Nach dem Geschenketausch: Ministerpräsident Kretschmann und Stellvertreter Schmid Foto: dpa

Von einer „Liebesheirat“ würde Ministerpräsident Winfried Kretschmann nicht mehr sprechen. Die Koalition mit der SPD will der Grüne aber fortsetzen.

Stuttgart - Es ist ein Treffen an historischem Ort: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Stellvertreter, Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD), kehren am Freitag ins Haus der Architekten in Stuttgart zurück – dorthin, wo sie vor vier Jahren die grün-rote Partnerschaft ausgehandelt haben. Nach ihrem Wahlsieg im Frühjahr 2011, hatten sie dort vier Wochen lang Pläne geschmiedet, wie sie Baden-Württemberg nach 57-jähriger CDU-Vorherrschaft anders und besser machen könnten. Kretschmann sprach damals von einer „Liebesheirat“.

Nun, nach vier stürmischen Jahren, wollen Kretschmann und Schmid mit ihren Parteivorständen einen Abend lang darüber sprechen, wie sie ihre teils schwierige Partnerschaft retten können. In knapp elf Monaten, am 13. März 2016, entscheiden die Baden-Württemberger darüber, ob die grün-rote Koalition fortgesetzt werden kann, ob beide abgelöst werden oder einer doch noch mit der ungeliebten CDU anbandelt.

Das mit der Liebesheirat sei ein bisschen euphorisch gewesen, sagt Kretschmann vor Beginn des Treffens. Heute würde er eher von einer gut funktionierenden Wohngemeinschaft mit einem gemeinsamen, gut gefüllten Kühlschrank sprechen, in der die Aufgaben gut verteilt seien. Auch manche politischen Entscheidungen würde er heute nicht mehr so schnell treffen, räumt er ein und nennt als erstes die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung, die dazu geführt hat, dass die Hauptschulen noch mehr Schüler verloren haben als in den Jahren zuvor. Einige Aufgaben habe er auch unterschätzt, etwa, wie lange es dauern würde, um Windenenergieanlagen zu bauen. Die Gesamtbilanz sei jedoch positiv, die Bürger honorierten die grün-rote Politik mit großer Zustimmung.

Nach derzeitigen Umfragen liegen Grün-Rot und Schwarz-Gelb Kopf an Kopf: Ende März kamen beide Lager auf je 43 Prozent, 63 Prozent der Befragten äußerten sich zufrieden mit den Leistungen der Regierung, so viele wie noch nie. Auch Kretschmann erzielte mit 72 Prozent Zustimmung einen neuen Bestwert. Ob es für eine Fortsetzung der Koalition reicht, hängt auch davon ab, ob es die SPD aus ihrem Tief schafft. Derzeit käme sie auf 18 Prozent.

SPD-Landeschef Schmid gibt sich zuversichtlich. Grün-Rot habe den „Mief und Muff der Muff der Mappus-CDU“ vertrieben und den Reformstau aufgelöst, sagt er. Baden-Württemberg sei moderner, sozial gerechter und ökologischer geworden. Jede Partei werde für sich Wahlkampf machen, aber nicht gegeneinander. Hauptgegner sei schließlich die CDU. Für den beschwerlichen Marsch zu ihrem Ziel überreichten sich Kretschmann und Schmid Rucksäcke – unter anderen mit Akkuschraubern. Die seien wichtig „zum weiteren Bohren dicker Bretter“.

Das sei nichts als leere Symbolpolitik, konterte CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf. „In Wahrheit sind die Rucksäcke ohne Wegzehrung, das Koalitionsklima scheint belastet. Was heute geboten wurde, ist Wahlkampf pur.“