Eine lange Phalanx ziselierter Törtchen präsentiert sich verlockend in der Vitrine am Tresen. Foto: Kathrin Wesely

Aline John hat ihre Patisserie mit Backstube im Souterrain erweitert. Der Laden brummt. Mit fair, bio und handgemacht liegt die Konditorin ganz und gar im Trend.

S-West - Die kleinen essbaren Kunstwerke bei „Tarte & Törtchen“ gibt es in den Konfektionsgrößen S und XXS. „Mir waren ganze Kuchenstücke immer zu groß“, sagt die Konditorin. „Ich wollte lieber ein bisschen von allem probieren.“ Genau das ermöglicht Aline John der Kundschaft ihres Cafés in der Gutbrodstraße 1. Eine lange Phalanx ziselierter Törtchen präsentiert sich verlockend in der Vitrine am Tresen. „Manchmal fragen mich Kunden, wie viel Kalorien dies oder jenes hat.“ Und John antwortet bloß: „Nehmen Sie doch einfach das Kleine, das hat weniger.“ So ähnlich könnte auch das Motto der Patisserie lauten: „Weniger mit mehr.“

Junge, anspruchsvolle Leute

Johns Konzept, ihrer Backstube einen Cafébetrieb anzugliedern, kam im Westen sofort gut an. Als auch noch der benachbarte Friseursalon kürzlich schloss, packte die 29-Jährige die Gelegenheit beim Schopf und mietete die Räume mit dazu und erweiterte das Café. Vor zwei Wochen erst hat John und ihr achtköpfiges Team die neuen Räume eröffnet. „Es war vom ersten Tag an immer voll – so, als hätten die Gäste nur darauf gewartet.“ Der Clou an dem alten Eckladen: Er war ursprünglich eine Bäckerei, wie die in Stein gemeißelte Brezel überm Eingang verrät. Die Backstube befindet sich um Untergeschoss, die Fenster liegen auf Straßenniveau. Manchmal klebt eine Kindernase dran, weil man von draußen so einen fabelhaften Blick hat auf das süße Geschäft in der Stube.

Von konventionellen Bäckereien heute will sich die Chefin von „Tarte & Törtchen“ allerdings klar unterschieden wissen. Nach ihrer Ausbildung im Stuttgarter Café Königsbau hat Aline John hier und da gejobbt – auch in einer konventionellen Bäckerei, die haufenweise „Hefeplunder“ aus Fertigmischungen fabriziert. „Das wichtigste bei den süßen Stückle war, dass sie groß sind und billig in der Herstellung.“ Ihr Chef meinte, die Kundschaft sei nicht bereit, viel dafür auszugeben. „Aber das ist die Meinung von älteren Leuten“, ist John überzeugt. In ihrer Generation gebe es viele Menschen, wie sie selbst, die Wert legten auf fair gehandelte Produkte von anspruchsvoller Qualität. „Die kosten zwar mehr, dafür kaufe ich weniger.“ Flyer im Laden klären auf, wo Eier, Milch oder Schokolade für die Törtchen herstammen.

Liebe zur französischen Lebensart

Die Konditorin findet sich mit ihrer Auffassung in einer Linie mit den lokalen Brauereien, Kaffeeröstereien, Brennereien und anderen Lebensmittelmanufakturen im Mikroformat, die seit etwa zehn Jahren immer zahlreicher in den Großstädten Fuß fassen. Diese junge Food-Szene tritt ein für eine verbesserte Qualität, nimmt dabei die Produktionsbedingungen in den Blick und propagiert ihre Ware als kostbares, maßvoll zu dosierendes Genussmittel.

Die französische Note und ihre Zuneigung für Petit Four, Eclaires und Macarons hat John allerdings aus Frankreich mitgebracht, wo sie in Patisserien im Elsass und in Bordeaux als Praktikantin arbeitete. „Ich mochte die französische Lebensart schon immer, diese kultivierte Art, zu essen. Da wird das Essen mit der Familie regelrecht zelebriert, da steht auch keiner auf, ehe nicht alle fertig sind.“ Der Respekt vor den Rohstoffen, den Menschen, die sie ernten und den Handwerkern, die sie verarbeiten, setze sich bei Tisch vor der fertigen Mahlzeit fort.

In ihr Metier hat sie eher zufällig gefunden, berichtet die 29-Jährige, der Kuchen wurde ihr nicht in die Wiege gelegt. „Eigentlich wollte ich nach dem Abi Kunst oder Kunstgeschichte studieren.“ Aber zunächst jobbte sie im Café Herbertz im Süden. „Magste nicht auch für uns Kuchen backen?“, schlug der Chef eines Tages vor. So fing es an – zunächst mit drei Kuchen am Tag, später wurden daraus zehn bis zwölf. „Im August vor zehn Jahren fragte mich eine Kundin, ob ich denn nicht eine richtige Ausbildung zur Konditorin machen wolle. Und ich habe gedacht: Warum eigentlich nicht?“