Prozent.

Datenschützer kritisieren Bonus-Systeme

Gesellschafter sind etwa der Handelsriese Metro oder das Beratungsunternehmen Roland Berger. Payback verzeichnet über 20 Millionen aktive Nutzer. "In 2011 werden 80 Millionen Payback-Coupons eingelöst", sagt eine Sprecherin der Payback GmbH. "Das heißt, dass durchschnittlich jeder Deutsche einen Payback-Coupon pro Jahr einlöst." Als Bedrohung empfinde man den neuen Wettbewerber nicht. "Das zeigt, dass der Markt in Bewegung ist."

Dorothea Kübler ertauscht sich keine Freiminuten. Sie hat auch keine Payback-karten. Sie findet so was naiv. Die Professorin für Experimentelle Wirtschaftsforschung untersucht am Wissenschaftszentrum Berlin das Verhalten von Verbrauchern. Bei einem Experiment kam heraus, dass Kunden zwar Sorge um den Datenschutz haben, dass sich dies jedoch kaum im Handeln niederschlägt. Wenn es die Aussicht auf ein Schnäppchen gibt, schlagen die Kunden zu - sonst macht es ein anderer. "Dominanzprinzip" nennen Einkaufspsychologen dieses archaische Phänomen.

Dabei können Unternehmen mittels Kundenkarten Informationen darüber sammeln, was ein Kunde kauft, und so ganze Profile erstellen. Die Werbeindustrie arbeitet daran, ihren Streuverlust durch Personalisierung der Werbung immer weiter zu reduzieren. "Die Kunden denken nicht langfristig", sagt Dorothea Kübler. "Sie machen sich nicht klar, dass die kurzfristige Ersparnis auf die Dauer zu höheren Preisen führt." Weil die Unternehmen über die Vorlieben der Kunden Bescheid wüssten, könnten sie in Zukunft sogar die Preisgestaltung personalisieren. Die Ersparnis ist in den meisten Fällen ohnehin gering. Laut Stiftung Warentest liegt sie bei den meisten Kundenkarten gerade mal zwischen 0,25 und drei Prozent.

www.freiminuten.de